An apple a day keeps the doctor away (@Shutterstock)
Mein Vater hat mich früher als Kind immer dazu angestachelt, einen Apfel bis auf den Stiel zu verputzen. Es war unser kleiner Wettkampf, aber er hatte mehr Recht, als er damals ahnte.
Was ist eigentlich dran, an dem englischen Sprichwort „An apple a day keeps the doctor away.“ Viel Wahres zeigt die Recherche: In Äpfeln stecken viele Vitamine, Spurenelemente, Mineral – und Ballaststoffe, die gut für unsere Gesundheit sind. Die enthaltenen Pektine unterstützen unsere Verdauung und beugen sogar schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor, wie eine Studie der Universität Oxford nahelegt: die Zahl der tödlichen Herzinfarkte und Schlaganfälle in Großbritannien ließe sich um etwa 8500 Fälle senken ließe, wenn jeder Brite über 50 täglich einen Apfel essen würde – zumindest statistisch.
Aber Äpfel können noch viel mehr: Neben Vitaminen & Co nehmen wir mit Äpfeln eine ganze Portion Bakterien auf.
„Rohes Obst und Gemüse sind eine Quelle nützlicher Darmmikroben.“
Gabriele Berg, Technische Universität Graz
Welche Bakterien sind das genau? Dazu ist laut der Biologin noch viel zu wenig bekannt, der Pilzgehalt von Äpfeln wäre dagegen bisher gut kartiert. Um das zu ändern, nahmen Berg und ihr Schweizer Team das Apfelmikrobiom genauer unter die Lupe. Sie analysierten exemplarisch die Sorte „Arlet“ – fein säuberlich aufgetrennt nach den unterschiedlichen Komponenten wie Frucht, Stiel, Schale, Kerne und Fruchtfleisch. Außerdem verglichen Sie Äpfel aus Bioanbau mit konventionell angebauten Äpfeln.
Kerne sind
Bakterien-Hotspots
Das Ergebnis offenbarte ein Gewimmel von Bakterien in und auf den Äpfeln. Da hilft auch kein Waschen!
„Unseren Schätzungen zufolge enthält ein typischer 240 Gramm schwerer Apfel durchschnittlich 114 Millionen von Bakterien.“
Gabriele Berg, Technische Universität Graz
Vor allem die Obstkerne scheinen wahre Bakterien-Hotspots zu sein, wie die Wissenschaftler in ihrer Studie belegten. Weniger besiedelt ist das Fruchtfleisch und die Schale sogar nur geringfügig. Wer gern das Kerngehäuse mitisst, nähme nach den neuesten Erkenntnissen des Teams insgesamt zehnmal mehr Bakterien auf, als Menschen, die es verschmähen. Ohne Kerne sinkt die Mikrobenaufnahme auf nur noch rund zehn Millionen. Doch wie nützlich sind die Bakterien aus dem Obst überhaupt für unsere Gesundheit?
Bio
bietet Artenvielfalt
Ob die Bakterien tatsächlich
unsere gesunde Darmflora fördern oder ihr eher schaden, hängt offenbar ganz
beträchtlich von der Anbaumethode ab. Die Untersuchungen ergaben, dass
Bio-Äpfel eine weitaus vielfältigere und ausgewogenere Bakteriengemeinschaft zu
bieten haben als die konventionell angebaute Variante. Die Forscher sind sogar
der Meinung, dass das artenreiche Mikrobiom ökologisch angebauter Äpfel die
Zusammensetzung unserer Darmflora zugunsten einzelner weniger Arten verhindern
und so auch gleichzeitig vorbeugen könnte, dass sich krankmachende
Bakterienspezies ausbreiten.
Mehr
hilfreiche Mikroben
Die Bio-Äpfel punkten aber nicht nur in Sachen mikrobielle Vielfalt. Sie scheinen auch tatsächlich mehr nützliche und weniger schädliche Bakterien zu enthalten als das Obst aus konventionellem Anbau. Bakterien, die eher für ihr gesundheitsschädliches Potenzial bekannt sind, kamen verstärkt bei konventionell angebauten Äpfeln vor. „So wurden auf den meisten konventionellen Apfelproben Escherichia-Shigella – eine Gruppe von Bakterien, die bekannte Krankheitserreger enthält – gefunden, aber in keinem der Bio-Äpfel“, berichtet Berg. Dagegen kamen die für ihre probiotische Wirkung bekannten Lactobazillen (Milchsäurebakterien) in ökologisch angebauten Äpfeln vor. Das Öko-Obst hat womöglich auch noch einen Geschmacksvorteil. Gabriele Berg und ihr Team stellten fest, das sogenannte Methylobakterien bei Bioäpfeln deutlich zahlreicher vorkamen. Diese Mikroben verstärken bei Erdbeeren die Biosynthese von Aromastoffen. Diese Geschmacksverstärker-Funktion könnten sie auch bei Äpfeln übernehmen.
Bei Pilzen wurden zudem besondere Sorten-Vorlieben in verschiedenen Studien bestätigt. Ob auch Bakterienarten spezielle Favoriten unter den Apfelsorten haben, soll nun die zukünftige Forschung zeigen. Bis dahin gilt der Tipp: Genießt Eure Äpfel doch öfter mal „mit Stumpf und Stiel“ und schneidet das Kerngehäuse nicht mehr heraus!
Originalpublikation:
Frontiers in Microbiology,
2019; doi: fmicb.201901629
Wer kennt denn Enid Byltons „Fünf Freunde“? Wer diese ‚Famous Five‘ Bücher – wie sie im Original heißen – gelesen hat, erinnert sich bestimmt daran, wie gerne die fünf Freunde essen. Da gibt es Scones, Gewürzkuchen und Ingwer Bier – eigentlich eher eine scharfe, süße Ingwer-Limonade. Und um genau diese geht es heute. Ginger Beer selbst zu brauen, ist nämlich gar nicht so schwer. #fermentationfriday
Enid Blytons „Fünf Freunde“ liebten die scharfe Ingwer-Limonade (@Shutterstock)
Beginnen wir damit,
einen sogenannten Ginger-Bug heranzuzüchten. Ohne Ginger-Bug ist es auch
kein echtes Ginger Beer. Das ist nichts anderes als ein lebender
Organismus, der zur Fermentierung des Ingwer-Bieres beiträgt, und ihm so
seinen einzigartigen, leicht herben Geschmack verleiht. Ihr könnt ihn ganz
leicht selbst herstellen. Ähnlich wie beim Brauen eines richtigen Bieres,
spielen auch beim Ginger Beer winzige Kulturen eine große Rolle. Doch
anders als beim echten Bierbrauen, entsteht beim Fermentieren des Ingwers so
gut wie kein Alkohol. Ginger Beer enthält somit genauso viel Alkohol wie
ein alkoholfreies Bier. Da der tatsächliche Alkoholgehalt zuhause nicht zu 100
% bestimmt werden kann, sollten Kinder vorsichtshalber lieber andere
Getränke trinken.
Grundrezept Ginger-Bug
Quelle: Shutterstock
200g Bio-Ingwer
100g Rohrzucker
200 ml Wasser
Fermentationsdauer: 24 – 48 Stunden
Den Ingwer waschen und grob in Stücke schneiden. Nicht schälen, denn wir brauchen die Bakterienflora außen auf der Schale. Den Ingwer mit dem Zucker und Wasser in einer Küchenmaschine pürieren. Es entsteht ein flüssig-braunes Ingwerpüree. Die Mischung in ein Bügelglas ohne Gummidichtung geben, da ihr eine starke Gasbildung erwarten könnt. 2-3 Tage an einem warmen Ort stehen lassen und dabei täglich mit einem Esslöffel Zucker zu füttern und umrühren. Das Ingwer-Mus und das Wasser trennen sich immer wieder, aber das ist ganz normal. Sobald es im Ansatz stark zu blubbern beginnt, könnt ihr das Bier „brauen“. Dazu die Hälfte vom Ansatz nehmen und ihn dann wieder mit Ingwer und Zucker auffüllen – ähnlich wie beim Sauerteig. Im Urlaub könnt ihr den Ingweransatz auch gut im Kühlschrank „zwischenparken“.
Ginger
Beer brauen:
Flaschen mit Bügelverschluss, z.B. 4 0,5
l Flaschen
Etwa 2 Liter Wasser
100 g frischer Bioingwer
100 ml Ingweransatz
8 EL Zucker
Saft von einer Zitrone
Optional: Optional gibt es auch Rezepte, die Zucker und Limette austauschen gegen 2 EL Ahornsirup und 200 ml Orangensaft auf 2 Liter Wasser, je nachdem wie es euch am besten schmeckt.
Ausgekochte saubere Flaschen bis 3 cm unter den Rand mit kaltem Wasser auffüllen.
Ingwer in keine Stifte schneiden und gleichmäßig auf die Flaschen verteilen.
Ingweransatz mit Zucker und Zitronensaft gut vermischen und mit einem Trichter in die Flaschen geben.
Nach 2-3 Tagen sammelt sich das Ingwerfruchtfleisch oben im Flaschenhals und das Ginger Beer ist fertig!
Aber Vorsicht! Die Kohlendioxidbildung ist wirklich sehr heftig. Bevor ihr die Flaschen öffnet unbedingt im Kühlschrank gut durchkühlen und in der Spüle mit einem Tuch darüber öffnen. Ich habe schon mehrmals meine Küche komplett putzen dürfen, inklusive Fensterfront 🙂 – das ist mein Lerneffekt!
Ihr könnt das Ginger Beer vor dem Trinken, durch ein Sieb gießen, das hält die feinen Fruchtreste zurück.
Das fertige Getränk ab jetzt im Kühlschrank aufbewahren. Die Flaschen unbedingt weiterhin 1x täglich öffnen, damit sich nicht zu viel Druck aufbaut. Die Flaschen könnten sonst explodieren.
Mir
schmeckt das Ginger Beer wirklich sehr gut. Es hat eine fruchtige Schärfe und
einen feinen Schaum. Probiert es einfach mal aus!
Tipp zum Mixen: Perfekter Moscow Mule
Gemixt mit Ginger Beer: Moscow Mule (Quelle: Shutterstock)
5 cl Wodka
2 cl frisch gepressten Limettensaft (1/2 Limette)
3-4 dünne Gurkenscheibchen oder Limettenspalten zum Dekorieren
Minze (optional)
12-15 cl Ginger Beer
Wodka Limettensaft
und Ginger Beer in einen mit Eiswürfeln gefüllten Kupferbecher geben. Umrühren!
Mit den Gurkenscheiben, Limettenspalte und Minze dekorieren. Fertig!
Viel Spaß beim Ausprobieren! Mikrobiologische Grüße
Meine Blog-Kollegin Becky vom Baking Science Traveller-Blog war im April wieder fleißig und hat einige Wissenschaftsbücher für große und kleine Leser rezensiert: unter anderem auch mein neues Sachbuch „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke“.
Fazit: „Ein sehr spannendes Buch! Das Thema ist allgegenwärtig. aber dadurch, dass die Mikroben unter unserem Radar leben, nehmen wir sie nicht so sehr wahr. Trotzdem gehören zu diesen Lebewesen weit mehr als Krankheitserreger und es ist keine Lösung und auch nicht erwünscht, auf alles antibakterielles Putzmittel zu geben. Ein tolles Buch, leicht geschrieben und mit vielen Quellenangaben versehen!“
Auch sonst ist der Blog sehr empfehlenswert. Hier werden Mathematik, Reisen und „nerdiges Backen“ auf sehr sympathische Weise kombiniert. Schaut mal vorbei!
Sie sind einfach überall – im Bett, in der Küche, in unserer Handtasche oder im Bus: Milliarden von Mikroben. das ist weder schlimm noch gefährlich. Die meisten von ihnen sind sogar nützlich. Putzen kann auch krank machen. Also mehr Mut zum gesunden Dreck!
Schießen wir mit Kanonen auf Spatzen? Antibakterielle Reiniger sind im Haushalt nicht nötig. (Bild: Shutterstock)
Dieser Mikrobenzirkus-Artikel erschien zuerst im Carl-Roth-Blog.
Mögen Sie Mikroben? Oder lässt Sie allein schon der Gedanke an solche winzigen Lebensformen zur Desinfektionsflasche greifen? Bakterien & Co. haben ein furchtbar schlechtes Image. Tägliche Nachrichten über Epidemien und gefährliche Krankheitserreger machen Mikroorganismen zu unseren Angstgegnern. Hygiene wird großgeschrieben und „antibakteriell“ klingt für die meisten Menschen positiv. Selbst Privathaushalte rüsten zur Schlacht gegen die winzigen Mitbewohner und manche sind schon keimärmer als ein OP-Saal!
Glaubt man den Warnungen von Naturschützern und Wissenschaftlern verursachen die Menschen gerade das größte Artensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier, indem wir in die letzten unberührten Regionen vordringen. Dazu gehören auch die kleinsten Lebewesen im Mikrokosmos unsers Alltags. Forscher des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) rücken in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution den Fokus gerade auf ein Ökosystem, das bisher verborgen vor unseren Augen existiert – in unseren Wohnungen und Häusern. Hier leben Mikroben mit uns Haut an Haut und auch in unseren Körpern. Mehr als zweihunderttausend Mikroorganismen sind dort bisher bekannt. Allein auf unserer Haut leben tausende Bakterien, in unseren Wohnungen gut 40.000 Arten von Pilzen. Mit scharfen Waffen wie Desinfektions- und Badewannenspray oder Antibiotika führen wir einen täglichen Kampf im Lebensraum Haus – ohne bisher langfristig zu wissen, welche Konsequenzen es am Ende für uns hat. Wir putzen zu viel und schaden damit womöglich einem Ökosystem, welches uns gesund erhält.
Schon lange interessieren sich Wissenschaftler für die Widerstandsfähigkeit in größeren Lebensräumen wie Wiesen und Wäldern gegen Schädlinge, Klimaschwankungen oder auch Krankheitserreger. Fazit dieser Studien: je höher die Vielfalt der Arten, desto eher können solche Störungen toleriert werden, weil nie alle Arten gleichzeitig betroffen sind.
Ziel der Forscher ist es nun, herauszufinden, ob diese Stabilitätstheorie auch für die Welt im Mikrokosmos gilt. Das hätte weitreichende Folgen für unsere Gesundheit. So stören wir womöglich durch unsere Eingriffe in die mikrobielle Artenzusammensetzung unserer Umwelt, dass Krankheitserregern ganz natürlich eingedämmt werden. Wie Pflanzen und Tiere konkurrieren auch Mikroben in einem dicht besiedelten, artenreichen Raum um die vorhandenen Ressourcen. Neue Arten fassen daher schwerer Fuß. Ist der Lebensraum aber sowieso gestört, dann können sich schädliche Neuankömmlinge viel besser ausbreiten.
Mikroben schützen vor Krankheitserregern
Der Effekt,
dass sich Krankheitserreger in artenarmen Ökosystemen schneller ausbreiten
können, wurde schon mehrfach von Experten für die Mikrowelt beschrieben. So
können Stäbchenbakterien der Art Clostridium
difficile besonders gut Darmentzündungen mit Durchfall auslösen, wenn
anfällige Menschen vorher eine Antibiotikatherapie bekamen.
Ein anderes
Beispiel finden wir in jeder Dusche. In den Duschköpfen bilden sich schnell
Biofilme aus krankheitsauslösenden Bakterien, sogenannte Nichttuberkulöse
Mykobakterien. Besonders in Regionen, in den Wasser gechlort wird, treten diese
Biofilme häufiger auf. Die Mykobakterien breiten sich zudem besonders gut auf
metallenen Duschschläuchen aus.
Aber auch
unsere Küchenschwämme passen in diese Reihe. Nach einer Studie von Forschern
der Hochschule Furtwangen, der Justus-Liebig Universität und dem
Helmholtz-Zentrum München. In gebrauchten Küchenschwämmen stellten die Wissenschaftler
Bakterienkonzentrationen fest, wie sonst nur in Fäkalproben. Wurden die
Schwämme nur mit heißem Wasser ausgewaschen oder in der Mikrowelle behandelt,
stieg gerade der Anteil der für uns gefährlichen Bakterien an. Daher bleibt
bisher nur ein regelmäßiges Austauschen der Schwämme als effektive Hygienemaßnahme.
Zum Abschluss aber noch ein positives Beispiel. Eine besonders hohe mikrobielle Artenvielfalt in unseren Wasserleitungen ist für uns sogar sehr nützlich. Unser Trinkwasser ist keinesfalls steril. In jedem Glas Leitungswasser tummeln sich bis zu 10 Millionen unerkannter Bakterien, wie Forscher der Universität Lund entdeckten. Mit anderen Mikroben bilden sie in den Rohrleitungen „Schleimstädte“ – symbiontische Lebensgemeinschaften mit anderen Pilzen, Algen und Protozoen. Es sind vor allem diese guten Bakterien, die dabei helfen unser Trinkwasser zu reinigen und gegen Krankheitserreger zu schützen. Nach Schätzungen leben bis zu 1000 verschiedene Bakterienarten in den Wasserleitungen z.B. die Sphingomonadaceae. Diese Gruppe baut fleißig Schadstoffe ab wie z.B. giftige Aromate.
Schöner und gesünder wohnen mit Mikroben:
Was heißt das
nun für unser Zusammenleben mit Haushaltskeimen? Nur ganz wenige von ihnen
lösen Krankheiten aus. Die meisten helfen uns sogar, gesund zu bleiben. Wir
sollten nützliche Keime sogar in unseren Räumen behalten, ja, sie sogar regelrecht
kultivieren. Mehr Mut zu etwas gesundem Dreck! Auch wenn das natürlich bei den
meisten ein Umdenken in puncto Reinlichkeit oder Hygiene bedeutet.
Öffnen Sie also
Ihre Türen und Fenster und lassen Sie etwas mehr mikrobielle Artenvielfalt in
Ihre vier Wände. Dies sorgt für ein gesundes und stabiles Gleichgewicht in der
Zusammensetzung der Mikroorganismen. Lüften Sie regelmäßig, stellen Sie
Zimmerpflanzen in Ihre Wohnung, halten Sie einen Hund oder eine Katze!
Haustiere sind eine Quelle guter Mikroben. Desinfektionsmittel sind im normalen
Haushalt völlig unnötig. Zum Putzen sind drei Standardreiniger ausreichend:
Neutralreiniger, Zitronensäure oder Essig sowie Scheuermilch für hartnäckige
Verschmutzungen.
Viele weitere
Anregungen, wie Sie Ihren heimischen Mikrobenzoo hegen und pflegen können und
dabei gesund bleiben, finden Sie zum Weiterlesen in meinem aktuellen Sachbuch
„Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke – Wie Mikroben unseren
Alltag bestimmen“ (Heyne Verlag, 2019,).
Dunn, R. R., Reese, A. T., & Eisenhauer,
N. (2019). Biodiversity-ecosystem function relationships on bodies and in
buildings. Nature Ecology & Evolution, 3(1), 7-9. doi:10.1038/s41559-018-0750-9
Über die
Autorin:
Susanne
Thiele ist Mikrobiologin und Wissenschaftsautorin. Wenn sie keine Sachbücher
schreibt, leitet sie die PR-Abteilung am Helmholtz-Zentrum für
Infektionsforschung in Braunschweig, schreibt für Zeitungen und Journale oder
auf ihrem Blog, „Mikrobenzirkus“ (als Wissenschaftsblog 2018 ausgezeichnet).
Blog: www.mikrobenzirkus.com
Twitter: @mikrobenzirkus Facebook: @mikrobenzirkus Instagram: @mikrobenzirkus
Unser Sauerkraut ist in der koreanischen Küche das Kimchi. Dieses Gericht ist wirklich ein koreanisches Nationalgericht – sozusagen der fermentierte Nationalstolz. Für uns ist es schwer nachzuvollziehen, wie sehr das milchsaure Kraut mit der kulinarischen Identität Südkoreas verbunden ist. Zu jeder, wirklich ausnahmslos jeder Mahlzeit wird Kimchi als Beilage serviert – und zudem auch mit Reis gebraten, in Suppen eingelegt oder in Teigtaschen gefüllt. Bis ins 13. Jahrhundert reichen die ersten Aufzeichnungen darüber zurück. Kimchi gilt als sehr gesund, denn es soll ein langes Leben verleihen. Im Gegensatz zum Sauerkraut, welches bei uns oft gekocht wird, wird Kimchi roh verzehrt, was die lebenden Kleinstorganismen nicht zerstört. Die Anwesenheit von Salz ermöglicht den Milchsäurebakterien ein fröhliches Vermehren, verleidet aber gleichzeitig den Fäulnis bewirkenden Mikroorganismen das Leben. Kimchi wird im Gegensatz zum Sauerkraut auch viel schärfer gewürzt. Neben der Milchsäure bestimmen Chili, Ingwer, Frühlingszwiebeln und Fischferment den Geschmack. Im folgenden Rezept probieren wir gemeinsam ein schnelles verganes Anfänger-Kimchi aus, ohne Fischsauce. Meine beiden Teenager sind gerade auf dem veganen Pfad. Die Zutaten könnt ihr unkompliziert in jedem gut sortierten Supermarkt kaufen.
Einkaufsliste
Zutaten für ein verganes Kimchi (S. Thiele
1 großer Chinakohl
2 Karotten
1 weißer Rettich
1 Bund Frühlingszwiebeln
1 großes Stück Ingwer
4 Knoblauchzehen
2 rote Chilis
Salz
Wasser
Zubereitung
Den Chinakohl in fingerbreite Streifen schneiden, in eine große Schüssel geben und mit Salzlake (20g Salz/ 1 Liter Wasser) bedecken. Den Kohl zusammen und unter die Lake drücken und mit einem Teller beschweren. Für mindestens 2 Stunden stehen lassen.
Karotten und Rettiche schälen, grob raspeln und aufheben. Frühlingszwiebeln in dicke Ringe schneiden.
Ingwer und Knoblauch fein zerkleinern mit den entkernten Chilis und etwas Kohl-Salzlake mischen. Den Kohl von der Lake mit einem Sieb trennen und gut ausdrücken. Die Salzlake aufheben.
Den Kohl mit den Karotten, Rettich und Frühlingszwiebeln in einer Schüssel gut vermischen und die Chili-Knoblauch-Mischung darüber geben. Gut verkneten. Vorsichtig nachsalzen falls nötig.
Das Kimchi in Gläser mit Bügelverschluss füllen, fest andrücken bis keine Luftblasen mehr zu sehen sind. Wenn das Kraut nicht mit Flüssigkeit bedeckt ist, etwas Salzlake nachfüllen. Die Gläser nicht höher als zwei Finger unter dem Glasrand füllen. (Überlaufgefahr)
Die Gläser zur Fermentation 3-7 Tage an einem warmen Ort stellen, damit die Milchsäurebakterien ihren Job machen können. Es entstehen leichter Schaum und Bläschen – das ist ganz normal. Ihr könnt das Kraut täglich etwas andrücken, falls es „hochwächst“ und dabei gleich probieren, ob es euch schon scharfsauer genug ist.
Wenn euch der Geschmack zusagt, wird das Kimchi in den Kühlschrank gestellt (Stopp der Fermentation) und ist dort mindestens 2-3 Monate haltbar.
Nach und nach werdet ihr euch immer mehr an die würzigeren Kimchi-Varianten herantrauen.
Zubereitungszeit: ca. 2 Stunden
Fermentation: 3-7 Tage
Haltbarkeit: 2-3 Monate
Das Rezept ist inspiriert vom Buch „Fermentieren ganz einfach selbst gemacht“ von Cathrin Brandes)
Zerkleinertes Gemüse (S. Thiele)
Den Kohl zwei Stunden in der Salzlake wässern (S. Thiele)
Veganes Kimchi nach 7 Tagen Fermentation (S. Thiele)
Wenn ihr Fragen oder Anregungen habt, hinterlasst mir sehr gern einen Kommentar!
Magnetische Bakterien – die gibt es wirklich! Die Bakterien der Gattung Magnetospirillum sind die Mikroben des Jahres 2019. Diese im Wasser lebenden Bakterien können sich am Magnetfeld der Erde orientieren – und eignen sich als nützliche Helfer im Bereich von Biotechnologie und Medizin. So können die Mikroben zum Beispiel als Kontrastmittel fungieren oder dabei helfen, Zellen künstlich zu steuern.
Seefahrer vertrauen seit Jahrhunderten auf ihren Kompass. Doch die Natur nutzt dieses Prinzip schon viel länger. Viele Lebewesen können das Magnetfeld der Erde wahrnehmen und sich an ihm orientieren. Zugvögel beispielsweise nutzen ihren magnetischen Sinn als Richtungsweiser auf ihren langen Flügen. Aber auch Fische, Füchse, Wildschweine und Hunde besitzen einen Magnetsinn. Selbst im Reich der Allerkleinsten gibt es Organismen, die sich am irdischen Magnetfeld orientieren: Bakterien. Als Kompass tragen diese Mikroben winzige Ketten von Kristallen aus dem Eisenoxid Magnetit in sich. Faszinierend ist es anzusehen, wenn sie alle einheitlich ausregerichtet unter dem Mikroskop umherflitzen.
Bakterien mit Magnetsinn – Kristalle aus Eisenoxid
Erstmals entdeckt wurden diese besonderen Bakterien durch den Italiener Salvatore Bellini. Dieser stieß mit seinen Beobachtungen im Jahr 1963 zwar zunächst noch auf Unglauben. Doch mit der Verbreitung des Elektronenmikroskops bestätigte Richard Blakemore zwölf Jahre später die Existenz magnetischer Mikroben: In Schlammproben sah er Mikroorganismen mit Ketten magnetischer Kristalle, die sich wie eine Kompassnadel im magnetischen Feld ausrichteten. Heute weiß man, dass spezielle Enzyme Eisen-Ionen aus der Umgebung in die Bakterienzelle transportieren. Dort bilden sich Ketten aus 15 bis 30 Eisenoxid-Kristallen, die zusammen als Magnet wirken. Ein Zellskelett aus langen Proteinfäden, ähnlich aufgebaut wie unsere Muskeln, hält die Kristalle in der Zellmitte und sortiert sie bei der Zellteilung gleichmäßig.
Vorteil bei der Orientierung im Wasser
Zusammen mit einem speziellen Sauerstoffsensor orientieren sich die Bakterien mit ihrem inneren „Magneten“ so im Wasser: Sie suchen gezielt Schichten mit einem optimalen geringen Sauerstoffgehalt auf. Die magnetischen Pole der Erde helfen ihnen, sich in der richtigen Wassertiefe auszurichten. Ihre schraubenförmige Gestalt hilft dabei, sich im Bodensediment zu bewegen. Dank der detaillierten Erkenntnisse zur Biosynthese und Funktion der Magnetosomen gilt Magnetospirillum mittlerweile auch als wichtiger Modellorganismus für die Bildung bakterieller Organellen.
Professor Dr. Dirk Schüler ist seit fast 30 Jahren von diesen Bakterien fasziniert. Als Student im Greifswalder Labor von Manfred Köhler entdeckte er 1990 Magnetospirillium im Schlamm eines kleinen Flusses. Darauf ist auch der Namenszusatz „gryphiswaldense“ zurückzuführen. Zeitgleich gab es große politische Umwälzungen – der Fall der Mauer. Gemeinsam mit den Experten aus dem Münchner Labor von Karl-Heinz Schleifer und Rudolf Amann konnten sie das neuentdeckte Bakterium mit modernen Methoden untersuchen. Es wurde namensgebend für die ganze Gattung Magnetospirillium.
Innovative Waffe gegen Tumore ?
Für die Biotechnologie und die Medizin bieten die Bakterien faszinierende Möglichkeiten. Doch auch darüber hinaus bietet Magnetospirillum faszinierende Möglichkeiten: Die winzigen Magnete haben eine einheitliche Größe, Form und hohe Magnetisierung, die synthetische Nanopartikel nicht erreichen. Aus diesem Grund können sie als Kontrastmittel in der medizinischen Bildgebung fungieren – dabei übertreffen sie die Wirksamkeit kommerzieller magnetischer Kontrastmittel deutlich, wie Versuche zeigen. Zudem erzeugen die Magnetosomen der Bakterien in Zellen oder Geweben Wärme, wenn ein starkes Magnetfeld angelegt wird – in Tierversuchen ließen sich damit Tumoren verkleinern. Außerdem ist es Forschern bereits gelungen, den kompletten Biosyntheseweg aus Magnetospirillum in fremde Bakterien übertragen. So lassen sich in Zukunft womöglich Zellen künstlich magnetisieren und dadurch „steuern“. lebende Magnetbaketrien könnten sogar als „Mikroroboter“ mit Medikamenten beladen werden und diese dann zum Wirkunsgort im Körper, etwa zu Tumoren bringen.
Nun bleibt die Frage, ob auch Laien magnetotaktische Bakterien finden könnten? Sicher, meint Prof. Dirk Schüler von der Universität Bayreuth. Das wäre nicht schwer. In jedem Gartenteich oder flachen Tümpel gibt es viele verschiedene Arten: Stäbchen, Kugeln, Spiralen. Betrachtet man den Rand eines Schlammtropfens mit einem Phasenkontrastmikroskop, das wenigsten 100fach, besser 400fach vergrößert, an den man einen kleinen Stabmagneten hält. Dann schwimmen die Magnetbakterien hartnäckig in diese Richtung und wenden, sobald man den Magneten umdreht.
Die Wahl zum „Wissenschaftsblog 2018“ ist abgeschlossen und heute wurden die Ergebnisse bekanntgegeben! Der „Wissenschafts-Block in Bronze“ wurde an meinen „Mikrobenzirkus“ verliehen. Eine große Überraschung für mich, über die ich mich sehr gefreut habe. An dieser Stelle vielen Dank an alle Leser, die mit abgestimmt haben !
Wissenschafts-Block 2018 in Bronze für den Mikrobenzirkus
Hier für euch die netten Wort in der Begründung der Preisvergabe von Reiner Korbmann vom Blog „Wissenschaft kommuniziert“, der diese Wahl bereits zum achten Mal veranstaltet hat.
Der „Wissenschafts-Blog des Jahres 2018“ in Bronze: Mikrobenzirkus von Susanne Thiele
Kann man sich für winzige Plagegeister begeistern, wie Bakterien, Viren, Pilze usw.? Man kann! Und wie, das führt Susanne Thiele vor. Die Mikrobiologin ist fasziniert von den winzigsten Organismen und schafft es, diese Begeisterung an die Leser ihres Blogs weiterzugeben: Sie erzählt Geschichten, etwa vom Sauerkraut, sie zeigt wunderschöne Bilder, etwa die unterschiedlichsten Mikroben auf Agarplatten in leuchtenden Farben (übrigens auch auf Instagramm) und sie variiert das Thema Mikroben tatsächlich so kreativ und vielfältig wie ein Zirkusprogramm.
Man mag eine Abscheu gegen die Kleinstorganismen haben (die andererseits so lebenswichtig für uns sind), man kommt aber nicht an ihren attraktiven Seiten vorbei, die die Bloggerin in ihrem Ideenreichtum und ihrem Engagement jeweils neu erfindet. Das ist ein gut gemachter, optisch attraktiver Blog, wie man sich ihn als Blogger wünscht, und der in der Lage ist, eine in der Öffentlichkeit meist nur mit Krankheiten verbundene Disziplin aus den negativen Assoziationen herauszuholen. Da wiederum kommt Susanne Thiele ihr privater Blog auch beruflich zugute, denn sie ist Pressesprecherin des Helmholtz-Zentrums für Infektionforschung in Braunschweig.
Die weiteren Gewinner sind der „Theorie-Blog“ des Politikwissenschaftlers Dr. Sebastian Huhnholz aus Hannover, den er mit Kollegen betreibt (Gold) und der „Zukunfts-Blog“ der ETH Zürich (Silber).der Sonderpreis der Redaktion geht an den Blog „Baking Science Traveller„, der Mathematikerin Isabelle Beckmann, der ihr Interesse für Wissenschaft, Reisen mit dem täglichen Leben als Mutter verbindet.
Fazit: Diese Leserwertung und der Preis sind ein schönes Feedback für mich. Ein Blog lebt ja von seinem Gegenüber. Mir macht es unheimlich viel Spaß für euch Themen „auszugraben“ und so gibt auch 2019 weiterhin spannende Geschichten aus dem Mikrokosmos, Mitmachexperimente und auch Buchrezensionen hier im Mikrobenzirkus.
Mikrobiologische Grüße
Susanne
Worüber möchtet ihr mehr lesen? Schreibt mir gern einen Kommentar!
Liebe Mikrobenzirkus-Freunde… es wird wieder Zeit für einen Jahresrückblick 2018, einen Blick voraus und vor allem für eine Geburtstagstorte: Happy Birthday! Der Mikrobenzirkus ist nämlich mittlerweile 4 Jahre alt. An dieser Stelle natürlich ein großes Dankeschön an alle, die über die vier Jahre die Treue halten oder auch neu dazugekommen sind.
Besucherzahlen:
Der Mikrobenzirkus_nöog wurde am 31.12.2018 vier Jahre alt. (Fotolia)
Der Mikrobenzirkus hatte im Jahr 2018 in diesem Jahr 60.190 Aufrufe und 34.060 Besucher. Im Vergleich dazu die Zahlen für 2017: 37.500 Aufrufe und 24.000 Besucher. Und das obwohl ich in diesem Jahr nur 22 Beiträge veröffentlich habe: Geschrieben habe ich zwar trotzdem, aber verstärkt an meinem neuen Buch. Dazu später mehr.
2016 hatte ich im Blog auch mit dem „DIY Mikrobenzirkus“ begonnen: sprich mit der Fermentation in vielen Variationen. Dabei geht es darum, zu lernen, wie wir Sauerkraut & Kimchi, Joghurt, fermentierte Getränke (Kefir & Kombucha) herstellen können oder auch wie man Brot mit Sauerteig bäckt. Diese Kategorie im Blog hat sich als besonders erfolgreich bei euch gezeigt. Die Rezepte werden viel geklickt und ich erhalte immer viele Nachfragen von euch. Der Fermentationsonlinekongress bei dem ich 2018 zweimal mit einem Video-Interview teilgenommen habe, hat die Besucherzahlen im Sommer dementsprechend in die Höhe schnellen lassen (7995 Aufrufe im Juli). Die Rezepte findet ihr im Blog in der Kategorie DIY Rezepte. Für eure Fragen stehe ich immer gern bereit.
Mikrobenzirkus in den Social Media:
Mikrobenzirkus auf Instagram
Besonders aktiv ist meine Mikrobenzirkus-Community auf Instagram, die im letzten Jahr auf 1180 mikrobenbegeisterte Follower angewachsen ist. Ich gestalte den Instagram-Kanal als einen Themenkanal mit interessanten Neuigkeiten und Geschichten zur Mikrobiologie in unserem Alltag. Dort gibt es täglich kleine Wissenshäppchen, viele schöne Fotos und natürlich auch die Rezepte zu den Fermentionsexperimenten.
In diesem Jahr wurde mein Instagram-Kanal auch als ein gutes Beispiel zur Wissenschaftsvermittlung vorgestellt vom Blogportal http://www.wissenschaftskommunikation.de. Hier könnt ihr den ganzen Artikel lesen noch einmal lesen. Wissenschafts¬Kommunikation via Instagram – drei Beispiele: Instagram kann ein nützliches Medium für die Wissenschaftskommunikation sein. Wir stellen drei Kanäle mit unterschiedlichen Zielen vor. Die Macherinnen und Macher verraten uns, über welche Themen sie sprechen, wen sie damit erreichen möchten und wie das Publikum auf sie reagiert. Auch bei Facebook (@mikrobenzirkus) und Twitter (@mikrobenzirkus) könnt ihr mir natürlich folgen.
Mikrobenzirkus auf der Shortlist „Wissenschaftsblogs 2018“
Wahl der Wissenschaftsblogs 2018
Über die Nominierung meines Blogs für die Wahl der spannendsten „Wissenschaftsblogs 2018“ habe ich mich sehr gefreut. Insgesamt standen stehen 22 Blogs zur Auswahl. In einer anderen Kategorie wird auch ein „Blogteufelchen“ vergeben. Die Stimmenabgabe ist schon abgeschlossen, Das Ergebnis steht aber noch aus. Wir bleiben gespannt!
Ausblick 2019:
Mein neues Sachbuch erscheint am 11.2. 2019
Ab Mitte Februar wird es dazu Lesungstermine, eine Leserunde bei Lovelybooks geben. Auch auf der Leipziger Buchmesse im März können wir uns direkt dazu unterhalten.
Alle Infos zum Buch und sogar schon eine Leseprobe findet ihr auf der Verlagsseite vom Heyne-Verlag (Randomhouse).
Workshop Fermentation am 9.5.2019
Im Mai gebe ich zum ersten Mal an der VHS in Braunschweig einen Kurs zur „Kunst der Fermentation“ für Interessierte und Anfänger.
Gemüse wild fermentieren Workshop mit Verkostung Kursinhalt: Fermente sind lecker, lange haltbar und dazu noch sehr gesund: Der Workshop vermittelt Ihnen Theorie und Praxis der Milchsäuregärung und betrachtet auch weitere Arten der Fermentation (Joghurt, Sauerteig, Wasser/Milch-Kefir, Kombucha u.v.m.). Bevor es zu theoretisch wird, probieren wir uns durch eine bunte Vielfalt verschiedener Gemüsefermente und fermentierter Getränke bei einer sauren Verkostung. Zum Abschluss stellen wir gemeinsam ein schnelles Ferment im Bügelglas zum Mit-nach-hause-nehmen her. Einige Rezeptideen erhalten Sie außerdem zum fröhlichen Weiterexperimentieren.
Daneben wird es natürlich weiterhin im Mikrobenzirkus neue Blogartikel und Mitmach-Rezepte sowie Buchempfehlungen geben. Ich freue mich immer über Kommentare oder Anregungen von euch!
Dann wünsche ich euch allen ein spannendes und vor allem gesundes 2019! Wir lesen uns!
Weihnachten, Plätzchen, Feuerzangenbowle…Unterhalten wir uns doch einmal über eine weitere wichtige Gruppe von Mikroorganismen, die unsere Speisekammer bereichert – die Hefen – die Bereiter von Brot und Wein. Hefe wird den meisten unter euch wahrscheinlich in Form eines Würfels Bäckerhefe aus dem Supermarkt bekannt sein. Doch Hefen befinden sich ganz natürlich überall an unseren Händen, auf Pflanzen oder auch im Fruchtsaft oder gärendem Obst.
Saccharomyces cerevisiae CC BY-SA 3.0
Unter dem Mikroskop sind die Hefen als eiförmige Zellen sichtbar mit einem Durchmesser von bis zu zehn Mikrometern und einem Zellkern. Um nur ein Gramm Hefe zu haben, braucht es immerhin 20.000.000.000 dieser Zellen. Die Pilze werden auch als Sprosspilze bezeichnet, weil sie sich durch die so genannte Knospung vermehren und neue Tochterzellen bilden. Am geläufigsten ist die Bäckerhefe oder Saccharomyces cerevisiae. Der Name leitet sich aus dem griechischen Wort für »Zuckerpilz« und der lateinischen Bezeichnung für Bier ab. Das sagt auch schon sehr viel über den besonderen Stoffwechsel dieser Pilze aus. Sie sind nämlich in der Lage, Zucker zu verstoffwechseln.
Beim Abbau von Zucker produziert die Hefe Alkohol und ein Gas, das Kohlendioxid. Dieser Stoffwechselweg wird als alkoholische Gärung bezeichnet, was äußerst amüsant in dem Film »Die Feuerzangenbowle« gezeigt wird. Ihr wisst schon:
»Jeder nor einen wönzigen Schlock«.
Bäckerhefe mit langer Geschichte
Die Einzeller stellen die wichtigsten Organismen dar, die von uns Menschen in der Lebensmittelherstellung seit langer Zeit eingesetzt wurden. Die Ursprünge des Alkohols sind dabei unbekannt: Zwar wies der Anthropologe Patrick E. McGovern schon Alkoholspuren aus einer Mischung aus Reis, Honig und Früchten auf 9000 Jahre alten Tonscherben in einer jungsteinzeitlichen Siedlung in China nach. Wahrscheinlich hat aber der Mensch den Alkohol gar nicht erfunden. Interessanterweise sind nämlich alle Wirbeltierarten mit einem Leberenzymsystem ausgestattet, welches Alkohol abbauen kann.
Tierische Saufnasen
Das Spitzhörnchen Ptilocercus lowi mag durch Hefen vergorene Früchte besonders gern. (Joseph Wolf (1820 – 1899) – Proceedings of the Zoological Society of London, 1848, Mamm. pl. 2)
Viele Tiere nehmen schließlich in ihrer natürlichen Umgebung Alkohol auf. Eine richtige kleine »Saufnase« ist das Federschwanz-Spitzhörnchen Ptilocercus lowii im malaysischen Regenwald. Als lebender Vorfahre der Primaten hat das Spitzhörnchen den zu Alkohol fermentierten Nektar in den Blütenknospen der Bertrampalme (Eugeissonia ztistis) als Delikatesse entdeckt, der dort von einer Gemeinschaft von Hefen produziert wird. Gleichzeitig erfüllt es dabei die lebenswichtige Aufgabe, die Palme zu bestäuben. Das bekommt es trotz der 3,8 Prozent Alkohol im vergorenen Blütennektar auch noch gut hin: denn bemerkenswerterweise zeigen die Spitzhörnchen keine Anzeichen von Trunkenheit. Auch Elefanten, Affen und Flughunde lieben Alkohol aus vergorenen Früchten. Der Suchtforscher Ronald Siegel beschreibt ganze Menagerien aus Dschungeltieren, die sich über Kilometer in Bewegung setzen, sobald der verlockende Duft gärender Stinkfrüchte wahrzunehmen ist . Daher ist auch anzunehmen, dass auch unsere menschlichen Vorfahren schon lange sehr genau wussten, wo sie solche Dschungelgelage feiern konnten oder wo sie spezielle Früchte, Wurzeln oder Knollen sammeln konnten – lange bevor sie Wein in Fässern ansetzten.
Flüssiges Brot und die „Brotesser“ vom Nil
Pyramiden-Komplex des Khefren von Uvo Holscher [Copyrighted free use], via Wikimedia Commons
Hefe wurde bereits in der Antike zur Bierherstellung genutzt – damals aber eher noch unter weniger kontrollierten Bedingungen und mit so genannten »wilden« Hefen, die in der Natur zu finden sind. Die von den Hefen produzierten Stoffwechselprodukte lassen beim Backen den Teig aufgehen und verhelfen Getränken zum Alkoholgehalt. Schon die Phönizier brauten als Erste unter Zugabe dieses Pilzes ihr Bier. Die Ägypter entdeckten Bäckerhefe wahrscheinlich durch Zufall für die Herstellung von Brot, das durch die Besiedelung von Sauerteig durch Hefepilze wesentlich aromatischer und luftiger wurde als die bis dahin hergestellten herkömmlichen flachen Fladenbrote. So entwickelte sich sich Backen und Brauen in der Menschheitsgeschichte gemeinsam. Es ist daher durchaus legitim vom Bier, als »flüssigem Brot« zu sprechen.
A funerary model of a bakery and brewery, dating the 11th dynasty, circa 2009-1998 B.C. Painted and gessoed wood, originally from Thebes. By Keith Schengili-Roberts (Own Work (photo)) [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons
Zwei große Erfindungen haben das Brotbacken entscheidend verändert. Die eine war der Bau von Backöfen, damit Brote erstmals gleichmäßig durchgebacken wurden. Vorher wurde Getreidebrei einfach zu einem Fladen getrocknet oder auf einem heißen Stein gebacken – so konnte er als Snack mitgenommen werden. Die zweite wichtige Erfindung war die Wirkung von Hefen.
Überliefert ist eine Anekdote dazu: »Eine Sklavin im alten Ägypten hatte etwas Getreidebrei vergessen und ihn in der Sonne stehen lassen. Nachdem er zu gären begann, bekam sie einen großen Schreck wegen der Verschwendung und buk diesen Fladen doch noch. Er blähte sich aber beim Backen auf und so hatte sie erstmals in der Geschichte ein aufgegangenes Brot gebacken.«
Ob sich wirklich den Ägyptern die Erfindung des Sauerteigs zuschreiben lässt, lässt sich nicht eindeutig sagen. Diese zufälligen Begebenheiten wurden an vielen Orten gleichzeitig beschrieben. Damit ist in der Geschichte der Übergang vom ungelockerten Fladen zum fluffigen Brot entstanden. Gewonnen wurde die Hefe bei den Ägyptern meist durch Abschöpfen von obergärig gebrautem Bier. Dadurch hatte die Hefe damals natürlich noch nicht die Reinheit, wie wir sie von heutigen Backhefen her kennen. Mehr als 30 Brotsorten kneteten die Ägypter schon aus ihren gegorenen Teig, was den Menschen am Nil den Spitznamen »Brotesser« einbrachte. Sie gaben das Verfahren, nach dem die Hefe beim Bierbrauen gewonnen und schließlich zur Herstellung von Broten genutzt wurde, an die Griechen weiter. Von diesen wiederum lernten die Römer.
Über 300 Brotsorten in Deutschland
Vielfältige Brotsorten (CC0 Creative Commons)
Ab dem Mittelalter stellten die Menschen schließlich auch Backwaren aus anderen Teigmischungen her – unter Zugabe von Backhefe und verbesserten kontinuierlich die Methoden. Die Gärung als chemischer Prozess ist auch Namensgeber für unser Brot. Der Begriff stammt vom altdeutschen »prôt« ab, was soviel heißt wie »Gegorenes«. Irgendwann wurden die Hefen, die bei den Bierbrauern und Schnapsbrennern anfielen, einfach an die Bäckereien weiterverkauft. So änderte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend die Heferasse in den Brauereien von obergäriger zu untergäriger Hefe, welche aber für die Bäckereien nur schlecht einsetzbar waren. Daher begannen die Bäcker Hefen zu kultivieren, die speziell zum Backen geeignet sind.
Mittelalterliches Monatsbild (Dezember) aus einem Kalendarium: Ein Bäcker schiebt Brot in den Backofen. (Quelle: Wikimedia, Gemeinfrei)
Heute wird die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae bei der Herstellung beinahe aller Brot- und Brötchensorten sowie von traditionellem Kuchen mit Hefeteig zur Teigauflockerung verwendet. Während der Teig »geht«, entsteht durch alkoholische Gärung das Gas Kohlendioxid, welches sich fein im Teig verteilt und dessen Volumen beträchtlich vergrößern kann. Das entstandene Ethanol wird beim anschließenden Backprozess, zu dessen Beginn die Hefe auf Grund der hohen Temperaturen abstirbt, verdampft.
In Deutschland gibt es heute etwa über 300 Brotsorten. Das liegt einmal an dem weiten Weg den die Kunst des Brotbackens von Ägypten über Griechenland bis zu den Römern zurücklegte – jeder entwickelt die Technik etwas weiter und erfand neue Rezepte. Ein weiterer Grund für die Vielfalt der Brotsorten ist die Tatsache, dass Deutschland im späten Mittelalter einem Flickenteppich unabhängiger Städte und Herzogtümern glich. Innerhalb dieser engen Grenzen entwickelten sich eigene Gebräuche und Sitten und dazu passende Brotsorten. Aber zurück in unsere heimische Küche und Speisekammer.
Zum Ausprobieren – Leckeres Sauerteigbrot
Ein mikrobiologisches Brotexperiment, welches ihr sehr gut zu Hause probieren können, ist das Backen eines Sauerteigbrotes. Heraus kommt ein besonders unvergleichlich knuspriges und duftendes Brot mit einem sehr aromatischen Geschmack. Obendrein es billig, sehr gesund und länger haltbar als normale Brote.
Sauerteigbrot aus Roggenschrot (S. Thiele)
Ein Sauerteig ist ein kleines Wunder der Natur. Dazu mischt ihr einfach Mehl und Wasser zu gleichen Teilen und lasst alles an einem warmen Ort stehen – 26 bis 28 Grad gelten als perfekt. Dann fängt der Ansatz buchstäblich an zu leben und zu blubbern. (Rezept zum Ansetzen) Auf Basis der ganz einfachen Wasser-Mehl-Mischung entsteht durch die Arbeit unzähliger Mikroorganismen ein besonderes schmackhaftes Brot. (Link zum Rezept) Im Sauerteig reichern sich Milchsäurebakterien, Essigsäurebakterien und Hefen an. Sie sind alle schon vorhanden – im Mehl, auf Deinen Händen, in der Luft. Sie haben im Sauerteig eine wichtige Arbeitsteilung. Die Milchsäurebakterien und Essigsäurebakterien sind für den Geschmack verantwortlich und produzieren Milch- oder Essigsäure und schaffen damit die wohnlichen Bedingungen für die wilden Hefen, die den Zucker aus der Stärke zu Kohlendioxid und etwas Alkohol umbauen. Am besten gelingt das Ganze mit Vollkornmehl, weil in den Schalen des Korns mehr Hefen sitzen. Im Sauerteig kommen vor allem die Hefen Saccharomyces cerevisiae, Pichia saitoi, Candida crusei und Torulopsis holmii vor. So entsteht ein natürliches Triebmittel zum Backen. Etwas Pflege und Zuwendung braucht so ein Sauerteig schon, um uns über Wochen, Monate oder gar Jahre zu begleiten. Er möchte regelmäßig wöchentlich gefüttert und an einen warmen Ort gestellt werden. Da wundert es nicht, dass manche Hobbybäcker ihren Sauerteig mit der Zeit wie ein Haustier liebgewinnen und ihm einen Namen geben.
Geburt meines Sauerteigs mit dem Namen „Clint Yeastwood“ (S. Thiele)
Der Engländer Tim Hayward zum Beispiel nennt seinen Sauerteig in seinem Buch »Hausgemacht« (Dorling Kinderlsey) ganz liebevoll »Lt. Ripley«. So heißt die von Sigourney Weaver in »Alien« gespielte Astronautin, die wie der Sauerteig die Zeit zwischen den Einsätzen im Tiefkühlfach liegt – bereit, »jederzeit wiederbelebt zu werden, wenn sie gebraucht wird«. Mein Haustier heißt übriges „Clint Yeastwood“ (Yeast = englisch für Hefe). Wer seinen geliebten Sauerteig nicht einfrieren möchte, kann ihn in Schweden sogar in Pflege geben – quasi in einem Brothotel, wenn ihr selbst auf Reisen geht. Allerdings schlafen die Teige nicht in flauschigen Betten, sondern in Regalen der Bäckerei RC Chocolat, die direkt am Stockholmer Flughafen sitzt. Skurril aber wahr.
San Francisco Sourdough – ganz spezielle Sauerteige
Jeder Sauerteig ist durch seine ganz spezielle regionale und persönliche Kombination seiner Mikrobenwohngemeinschaft etwas ganz Einzigartiges und verleiht dem Brot sein spezielles Aroma. So gibt es Geschichten über eine Münchner Bäckerei mit einem berühmten Sauerteig, die den Umzug nach Berlin nicht verkraftete – die Berliner Luft und alles was darin lebt verlieh dem Brot einfach einen ungewohnten Geschmack.
… San Francisco – Fisherman’s Wharf: Boudin Bakery & Café | by wallyg
Manchmal werden aber gerade dadurch regionale Spezialitäten geschaffen – wie das »San Francisco Sourdough Bread«, für welches die goldene Stadt neben ihren Straßen berühmt ist. Der Goldrausch zog viele Glückssucher an, wie auch die französische Bäckersfamilie Boudin, die 1849 eintraf. Isidore Boudin verwendete natürliche aus der Luft eingesammelte Hefen und Bakterien zum Brotbacken, aber im Klima San Franciscos kam ein ganz anderes Brot dabei heraus als in Frankreich. Eine völlig neue Brotsorte aus Weizenmehl war geboren: Der »Lactobacillus San Francisco« und die spezielle Hefe Candida humilis produzieren dank des in der Bay herrschenden feuchten und milden Ostseeklimas einen besonders schmackhaften und würzigen Sauerteig.
Clam Chowder in Sourdough Bread Bowl from Boudin (Fisherman’s Wharf. Thiele)
Dieser Sauerteig ist heute schon etwa 160 Jahre alt und die Boudin Bakery an der Fisherman’s Wharf (160 Jefferson St) mit ihren Sauerteigbroten in Tierform gehört heute zu den gastronomischen Highlights San Franciscos.
Aber wer sagt denn, dass nicht auch ihr eine lokale und gesunde Spezialität kreieren könnt mit eurem heimischen Mikrobenmix – ein eigenes Brot abseits des allgemeinen »Einheitsbreis«? Spätestens der internationale Tag des Sauerteigs am 1. April ist ein guter Tag, um zu beginnen. Das ist kein Scherz. Denn an diesem Tag kommt Sauerteig von früh bis spät auf den Tisch – Rezepte zur Inspiration gibt es genug. Das wäre doch schon ein neues Vorhaben für 2019!