Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co

Weihnachtsgans nicht duschen!

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Christmas-goose-(Weihnachtsgans)_1_Jürgen Hohwald

Gesunde Weihnachtsgans (Quelle: Jürgen Howaldt)

In wenigen Wochen ist Weihnachten. Dazu gehört der knusprige Gänse- oder Entenbraten mit Füllung, Knödel und Rotkraut. Aber Vorsicht! Schon beim Zubereiten des Geflügels gibt es auch aus mikrobiologischer Sicht einiges zu beachten, wenn man seine gesamte angereiste Familie nicht über die Feierlichkeiten mit Übelkeit lahmlegen möchte.

So wurde nämlich in den USA regelmäßig eine Welle von Infektionen nach den typischen im November liegenden Thanksgiving-Essen beobachtet. Das traditionelle Truthahnessen entpuppte sich als äußerst kritischer Feiertag. Erst wurde der Vogel gefüllt und danach füllten sich Arztpraxen und Kliniken. Was war die Ursache?

Hinter der Infektionswelle steckte die seit Ewigkeiten übliche Praxis der meisten Menschen, ihr Geflügel vor der Zubereitung sorgfältig abzuwaschen. Damit soll das Federvieh vor dem Verzehr von Schmutz oder Keimen befreit werden. Das funktioniert aber leider nicht! Zumindest nicht in Sachen Hygiene.

Keime wie Salmonellen und Campylobacter, die auf dem rohen Geflügelfleisch sitzen, werden durch die ausgiebige Wasserdusche nur sehr effektiv in der Küche verteilt. Kleine Wassertropfen spritzen vom Fleisch weg und landen auf Arbeitsflächen, Küchenutensilien oder auch auf der Kleidung. So können Keime in Essen gelangen, welches später nicht abgekocht wird, wie z.B. Salat. Alles was in einem Umkreis von 80 Zentimetern bis zu drei Metern von der Spüle entfernt ist, kann getroffen werden. Mach Dir die Mühe und prüfe mal mit einem Maßband, welche Gegenstände in Deiner Küche alle erreichbar sind.

Schon ein einziger Tropfen Saft von rohem Geflügel kann genügend Bakterien enthalten, um eine Lebensmittelvergiftung zu verursachen. Und das kann bei Campylobacter, dem König der Durchfallerreger, ganz schön unangenehm werden. In Deutschland gehen jedes Jahr 70.000 Lebensmittelvergiftungen auf sein Konto. Erste Symptome treten meist drei bis vier Tage nach der Infektion auf. Dazu gehören Durchfall, Bauchkrämpfe, Brechreiz, Fieber und Kopfschmerzen. Im Normalfall kann die Krankheit zuhause auskuriert werden. Aber gerade für Menschen mit einem schwachen Immunsystem, Schwangere, ältere Menschen und Kinder unter fünf Jahren können solche Infektionen sogar lebensbedrohlich werden. Die Bakterien verteilen sich über den Blutstrom und können Nervenerkrankungen und Gelenkentzündungen auslösen.

Also auch wenn Dir Tim Mälzer, Sarah Wiener, Alfons Schubeck oder Frau Poletto in ihren Starkoch-Rezepten immer wieder vorschlagen Deinen Vogel gründlich abzuwaschen – es bleibt ein weitverbreiteter Irrtum! In den Familien werden die Rezepte oft von der Oma an die Tochter und heute an die kochbegeisterte Enkelin oder den Enkel weitergeben. Man bezeichnet die Infektionen, die zwangsläufig dadurch verursacht werden, auch als „Alte Damen-Krankheit“. Damit ist das althergebrachte Waschen von Geflügel auch Stoff für einen Generationskonflikt.

In den USA startete deshalb sogar eine Aufklärungskampagne „Don’t wash your chicken“ geleitet von der US-amerikanischen Ernährungswissenschaftlerin Jennifer Quinlan. Die Kampagne entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Drexel Universität in Philadelphia. Die Wissenschaftlerin schätzte, dass etwa 90 Prozent der US-Bürger ihr Fleisch zuerst abwaschen, bevor sie es in die Pfanne oder in den Ofen legen. Mit Youtube-Clips und Fotostorys geht sie gegen die Unsitte des Abwasches von rohem Geflügel vor, informiert und klärt auf. Wie durch eine Lupe sieht man in der „Germ-Vision“ der Animation, wie sich die sonst unsichtbaren Keime verteilen.

 

Etwas Hygiene hilft im Kampf gegen die Keime. Hier die wichtigsten Tipps im Umgang mit rohem Geflügel:

  1. Rohes Geflügel im Kühlschrank unten lagern, damit der Geflügelsaft nicht weitere Lebensmittel kontaminiert.
  2. Die Kühlschranktemperatur sollte 5 Grad Celsius nicht überschreiten.
  3. Rohes Geflügel nicht waschen. Die Keime werden nicht entfernt, nur weiterverbreitet.
  4. Geflügelfleisch sofort in den Bräter, Pfanne oder Ofen. Durchgaren bis kein rosafarbenes Fleisch mehr sichtbar ist. Der Geflügelsaft sollte klar sein.
  5. Kochutensilien sorgfältig reinigen. Kein Kochbesteck weiterverwenden, welches vorher für rohes Fleisch eingesetzt wurden.

 

Quelle: Food Standards Agency

Und zum Schluss noch etwas Geschichte zur Entstehung des klassischen Gänsebratens zum Weihnachtsfest. Die englische Königin Elisabeth I. soll für das populärste Weihnachtsessen in Europa verantwortlich sein. „The Virgin Queen“ aß schon im Jahre 1588 zu Weihnachten Gänsebraten als ihr die frohe Nachricht überbracht wurde, dass die Spanische Armada vernichtend geschlagen wurde. Aus Freude über den wichtigen Sieg und als gutes Omen soll sie daraufhin die Gans zum offiziellen Weihnachtsbraten erklärte haben (Quelle: Gourmet Globe).

 

Ein schönes und gesundes Weihnachten wünsche ich Dir!

 

 

 


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Autor: Susanne Thiele

Biologin und Wissenschaftsautorin aus Braunschweig www.susanne-thiele.de

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