Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co


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Apfel auf Rezept: 100 Millionen Bakterien

An apple a day keeps the doctor away (@Shutterstock)

Mein Vater hat mich früher als Kind immer dazu angestachelt, einen Apfel bis auf den Stiel zu verputzen. Es war unser kleiner Wettkampf, aber er hatte mehr Recht, als er damals ahnte.

Was ist eigentlich dran, an dem englischen Sprichwort „An apple a day keeps the doctor away.“ Viel Wahres zeigt die Recherche: In Äpfeln stecken viele Vitamine, Spurenelemente, Mineral – und Ballaststoffe, die gut für unsere Gesundheit sind. Die enthaltenen Pektine unterstützen unsere Verdauung und beugen sogar schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor, wie eine Studie der Universität Oxford nahelegt: die Zahl der tödlichen Herzinfarkte und Schlaganfälle in Großbritannien ließe sich um etwa 8500 Fälle senken ließe, wenn jeder Brite über 50 täglich einen Apfel essen würde – zumindest statistisch.

Aber Äpfel können noch viel mehr: Neben Vitaminen & Co nehmen wir mit Äpfeln eine ganze Portion Bakterien auf.

„Rohes Obst und Gemüse sind eine Quelle nützlicher Darmmikroben.“

Gabriele Berg, Technische Universität Graz


Welche Bakterien sind das genau? Dazu ist laut der Biologin noch viel zu wenig bekannt, der Pilzgehalt von Äpfeln wäre dagegen bisher gut kartiert. Um das zu ändern, nahmen Berg und ihr Schweizer Team das Apfelmikrobiom genauer unter die Lupe.
Sie analysierten exemplarisch die Sorte „Arlet“ – fein säuberlich aufgetrennt nach den unterschiedlichen Komponenten wie Frucht, Stiel, Schale, Kerne und Fruchtfleisch. Außerdem verglichen Sie Äpfel aus Bioanbau mit konventionell angebauten Äpfeln.

Kerne sind Bakterien-Hotspots

Das Ergebnis offenbarte ein Gewimmel von Bakterien in und auf den Äpfeln. Da hilft auch kein Waschen!


„Unseren Schätzungen zufolge enthält ein typischer 240 Gramm schwerer Apfel durchschnittlich 114 Millionen von Bakterien.“

Gabriele Berg, Technische Universität Graz

Vor allem die Obstkerne scheinen wahre Bakterien-Hotspots zu sein, wie die Wissenschaftler in ihrer Studie belegten. Weniger besiedelt ist das Fruchtfleisch und die Schale sogar nur geringfügig. Wer gern das Kerngehäuse mitisst, nähme nach den neuesten Erkenntnissen des Teams insgesamt zehnmal mehr Bakterien auf, als Menschen, die es verschmähen. Ohne Kerne sinkt die Mikrobenaufnahme auf nur noch rund zehn Millionen. Doch wie nützlich sind die Bakterien aus dem Obst überhaupt für unsere Gesundheit?

Bio bietet Artenvielfalt

Ob die Bakterien tatsächlich unsere gesunde Darmflora fördern oder ihr eher schaden, hängt offenbar ganz beträchtlich von der Anbaumethode ab. Die Untersuchungen ergaben, dass Bio-Äpfel eine weitaus vielfältigere und ausgewogenere Bakteriengemeinschaft zu bieten haben als die konventionell angebaute Variante. Die Forscher sind sogar der Meinung, dass das artenreiche Mikrobiom ökologisch angebauter Äpfel die Zusammensetzung unserer Darmflora zugunsten einzelner weniger Arten verhindern und so auch gleichzeitig vorbeugen könnte, dass sich krankmachende Bakterienspezies ausbreiten.

Mehr hilfreiche Mikroben

Die Bio-Äpfel punkten aber nicht nur in Sachen mikrobielle Vielfalt. Sie scheinen auch tatsächlich mehr nützliche und weniger schädliche Bakterien zu enthalten als das Obst aus konventionellem Anbau.
Bakterien, die eher für ihr gesundheitsschädliches Potenzial bekannt sind, kamen verstärkt bei konventionell angebauten Äpfeln vor. „So wurden auf den meisten konventionellen Apfelproben Escherichia-Shigella – eine Gruppe von Bakterien, die bekannte Krankheitserreger enthält – gefunden, aber in keinem der Bio-Äpfel“, berichtet Berg. Dagegen kamen die für ihre probiotische Wirkung bekannten Lactobazillen (Milchsäurebakterien) in ökologisch angebauten Äpfeln vor.
Das Öko-Obst hat womöglich auch noch einen Geschmacksvorteil. Gabriele Berg und ihr Team stellten fest, das sogenannte Methylobakterien bei Bioäpfeln deutlich zahlreicher vorkamen. Diese Mikroben verstärken bei Erdbeeren die Biosynthese von Aromastoffen. Diese Geschmacksverstärker-Funktion könnten sie auch bei Äpfeln übernehmen.

Bei Pilzen wurden zudem besondere Sorten-Vorlieben in verschiedenen Studien bestätigt. Ob auch Bakterienarten spezielle Favoriten unter den Apfelsorten haben, soll nun die zukünftige Forschung zeigen.
Bis dahin gilt der Tipp: Genießt Eure Äpfel doch öfter mal „mit Stumpf und Stiel“ und schneidet das Kerngehäuse nicht mehr heraus!

Originalpublikation:

Frontiers in Microbiology, 2019; doi: fmicb.201901629

https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmicb.2019.01629/full

Na dann guten Appetit!

Probiotische Grüße

Susanne

Der Artikel erschien in abgeänderter Form zuerst im Carl Roth -Blog .

Hinterlasst mir gern einen Kommentar!

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    4 Kommentare

    Mein neues Sachbuch: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke – ab 14.1.2019

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    Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke Wie MIkroben unseren Alltag bestimmen Neues und Erstaunliches über unsere vielseitigen Mitbewohner (Randomhouse, Autorin: Susanne Thiele, Erscheinungstermin 14.1.2019)

    Es gibt Neuigkeiten aus dem Autorenleben! Mit der Verlagsankündigung bei Randomhouse ist es nun offiziell: Am 14.1. 2019 kommt mein neues Sachbuch heraus – an dem ich gerade noch fleißig einige Kapitel schreibe.

    Es geht natürlich um Mikroben – in unserem Alltag und in unserer nächsten Umgebung. Wer meinem Blog schon länger folgt, hat ab und zu diesen Themen schon etwas gelesen.

    Zum Inhalt:

    Schöner wohnen mit Mikroben

    Wir können sie nicht sehen und doch leben wir mit Milliarden von ihnen zusammen: Mikroben. Sie bevölkern unser Bad, richten es sich kuschelig in unserem Schlafzimmer ein und lassen es sich in unserer Küche schmecken. Wie wir Bakterien, Viren und Pilze erfolgreich in Schach halten und welche uns und unserer Gesundheit sogar nützen, erzählt die Mikrobiologin Susanne Thiele so fundiert wie unterhaltsam.
    Mit vielen nützlichen Tipps für die richtige Hygiene im Alltag.

    Susanne Thiele (Autorin)

    Susanne Thiele, geboren 1970, ist Mikrobiologin und Wissenschaftsjournalistin. Wenn sie keine Sachbücher schreibt, leitet sie die PR-Abteilung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig, schreibt für Zeitungen und Journale oder auf ihrem Blog »Mikrobenzirkus«.

    Alle Infos auf der Verlagsseite:
    Randomhouse: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke

    Mikrobiologische Grüße

    Susanne

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      Walnüsse fördern gute Darmbakterien

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      Walnüsse sind positiv für die Darmflora (Quelle: Pixabay)

      Walnüsse sind gesund – sie verbessern so viele Werte – Blutdruck, Cholesterin, Blutzucker und Gefäßzustand. In einer Studie zeigte sich überdies, dass Walnüsse positiv auf die Darmflora einwirken. Ein gesunder Darm ist bekanntlich der Schlüssel zur Gesundheit. Unsere Ernährung wiederum kann unser Mikrobiom beeinflussen.

      Eine spannende aktuelle LMU-Studie belegte jetzt, dass der regelmäßige Verzehr von Walnüssen sich günstig auf unser Darmmikrobiom auswirkt.  Was bedeutet aber regelmäßig?

       

      Täglich 43 Gramm Walnüsse über 8 Wochen müsstet ihr schon vertilgen. Dann verbessert sich nicht nur der Cholesterinspiegel im Blut, sondern auch die Darmflora. Nur dann sind mehr probiotische und Buttersäure produzierende Bakterien im Stuhl nachweisbar.

      „In der Studie konnte gezeigt werden, dass regelmäßiger Walnussverzehr, Bakterien fördert, die mit weniger Übergewicht und weniger Zuckerkrankheit verknüpft sind.“

      Prof. Dr. Parhofer, Oberarzt in der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV am Klinikum der Universität München.

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      Darmflora (Pixabay)

      Bereits in den vergangenen Jahren wurde in Studien unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Parhofer ein positiver gesundheitlicher Effekt der Walnuss bestätigt.

       

      43 Gramm pro Tag verbessern den Fettstoffwechsel und senken das schlechte Cholesterin nachweislich um ca. 5%, völlig unabhängig ob bei der Ernährung Fette oder Kohlenhydrate weggelassen werden. Somit konnte in der Studie nachgewiesen werden, dass alleinig der Nussverzehr der ausschlaggebende Faktor für den positiven Effekt auf den Cholesterinspiegel ist.

      Jetzt jeden Tag ein paar Walnüsse knabbern?

      Auf jeden Fall! Walnüsse eigenen sich sehr gut als kleiner Snack zwischendurch oder als crunchy Topping auf Salaten, Müsli, Quark und Co.

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      Probiotische Grüße

      Susanne

      Originalpublikation:
      A Walnut-Enriched Diet Affects Gut Microbiome in Healthy Caucasian Subjects: A Randomized, Controlled Trial
      Charlotte Bamberger, Andreas Rossmeier, Katharina Lechner, Liya Wu, Elisa Waldmann, Sandra Fischer, Renée G. Stark , Julia Altenhofer, Kerstin Henze und Klaus G. Parhofer, Nutrients 2018
      doi:10.3390/nu10020244


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      Sport verändert das Darmmikrobiom

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      Sport verändert das Mikrobiom im Darm (Quelle: Pexels CCO)

      Der Darm steht immer noch hoch im Kurs. Seit etwa zehn Jahren wird das Darmmikrobiom erforscht: seine Fehlbesiedlung steht in engem Zusammenhang mit Fettleibigkeit, Krebs Diabetes oder chronisch- entzündlichen Darmerkrankungen. Bisher konnten noch nicht alle Zusammenhänge zweifelsfrei beweisen werden.

      Sicher ist aber: die Bakterien im Darm beeinflussen unsere Gesundheit. Spannend ist für die Forscher nun, wie sie unsere Darmflora beeinflussen können. Und hier kommt der Sport ins Spiel.  Eine neue Studie ergab, dass sich Bewegung direkt auf die Zusammensetzung der Darmflora auswirkt.

      Nützliche Bakterien mögen es sportlich

      Die Studien zum Einfluss des Bewegungsverhaltens auf das Darmmikrobiom begannen die Forscher der Universität Illinois zuerst an einem Mausmodell. Jacob Allen und Jeffrey Woods untersuchten zwei Gruppen von Versuchsmäuse: eine sportliche Trainingsgruppe, die Zugang zu einem Laufrad hatte und eine „Sportmuffelgruppe“ ohne Sportgerät.
      Nach sechswöchiger Beobachtung entnahmen die Wissenschafter Stuhlproben der Tiere beider Gruppen und implantierten diese in keimfreie Nager. Das Mikrobiom der Spendertiere zeigte je nach sportlicher oder untrainierter Gruppenzugehörigkeit gewisse Veränderungen, die sich auf die Empfängermäuse übertrugen.

      Fazit: Die joggenden Mäuse lieferten an ihre Nagerkollegen mehr gute Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren (z.B. Butyrat) produzierten.  Die guten Darmbakterien siedelten sich im Darm der Empfängermäuse an und daraufhin passierten einige Veränderungen im Darm

      • Die kurzkettigen Fettsäuren senkten den pH-Wert im Darm und das behinderte die Vermehrung von Krankheitserregern im Darm.
      • Ein Mangel dieser Fettsäuren wird mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen assoziiert.
      • Wurden die Mäuse mit krankmachenden Keimen infiziert, erholten sich die mit dem transplantierten Sportlerstuhl schneller.

       

      Mehr kurzkettige Fettsäuren bei schlanken Menschen

      Nach dem Experiment im Mausmodell überprüften die Forscher ihre Hypothese am Menschen. Sie luden 18 schlanke und 14 übergewichtige Studienteilnehmer ein, die alle hauptsächlich sitzende Tätigkeiten ausübten. Im Versuch mussten die Probanden dreimal wöchentlich im Rahmen von sechs Wochen Ausdauertraining absolvieren. Nach der sportintensiven Zeit lebten die Teilnehmer so weiter wie zuvor. In regelmäßigen Abständen gaben sie Stuhlproben an die Wissenschaftler ab.
      Es konnten auch bei den Menschen ähnliche Ergebnisse dokumentiert werden. In diesem Fall sind Menschen auch nur Mäuse.

      • Die Konzentration kurzkettiger Fette, wie Butyrat erhöhte sich.
      • Genetische Tests belegten überdies Veränderungen im Mikrobiom.
      • Bei schlanken Probanden wirkte die Bewegung besonders gut, doch sobald sie den Sport wieder aufgaben, verschwanden die positiven Effekte wieder.

      Zukünftig müssen noch weitere Studien gemacht werden, um klare Zusammenhänge und Empfehlungen zu präsentieren, trotzdem zeigt die Untersuchung einmal mehr, wie wichtig Bewegung für unsere Gesundheit ist.

      „Dies sind die ersten Studien, die zeigen, dass Bewegung unabhängig von der Ernährung oder anderen Faktoren Einfluss auf den Darm hat. Die Quintessenz ist, dass es deutliche Unterschiede gibt, wie das Mikrobiom von übergewichtigen oder schlanken Menschen auf Bewegung reagiert. Wir müssen noch herausfinden, warum das so ist.“ (Jeffrey Woods, Universität Illinois)

      Laufen_Snapseed

      Fazit für uns: Etwas mehr Bewegung ist nicht nur für uns gut, sondern auch für unser Darmmikrobiom und unsere Gesundheit. Mit einer regelmäßigen Laufrunde könnt ihr auch noch etwas für eure Verdauung und einen gesunden Darm tun.

      Ich habe meine Laufschuhe schon wieder herausgeholt und jogge mehrmals morgens um 7 vor der Arbeit meine Runde. Und ihr so?

      Mikrobiologische Grüße

      Susanne

       

      Quellen:

      http://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/19490976.2017.1372077

      http://journals.lww.com/acsm-msse/Abstract/publishahead/Exercise_Alters_Gut_Microbiota_Composition_and.97045.aspx


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      Lactobacillus – Alleskönner für die Gesundheit: Mikrobe des Jahres 2018

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      Lactobazillen @Horst Neve)

      Sauerkraut, Joghurt, Käse, Sauerteigbrot oder Oliven: die Mikrobe des Jahres ist überall mit im Spiel, wenn es um Essen geht. Ihr habt sie wahrscheinlich heute schon mehrfach verzehrt. Auch sonst ist sie ein wichtiger Partner für uns Menschen mit vielen nützlichen Eigenschaften. Deshalb wurde sie gerade von den Mikrobiologen der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) zur Mikrobe des Jahres 2018 gekürt, um auf die Vielfalt des Mikrokosmos aufmerksam zu machen.

       

      Helfer beim Start ins Leben  

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      Laktobazillen sind auch beim Stillen dabei (CCO: Public Domain)

      Lactobacillus, ein grampositives, meist stäbchenförmiges Bakterium, begleitet jeden von uns schon von Geburt an: Bei der Passage durch den mütterlichen Geburtskanal werden die Bakterien auf das Baby übertragen. Die Laktobazillen schützen das Neugeborene vor Krankheitserregern. Wird das Babys per Kaiserschnitt entbunden – fehlt dieser Schutz. Die Folge: schädliche Bakterien siedeln sich leichter im unreifen Säuglings-Darm an. Einige Studien geben Hinweise darauf, dass Laktobazillen die Wahrscheinlichkeit von Allergien und Autoimmunkrankheiten wie Diabetes und Morbus Crohn verringern. In den USA und in Kanada ist es deshalb Praxis, dass Kaiserschnitt-Babys direkt nach der Geburt mit Bakterien der Mutter eingerieben. Aussagekräftige Studien zum sogenannten Vaginal Seeding fehlen aber noch.

       

      „Milchstäbchen“ mit Geschichte

      Die Laktobazillen – übersetzt „Milch-Stäbchen“ – sind schon seit Tausenden von Jahren Teil unserer Kulturgeschichte: Als vor etwa 7000 Jahren Menschen in Nordeuropa als Viehzüchter sesshaft wurden – stand die Milch und Milchprodukte verstärkt auf dem Speiseplan. Damit setzte sich das Enzym Lactase, welches eigentlich nur bei Säuglingen für den Abbau von Milchzucker vorhanden ist, auch bei erwachsenen Mitteleuropäern durchzusetzen. Im Gegensatz dazu vertragen die meisten erwachsenen Asiaten bis heute Milchprodukte schlecht.

      Wahrscheinlich per Zufall entdeckten die Menschen, dass sauer gewordene Milch lecker sein kann: in Form von Joghurt, Kefir oder Käse. Dafür ist vor allem Lactobacillus verantwortlich – ebenso wie für Säuerungsvorgänge zur Herstellung von Sauerteigbrot, Sauerkraut oder anderen eingelegten Gemüsesorten – auch Fermentation genannt. Lactobacillus bildet dabei aus den vorhandenen Kohlenhydraten Milchsäure. Dadurch sinkt der pH-Wert so stark, dass sich schädliche Bakterien nicht vermehren können: die Lebensmittel werden haltbar. Etwa 5000 solcher Lactobacillus-fermentierter Lebensmittel sind weltweit bekannt. Und Fermentation liegt gerade wieder total im Trend !

      Eine Vielzahl von leckeren und gesunden Rezepten zur Fermentation von Gemüse findet ihr auch hier im Blog unter  Gesunde Rezepte .

       

      Lactobazillen halten uns gesund

      Laktobazillen lieben Zucker! Dadurch wurden sie ein so enger und langfristiger Begleiter des Menschen und wir finden sie sowohl in Lebensmitteln oder im Darm. Sie übernehmen viele Aufgaben für unsere Gesundheit: Dank bestimmter Enzyme machen sie für den Menschen unverdauliche Kohlenhydrate verfügbar – vor allem die Ballaststoffe aus Vollkorn und Gemüse, die im Dünndarm die wichtigen Darmbakterien stimulieren. Unter der Bezeichnung „Präbiotika“ werden solche Ballaststoffe heute manchen Lebensmitteln zugesetzt, beispielsweise in Form der langkettigen Zucker Inulin oder Oligofructose. Als „Probiotika“ werden hingegen Nahrungs- oder Heilmittel bezeichnet, die gezielt bestimmte Bakterienstämme enthalten.

      „Der Lactosebacillus ist der Wächter unseres Immunsystems“
      Dr. Christine Lang, Professorin für Mikrobiologie und Molekulargenetik an der Technischen Universität in Berlin, im Gespräch mit hr1.

      mdj2018_lang-lb_reuteri_-_blau

      Lactobacillus reuteri (blau) verklumpt und inaktiviert den Magenkeim Helicabacter pylori (rot) – hier 11.000fach vergrößert. @Novozymes A/S

      Ob natürlich oder zugesetzt: Laktobazillen sind außerdem wichtig für die Funktion der Darmschleimhaut, die Nährstoffe vom Darm ins Blut transportiert und auch unser Immunsystem unterstützt. Ist es gestört, werden Infekte und Autoimmunkrankheiten wahrscheinlicher. Studien legen nahe, dass Laktobazillen sogar unser Wohlbefinden beeinflussen: Bestimmte Lactobacillus-Stämme verringern in Mäusen ängstliches und depressives Verhalten – möglicherweise weil sie Botenstoffe produzieren, die bei der Nervenübertragung im Gehirn eine Rolle spielen. Lactobazillen sind also Helfer für Leib und Seele.

       

      Milchsäure für Biotechnologie, Plastik und Medizintechnik

      Auch biotechnologisch werden die Laktobazillen gern eingesetzt, um im industriellen Maßstab Milchsäure herzustellen – weltweit etwa 500.000 Tonnen pro Jahr. Als Lebensmittelzusatzstoff (E 270) erhöht Milchsäure die Haltbarkeit von Back- und Süßwaren so-wie Limonaden. Auch Seifen, Cremes und Spülmittel enthalten die desinfizierend wirkende Milchsäure.

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      Mulchfolie aus Poly-Milchsäure ist biologisch abbaubar. © F. Kesselring, FKuR Willich

      Durch Verknüpfung mehrerer Milchsäure-Moleküle entstehen Milchsäure-Ketten, die Polylactide. Daraus gewonnene Materialien sind stabil, aber biologisch abbaubar, sodass sie zu Bio-Folien und Verpackungen verarbeitet werden. Medizintechniker verwenden Polylactide für resorbierbare Nahtmaterialien und Implantate, die sich nach einiger Zeit im Körper zersetzen.

      Weitere Informationen unter www.mikrobe-des-jahres.de

       

      Probiotische Grüße

      Susanne


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      Powerprogramm für deine Darmbakterien

      still-life-2338824_1920Der Dezember und die Adventszeit haben es in sich. Die paar Tage Völlerei über die Festtage mit der Familie sind dabei gar nicht das Problem. Seit November wechseln sich nette Treffen mit den Freunden auf dem Weihnachtsmarkt mit Glühwein bei den Nachbarn oder zumindest Pfefferkuchen im Büro ab.  Dazu kommt noch der Stress, da das Jahresende naht und viele Dinge unerledigt sind. Wer fühlt sich gerade nicht schlapp und ausgepowert?

      Es wird also Zeit, mal wieder aktiv etwas für uns und unsere Energie zu tun. Schließlich sind wir das, was wir essen! Eine gesunde Ernährung hat einen direkten Einfluss darauf, wie wir uns fühlen. Schokolade und der ganze andere Süßkram fördern nicht gerade ein gesundes Darmmikrobiom.

      Damit wir die Feiertage gut überstehen, kommt jetzt ein kleines Powerprogramm für unsere Darmbakterien, damit wir gemeinsam die Festtage gut überstehen.

      •  Iss mehr gute Bakterien!

      Gewürzmöhern_nah

      Möhren – eine Woche fermentiert (Quelle Susanne Thiele)

      Iss in diesen Weihnachtstagen ausreichend und regelmäßig Lebensmittel (Probiotika), die die Artenvielfalt in deinem Darm erhöhen. Die probiotischen Darmmikroben werden in unserem Verdauungstrakt meistens nicht dauerhaft heimisch. Wirkungsvoll sind sie aber dennoch, wenn sie regelmäßig gegessen werden.
      Die besten Quellen für gute Bakterien, die unsere Verdauung unterstützen sind: Joghurt, Kefir, Kombucha, Miso, Tempeh, Sauerkraut oder Kimchi und natürlich auch Brot aus Sauerteig.

      Versuch doch außerdem mal selbst frisches Gemüse zu fermentieren! Es ist wirklich unglaublich einfach.

      Die Rezepte findest Du hier im Blog. Ich empfehle Dir als Anfänger das Sauerkraut oder die fermentierten Gewürzmöhren.

      • Füttere die guten Bakterien, die deinem Darm bewohnen!

      darmflora100_v-vierspaltig

      Darmflora (Pixabay)

      Willst Du die guten und nützlichen Bewohner in deinem Darm fördern, solltest Du auch Präbiotika zu Dir nehmen. Das sind vor allem Kohlenhydrate, die ganz speziell diese Mikroorganismen in deinem Darm besonders gern „verfuttern“, wie den Ballaststoff Inulin, der aus vielen Fruktose-Molekülen zusammengesetzt ist.

      Gutes „Bakterienfutter“ jetzt im Winter sind zum Beispiel: Chicorée, Kichererbsen, Linsen, Knoblauch, Zwiebeln, Schwarzwurzeln, Lauch, Pastinaken und Nüsse. Eine gute Alternative ist auch Malzkaffee, er liefert auch das „Bakterienleckerli“ Inulin, da er aus Zichorien-Wurzel gemacht wird.

      • Tricks für mehr Ballaststoffe!

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      Vollkornbrot enthält ausreichend Ballaststoffe (Pixabay)

      Die Ballaststoffe sind der unverdauliche Teil unserer Nahrung, der unseren Darm durchreist und über den Stuhl wieder verlässt. Unsere westliche Ernährung ist meist sehr arm an diesen Fasern und Ballaststoffen in unserer Nahrung. Das führt zu einem Verlust der Artenvielfalt im Darm.
      Die Forschung hat aber gezeigt, dass Ballaststoffe einen sehr positiven Effekt auf die Darmgesundheit haben. Selbst die Faserstoffe, die von den Bakterien verschmäht werden, sind wichtig für den Darm und die Figur. Sie machen länger satt, senken den Blutzuckerspiegel, regen die Darmbewegungen an – das führt zu einer guten Verdauung und verhindert eine Verstopfung.
      Die Faserstoffe „räumen“ im wahrsten Sinne des Wortes im Darm auf. Sie reinigen, saugen Giftstoffe auf und tragen sie letztendlich aus dem Darm heraus. Bei fettreichem Essen, welches in der Weihnachtszeit nicht selten ist, binden sie gesättigte Fette, die nicht in den Speckröllchen hängenbleiben. Auch der Cholesterinspeigel bleibt niedrig.

      Ein paar Tipps gefällig?

      Peppt euers Frühstück mit Vollkornflocken mit Apfel (mit Schale) oder streut Leinsamen, Sesam oder Nüsse drüber! Vollkornbrot oder –Nudeln sind immer zu bevorzugen!
      Nüsse, Beeren und Rohkost öfter in den Winterspeiseplan einbauen!

       

      • Mehr resistente Stärke – unwiderstehlich für Darmbakterien!

      Resistente Stärke ist ein Leckerbissen, bei dem Darmbakterien nicht „Nein“ sagen können. Und wie kommst Du da ran? Ganz einfach – die Stärke kommt in kalten Kartoffeln und kaltem Reis vor. Nach dem Erhitzen und anschließenden Abkühlen verändert sich die Stärke in einigen Nahrungsmitteln und kann der Verdauung in den oberen Darmabschnitten besser standhalten. Ein heißer Tipp sind nicht ganz reife grüne Bananen im Joghurtshake!
      Als ein Effekt der resistenten Stärke gilt, dass sie die besonders die Zahl der „guten“ Bifidobakterien im Darm erhöht, die uns schlank halten. Auch feingemahlene oder Mandeln im Müsli lassen diese begehrten Bakterien wachsen.

      • Trink mehr!

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      Ausreichend Trinken ist wichtig! (Pixabay)

      Ausreichend Flüssigkeit ist wichtig für unsere Verdauung. Bei einer erhöhten Ballaststoffzufuhr ist es sehr wichtig viel zu trinken! Die Ballaststoffe quellen auf und binden Wasser.

       

      Am besten ausgleichen über kalorienarme Getränke wie Wasser, Tee, Kaffee.

       

      • Sport macht Darmbakterien Spaß!

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      Sport macht Darmbakterien Spaß! (Pixabay)

      Wissenschaftler haben es bewiesen: Wir machen unsere Darmmikroben sehr glücklich, wenn wir Sport treiben. Die Mikroflora von 40 professionellen Rugbyspielern sah deutlich abwechslungsreicher aus, als die von 46 übergewichtigen Nichtsportlern aus. Auffallend viele Akkermansia –Bakterien tummelten sich bei den Sportlern. Diese Keime schützen bekanntlich vor Übergewicht und Zuckerkrankheit.

       

      Also baut doch nach dem Gänsebraten zumindest mal einen 30 minütigen Spaziergang ein, der verbraucht etwa 100- 130 Kalorien und hilft viel besser als der Verdauungsschnaps danach! Wer sich täglich konsequent ein halbe Stunde bewegt, hat schon eine Menge für seine Gesundheit und die Figur getan.

      Ich wünsche euch eine schöne Adventszeit!

      Mikrobiologische Grüße

      Susanne

      Artikel zum Weiterlesen: Beeinflussen Darmbakterien unser Wunschgewicht ?


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      Jetlag im Bauch – Zeitumstellung bringt Darmkeime aus dem Tritt

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      Die Zeitumstellung beeinflusst auch unser Darmmikrobiom (Pixabay)

      Bei der Umstellung auf die Winterzeit wird die Uhr Ende Oktober eine Stunde zurückgestellt: Eine Stunde geschenkter Schlaf – alle Eulen schreien „Holdrio“. Denn für Nachtmenschen ist die Umstellung auf die Winterzeit ein Grund zum Jubeln. Anders bei der Sommerzeit. Da werden die Zeitmesser vorgestellt und uns wird eine Stunde geklaut. Eine Stunde weniger Schlaf, dafür bleibt es abends länger hell.

      Die Sommerzeit wurde aus Gründen aus Gründen der Energieeinsparung in Deutschland 1980 eingeführt. Energiespareffekte sind allerdings nicht nachweisbar. Bei sensiblen Menschen kann es dagegen vorübergehend zu Müdigkeit und Schlafstörungen führen.

      Dabei sind die „Eulen“ Schlaftypen, die abends länger wach sind und morgens schwer aus den Federn kommen. Die Umstellung auf die z.B. die Winterzeit fällt ihnen leicht, weil sie morgens eine Stunde länger liegen bleiben dürfen. Ich als Frühaufsteher und „Lerche“ werde wohl einige Wochen noch früher als 5 Uhr wach werden.

      Unsere innere Uhr

      Alle Lebewesen haben eine innere Uhr – selbst Mikroorganismen, die unseren Darm bewohnen, sind davon nicht ausgenommen. Die mikroskopisch kleine Gesellschaft in unserem Inneren ist genauso störanfällig, wie der Mensch für die Zeitverschiebungen. Das berichteten israelische Wissenschaftler im Fachjournal „Cell“.

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      Auch Fernreisen über verschiedenen Zeitzonen haben Einfluß auf unsere Darmflora und damit auf unsere Gesundheit (Pixabay)

      Die Forscher hatten im Jahre 2014 zum ersten Mal beobachtet, dass auch die Darmbewohner ihren eigenen Biorhythmus mit dem ihres Wirtes synchronisieren. Gerät unsere innere Uhr durcheinander, kommen auch die Darmkeime aus dem Takt. Schuld daran können die Zeitumstellung, aber auch Fernreisen über mehrere Zeitzonen oder Schichtarbeit sein. Dies könnte unsere Gesundheit und Psyche beeinflussen.

       

      Das Team um Eran Elinav vom Weizmann Institute of Science in Rehovot konnte in einem Experiment mit Mäusen zeigen, dass dies zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Unser Körper wird vor allem durch den Tag-Nacht-Rhythmus, den regelmäßigen Wechsel von Licht und Dunkelheit gesteuert. Statistische Analysen zeigten, dass Schichtarbeiter oder Vielreisende vermehrt an Herzkreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Übergewicht leiden.

      Darmflora unterliegt tageszeitlichen Schwankungen

      anatomy-160524_1280 CC0 Public Domain

      Unsere Darmbakterien sind mehr als nur einfache Verdauungshelfer – das zeigt sich in den letzten Jahren immer klarer. Der richtige Mikroben-Mix scheint vor Asthma und Allergien, vor Übergewicht und Diabetes zu schützen, sogar die Psyche könnte durch Bakterien beeinflusst werden.

      Die Wissenschaftler untersuchten, wie sich die Zusammensetzung der über 1000 Arten von Darmbakterien im Laufe des Tages änderte – zunächst bei Mäusen. Sie fanden, dass die Häufigkeit verschiedener Arten von Bakterien im Verlauf des Tages zu- und abnahm. Auch spezifische Funktionen der Darmflora veränderten sich rhythmisch. Bei den nachtaktiven Nagern dominierten in der Dunkelphase etwa Stoffwechselwege, die mit dem Energiehaushalt, der Nahrungsverwertung oder dem Wachstum in Verbindung stehen. In der hellen Phase stand unter anderem die Entgiftung im Vordergrund.

      Unregelmäßige Essenszeiten sorgen im Darm für Chaos

      Getaktet werde die innere Uhr der Bakterien auch über den Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme, berichten die Wissenschaftler in „Cell“. Veränderten die Forscher die Fütterungszeiten der Mäuse und den Hell-Dunkel-Wechsel, geriet die Darmflora der Tiere durcheinander. Eine fetthaltige Ernährung führte unter diesen Bedingungen zu Übergewicht und Glukoseintoleranz, die als Vorstufe von Diabetes gilt. Bei den normal getakteten Mäusen geschah das nicht. Übertrugen die Wissenschaftler die Mikroben aus dem Darm von Mäusen im künstlichen Jetlag auf keimfreie Artverwandte, legten diese ebenfalls an Gewicht und Körperfett zu. Auch ihr Blutzuckerspiegel stieg.

      In einem Folgeexperiment zeigten die Forscher, dass auch die Darmflora des Menschen rhythmischen Schwankungen unterliegt und ein Jetlag ebenfalls die Zusammensetzung der Bakterien verändert. Mäuse, die Bakterien aus dem Darm solcher Probanden erhielten, nahmen zu und ihr Blutzuckerspiegel stieg.

      Studie erklärt, warum häufiger Jetlag krank macht

      Ihre Ergebnisse seien als vorläufig zu betrachten, schreiben die Wissenschaftler. Sie legten jedoch nahe, dass Störungen der inneren Uhr beim Menschen die mikrobielle Gemeinschaft im Darm veränderten, was wiederum Stoffwechselprobleme verursachen könne. Dies erkläre möglicherweise die Verbindung zwischen Schichtarbeit, häufigen Flugreisen und Erkrankungen. Zur Behandlung biete sich demnach eine gezielt probiotische oder antimikrobielle Therapie an, schreiben die Forscher.

      Zeitumstellung und Jetlag schaden der Darmflora nur vorübergehend

      Dass sich die Darmflora in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme ändert, ist für weiter Experten, wie den Mikrobiologen Michael Blaut, Leiter der Abteilung Gastrointestinale Mikrobiologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam icht weiter verwunderlich. Allerdings komme die Studie seiner Meinung nach zu interessanten Ergebnissen.

      Sie liefere überzeugende Argumente dafür, dass ein Organismus auch in seiner Mikroflora abgebildet werde. Blaut betonte, dass Veränderungen der Darmflora wie die nach einem Jetlag oder nach der halbjährlichen Zeitumstellung innerhalb kurzer Zeit umkehrbar seien.

      Praktische Tipps, um die innere Uhr umzustellen:

      • Abends zur gleichen Zeit wie immer schlafen gehen!
      • Sorge dafür, dass Du nachts kein Licht und tagsüber viel Licht von draußen bekommst!
      • Plagt die Müdigkeit, dann tanke einfach tagsüber mehr Sonnenlicht und geh an die frische Luft!
      • Keine aufputschenden Getränke am Abend, wie Kaffee etc.!

       

      Eine gute Umstellung wünsche ich Dir!

      Mikrobiologische Grüße

      Susanne


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      Mikrobiom: Bakterien ähneln sich bei Paaren

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      Zweisamkeit führt bei Paaren dazu, dass sich die Hautbakterien angleichen. (Quelle: Pixabay)

      Männer und Frauen sind in vielen Dingen ganz verschieden. Mars und Venus, Sie wissen schon! Leben sie aber zusammen, werden sie sich immer ähnlicher und auch ihre Bakterien gleichen sich an.

      KissDass ein zehn Sekunden dauernder Kuss zu einem Austausch von rund 80 Millionen Bakterien führt, war uns bislang schon bekannt (Studie in Microbiome).

      Nun gibt es aber Neuigkeiten. Wer mit seinem Partner zusammen lebt, teilt nicht nur Kaffeebecher und Sofa, sondern auch die Bakterien, die auf der Haut leben. Das fanden jetzt Forscher der Universität Waterloo, USA heraus. Manche Körperstellen sind dabei stärker betroffen als andere.

      Männer und Frauen übertragen offenbar einige Stämme ihrer Hautbakterien auf ihren Partner, sodass sich die Bakteriengemeinschaft auf der Haut vermischt.

      Dabei war die stärkste Übereinstimmung der Hautbakterien an den Füßen der Probanden in der Studie zu finden, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin mSystems berichten.

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      „Das ergibt durchaus Sinn: Man duscht und geht auf demselben Fußboden barfuß. Dieser Vorgang führt wahrscheinlich zum Austausch der Bakterien mit dem Partner und auch mit dem Boden“, berichtet der Studienautor Josh Neufeld.

      Es zeigte sich, dass ein spezielles Computerprogramm sogar mit 86-prozentiger Genauigkeit identifizieren konnte, wer als Paar gemeinsam in einem Haushalt lebt.

      Andere Einflüsse wie das Geschlecht und die betrachtete Körperregion spielen ebenfalls eine wichtige Rolle und hätten sogar größere Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Bakterienflora als der Partner. Beispielsweise ähnle der mikrobiologische Abstrich der Haut an den Innenseiten der Oberschenkel einer Frau viel mehr dem anderer Frauen, als dem ihres Partners.

      Für die Studie untersuchten Forscher 330 Abstriche von 17 verschiedenen Hautregionen. Alle Studienteilnehmer kamen aus dem Raum um Waterloo und waren heterosexuell. Die Abstriche nahmen die Teilnehmer selbst, zum Beispiel in der Nase, an den Handflächen und im Bauchnabel.

      Mikrobiologische Grüße

      Susanne


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      Migräne: Sind Bakterien schuld?

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      Migräne bedeutet weit mehr als übliches „Kopfweh“. Rund 15 Prozent der Bevölkerung leiden unter Migräne. Frauen häufiger als Männer. Im Schnitt erleiden die meisten zwei Attacken im Monat, die jeweils bis zu drei Tage dauern. (Quelle: CC0_Public Domain)

      Da ich – wie 15 Prozent der Bevölkerung – in Abständen heftige Migräneattacken bekomme, verfolge ich interessiert neue Forschungsansätze und Theorien zur Vorbeugung und Behandlung. Neue Theorien zur Migränevorbeugung stehen im engen Zusammenhang mit dem Vagusnerv oder mit einem „Nitratkopfschmerz“.

      Gehirn und Darm eng verbunden

      Der Vagusnerv zieht seine Bahn vom Gehirn aus in den Bauchraum und ist an der Regulation fast aller inneren Organe beteiligt. Er kontrolliert Funktionen wie unseren Herzschlag, die Atmung, Verdauung. Einige Forscher gehen davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen Migräne und dem Mikrobiom besteht – die bei jedem Menschen individuelle Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm.

      „Die Bakterien haben einen Einfluss auf die Barriere-Funktion der Darmwand, die Gifte und schädliche Keime am Eindringen hindert. Bei einer Darmentzündung etwa ist dieser Mechanismus gestört. Es gibt Hinweise, dass das Mikrobiom auch auf Entzündungszellen im Hirn wirken kann.“
      Andreas Straube, Leiter der Neurologischen Poliklinik am Klinikum Großhadern und Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft

      anatomy-160524_1280 CC0 Public Domain

      Hintergrund dafür ist die Vermutung, dass nicht allein das Gehirn über Nerven Informationen an den Darm sendet, sondern dass diese Kommunikation auch umgekehrt läuft. Bezogen auf die Migräne lautet die These, dass bestimmte Bakterienstämme in der Darmwand über den Vagusnerv als Verbindung zum Gehirn Attacken begünstigen können.

       

      Daraus ergibt sich der Umkehrschluss: eine gezielte Veränderung der Darmflora müsste helfen können, Anfälle zu verhindern. Migräne hat häufig auch mit Beschwerden des Magen -Darm-Traktes zu tun.
      Aktuell laufen im Team von Andreas Straube kleine Studien mit bestimmten Probiotika, welche die Darmflora von Migränepatienten verändern sollen. Erste positive Effekte sind zu sehen. Es sind aber noch weitere umfangreiche Forschungen notwendig, um tatsächlich zu klären, ob man so Migräne lindern kann.

      Mundflora möglicher Triggerfaktor

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      Grünes Blattgemüse sorgt bei manchen Menschen für Kopfschmerzen. Dabei könnte es sich um einen Nitratkopfschmerz handeln, verursacht durch bestimmte Bakterien, die in der Mundflora leben. (CC=_Public Domain)

       

      Eine weitere neue Theorie konzentriert sich besonders auf die Bakterienflora im Mund von Migränepatienten. Der Verzehr Nitrathaltiger Lebensmittel könnte bei einigen Betroffenen Kopfschmerzattacken auslösen.

      Nitrat kommt zu Beispiel in Wurst, Rote Beete, Kohlrabi oder grünem Blattgemüse wie Spinat vor. Manche Menschen bekommen nach dem Verzehr dieser Lebensmittel Kopfschmerzen. In Untersuchungen verursachte auch medizinisch verabreichtes Nitrat – etwa aus Nitrosprays für Patienten mit Angina Pectoris oder Herzinsuffizienz – bei vier bis fünf Anwendern starke Kopfschmerzen aus. Welche Gründe sehen die Forscher?

      Bakterien reduzieren Nitrat

      Pseudomonas

      In der Mundhöhle leben Bakterien, die Nitrate aus der Nahrung zu Nitrit reduzieren können, z.B. die Gattungen Pseudomonas oder Streptokokken. Wir Menschen verfügen selber nicht über ein entsprechendes Enzym dazu.
      Im Blutkreislauf kann Nitrit dann zu Stickstoffmonoxid (NO) umgewandelt werden, welches gefäßerweiternd wirkt.
      Eine starke Weitung der Adern im Gehirn gilt als wahrscheinlicher Auslöser plötzlicher Migräneattacken. Verzögerte Attacken, zum Beispiel nach dem Verzehr von triggernden Lebensmitteln, werden vermutlich durch andere Mechanismen ausgelöst (darunter die NO-abhängige S-Nitroyslierung).

      „Bisher wurde angenommen, dass gewisse Lebensmittel – darunter Schokolade, Wein und nitratreiche Speisen – Migräne auslösen oder ihr Auftreten zumindest begünstigen können. Daher vermuteten wir, dass eventuell ein Zusammenhang zwischen der Ernährung, den Mikrobiomen eines Menschen, und dem Auftreten von Migräne besteht. “
      Antonio Gonzalez, Hauptautor der unten genannten Studie im Journal MSystems,

      In einer  Mikrobiomanalyse fand das Team um Prof. Dr. Rob Knight von der San Diego School of Medicine in Kalifornien heraus, dass bei Migränikern mehr Nitrat-reduzierende Bakterien in der Mundhöhle vorkommen als bei anderen Menschen. Die Forscher hatten das Mikrobiom in Kot- und Speichelproben von Menschen, die unter Migräne leiden aus dem „American Gut Project“ analysiert, wie sie im Journal MSystems beschrieben. Dabei stellten die Forscher fest, dass Menschen, die häufig unter Migränen litten, mehr nitratreduzierende Bakterien aufwiesen. Insgesamt wurden über 170 Oral- und 2.000 Stuhlproben analysiert.

      „Wir konnten feststellen, dass die im Mund vorkommenden Bakterien sich in Maßen positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirken. Im Überschuss wurden sie allerdings mit Migräne-Anfällen in Verbindung gebracht. Bisher ist noch unklar, ob die erhöhte Anzahl von Mikroben Auslöser oder Folgeerscheinung einer Migräne ist.“
      Dr. Embriette Hyde

      Noch unklare Erkenntnis: Weitere Studien notwendig

      Obwohl die Migräne-Erkenntnisse natürlich revolutionär wirken und mögliche Erklärungen liefern könnten, ist der Zusammenhang von Nitrat und den Attacken noch nicht eindeutig bestätigt. Es ließe sich schwer beurteilen, ob die erhöhte Anzahl der Nitrat-reduzierenden Bakterien in den Speichelproben eine zufällige Begleiterscheinung sei oder tatsächlich mit einer Unverträglichkeit von Blatt- und Wurzelgemüse zusammenhängt.
      Weitere Studien sollen es sich zur Aufgabe machen, genau diese Antwort zu liefern, um betroffenen Patienten bei der Vermeidung von quälenden Schmerzattacken behilflich zu sein. Falls ein Zusammenhang besteht, könnten zukünftig einmal Probiotika zur Migräneprohylaxe entwickelt werden.

      Link zur Publikation:

      Migraines are correlated with higher levels of nitrate-, nitrite-, and nitric oxide-reducing oral microbes in the American Gut Project Cohort,” wurde online publiziert am 18. Oktober 2016  im Journal  der American Society for Microbiology.

      Wie immer freue ich mich über deine Kommentare oder Anregungen.

      Mikrobiologische Grüße

      Susanne


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      Stadtwohnungen – Reservoir für menschliche Bakterien

      Lattobacilli

      Lactobacillus spec., Hautbakterium des Menschen (Wikipedia CC BY 3.0)

      Wo wir leben – auf dem Land oder in der Stadt – hat einen dramatischen Einfluss auf die Mikroben in unserer nächsten Umgebung – in unseren Heimen. Sind wir in ländlichen Umgebungen vermehrt den Keimen aus der Umgebung ausgesetzt – von Tieren oder aus der Natur – so umgeben wir uns in Stadtwohnungen meist nur noch mit unseren eigenen menschlichen Mikroorganismen, die wir selbst aus dem Mund, von unserer Haut oder über den Darm an die Umwelt abgeben.

      Je städtischer wir leben, desto menschlicher sind die Bakteriengemeinschaften geprägt. Das hat jetzt ein internationales Forscherteam von der New York University in der Online-Zeitschrift „Science Advances“ berichtet. Wie sich der mikrobiologische Fingerabdruck, den wir in unseren Wohnungen hinterlassen auf unsere Gesundheit auswirkt, ist noch unklar.

      Das Forscherteam untersuchte verschiedene Orte im Amazonasbecken in Südamerika. Dabei nahmen sie Proben in unterschiedlichen Haushalten: in offenen Hütten in traditionellen Urwaldsiedlungen, in einem kleinen Dorf, in einer 400.000 Einwohnerstadt und in Wohnungen der Großstadt Manaus mit 1,8 Millionen Einwohnern. Überall fanden die Forscher eine sehr große Artenvielfalt an Mikroben aber mit einer völlig unterschiedlichen Zusammensetzung. Die offenen Hütten im Dschungel haben logischerweise durch fehlenden Innen- und Außenwände einen ganz anderen Zugang zu Keimen aus der Umwelt.

       

      Stadtwohnungen fehlen Umweltkeime

      In Stadtwohnungen kapselt man sich viel mehr der Außenwelt ab durch Mauern und Zwischenwände. Hier wimmelt es von Keimen, die vom Menschen sind – aus der Mundhöhle, aus dem Darm oder von unserer Haut. Jeder Mensch trägt eine Wolke aus Mikroorganismen mit sich. Diese Mikroorganismen sitzen überall auf der Haut, aber auch im Körper. In den gut abgedichteten Stadtwohnungen sind wir Menschen also selbst die erste Quelle für die Mikroorganismen in unserer Umgebung. Aus mikrobiologischer Sicht „vermenschlichen“ sich die Häuser und Wohnungen. Das könnte auch dazu führen, dass womöglich eine Übertragung von Krankheitserregern erleichtert wird, meinen die Forscher.

      Jean F. Ruiz-Calderon et al. Sci Adv 2016

      Jean F. Ruiz-Calderon et al. Sci Adv 2016

      Was geschieht aber mit uns, wenn wir es in unseren Stadtwohnungen nur noch mit einem sehr reduzierten Artenspektrum an menschlichen Mikroorganismen zu tun haben? Ist das die Erklärung für vermehrte Immunstörungen, wie Asthma oder Stoffwechselprobleme von Menschen, die in den Städten leben?
      Die Forscher sehen die Hygiene-Hypothese bestätigt. Diese geht davon aus, dass das Immunsystem von Kleinkindern in der Entwicklung beeinträchtigt wird, wenn die Umgebung zu sauber ist und zu wenige Keime enthält. So werden allergische Erkrankungen gefördert. Kontakt zu Bakterien aus der Umwelt ist besonders wichtig, damit das Immunsystem von Kindern lernt zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Mikroben zu unterscheiden.

      Die Mischung macht‘s

      In der Studie konnten die Mikrobiologen in den Stadtwohnungen sogar einzelne Proben bestimmter Mikroorganismenmischungen speziellen Räumen wie Bad, Küche oder Schlafzimmern zuordnen. Wobei sich die Zusammensetzungen deutlich unterschieden.

      Im vergangenen Jahr hatten US-Forscher auch schon gezeigt, dass es deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft gibt, je nachdem ob ein Mann oder eine Frau in der Wohnung lebt. Hunde oder Katzen hinterlassen ebenfalls ihren ganz typischen mikrobiologischen Fingerabdruck (Studie in der Fachzeitschrift „Proceedings B“ der britischen Royal Society).

      In der Pilotstudie wurden bisher nur 10 Behausungen untersucht. Für allgemeingültige Aussagen ist es sicherlich noch zu früh. Die Forscher wollen die Untersuchungen an einem anderen Ort der Welt wiederholen und außerdem untersuchen, ob die Mikroben mit ihren Menschen auch vom Land in die Stadt umziehen. Wir bleiben gespannt!

       

      Quellen:

      Fachblatt „Science Advances“

      http://advances.sciencemag.org/content/2/2/e1501061