Mikrobenzirkus

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Dschingis Khan und die Kohlköpfe – Sauerkraut, Kimchi & Co (Fermentation Teil 2)

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Sauerkraut selbst fermentiert (Foto: S. Thiele)

In Deutschlands Speisekammern blubbern seit jeher die Sauerkrautfässer. Obwohl schon die Römer vor 2000 Jahren ihren ganzen Kohl in Töpfen konservierten, geistert seit dem zweiten Weltkrieg das Klischee der »German Krauts« in den Köpfen anderer Nationen. Neben Wilhelm Busch mit Max und Moritz und seiner Witwe Bolte hat daran auch der Dichter Ludwig Uhland kräftig mitgewirkt. Dabei war das Säuern als einfache Methode des Haltbarmachens bereits den Menschen der Prähistorie bekannt.

Als kulinarischer Vorreiter des Sauerkrauts gilt aber der Legende nach Dschingis Khan. Der mongolische Eroberer galoppierte mit seinem Reiterheer im 13. Jahrhundert von Asien nach Westen und bremste erst in Osteuropa ab. Als Reiseproviant hatte die Reiter »suan cai« in den Satteltaschen – sauer eingelegten Kohl, nach einem beim Überfall auf China erbeuteten Rezept. Als der Vorrat zur Neige ging, ersetzten sie den Chinakohl durch den europäischen Verwandten – den Weißkohl. In Deutschland stampften als Erste Mönche im ausgehenden Mittelalter Weißkohl in die Fässer.

Was passiert eigentlich im Fass oder etwas moderner im Bügelglas?

Das Prinzip der Sauerkrautgärung ist recht simpel. Benötigt werden nur: Weißkohl, Salz, ein paar Gewürze Wasser und ein großes Gefäß. Das Gemüse wird fein gehobelt, mit dem Salz vermengt und kräftig gestampft. So wird der Saft aus dem Gemüse gezogen mit dem darin enthaltenen Zucker. Diese Lake muss den Kohl gut bedecken, damit er nicht mehr mit Luft in Berührung kommt.
Damit ist der Tisch schon gedeckt für die nützlichen Mikroorganismen, die sich naturgemäß in und auf dem Gemüse befinden. Sie müssen gar nicht zugesetzt oder gekauft werden. In diesem Fall sprechen wir von einer »wilden Fermentation« oder Spontangärung ohne Starterkulturen. Die Bakterien vergären den pflanzeneigenen Zucker zu Milchsäure. Diese schützt das Gemüse vor Verderbniserregern, so dass es monatelang haltbar bleibt.

Leben im Kraut – ist das nicht eklig?

Natürlich nicht! Eigentlich lebt doch alles was wir essen ein bisschen. So gründlich könnten wir Gemüse gar nicht waschen, damit wir alle Bakterien und Pilze erwischen. Zuviel Hygiene fördert nur Allergien und wir brauchen die Bakterien auch dringend für unsere Fermentation.
Sauerkraut machen hat ein bisschen mit Zoologie zu tun? Das stimmt – es ist blanker Darwinismus. In einer natürlichen Selektion gewinnen bestimmte Bakterien und Pilze die Oberhand. Wir können dabei etwas eingreifen, die Bedingungen steuern und den Bakterien etwas helfen, das Gemüse gesund und bekömmlich zu machen. Wenn der Kohlkopf nur in der Küche liegen bleiben würde, besiedeln ihn Schimmelpilze und er würde nur schwarz werden. Die Milchsäurebakterien hätten keine Chance, ihn zu veredeln. Nur im Bügelglas oder Fass mit dem eingestampften Kohl entsteht ein anaerobes Milieu – ohne Sauerstoff – in dem sich die Milchsäurebakterien wohlfühlen. Damit beginnt die Fermentation.

Sobald das Gemüse unter die Lake getaucht wird, startet ein sehr wichtiges Milchsäurebakterium die Gärung – Leuconostoc mesenteroides. Der Name leukos (altgriechisch = weiß) leitet sich vom weißen Aussehen seiner Kolonien ab. Die kleinen kugelförmigen Kokken, Diplokokken oder kurzen Ketten kommen auf den Pflanzen in kleiner Anzahl vor. Sobald der Kohl geschnitten wird, steigt die Anzahl sprunghaft an, weil die Zellinhalte mehr Nährstoffe zur Verfügung stellen.

In den ersten Tagen blubbert es im Bügelglas recht heftig. Der vorhandene Sauerstoff wird verbraucht und die Kohlendioxid-Produktion beginnt. Leuconostoc ist ein heterofermentatives Milchsäurebakterium: das bedeutet, dass sich zwar als Hauptprodukt die Milchsäure bildet, dabei aber auch eine erhebliche Menge an anderen Nebenprodukten wie Kohlensäure, Alkohol und Essig.

Nun geht es weiter wie bei der Eroberung neuer Kontinente: Ist die Umgebung genug angesäuert circa ab dem 3. Tag , kommen weitere säuretolerante Milchsäurebakterien und Hefezellen ins Spiel, wie z.B. Lactobacillus plantarum – ein homofermentatives Bakterium, welches ausschließlich Milchsäure bildet und die spätere Phase der Gemüsefermentation prägt.

Neben den säuretoleranten Bakterien sind auch Hefezellen sind am Veredlungsprozess beteiligt, die das Sauerkraut konservieren und aromatisieren. Im Schnitt ist die Milchsäuregärung nach 10 bis 20 Tagen beendet. Allerdings brauchen die meisten Gemüsefermente zwei bis drei Wochen bis zur vollen Reife, Sauerkraut braucht sogar vier bis sechs Wochen. Da brauchen ihr etwas Geduld.

Ihr habt doch noch etwas Angst mit Bakterien zu hantieren und selbst zu fermentieren?

Aber an dieser Stelle sei gesagt: Fermentation ist wirklich narrensicher – sonst hätten sich Generationen vor uns schon umgebracht! Ein ganz entscheidender Aspekt der Milchsäurebakterien ist ihr Selbstschutz. Die Milchsäure, die sie produzieren, hemmt wirksam das Wachstum anderer Bakterien und Pilze, die das Lebensmittel zersetzen oder es verderben lassen würden. In diesem sauren Milieu haben Pathogene wie die berüchtigten Ehec-Bakterien keine Chance mehr, sich zu vermehren. ..

Was können wir von einem selbst gemachten Sauerkraut erwarten?

Zuallererst schmeckt es natürlich sehr gut: Roh gegessene Fermente sind reich an Vitaminen, Enzymen und anderen Inhaltsstoffen, die zum Teil erst durch den Vorgang der Fermentation entstehen und somit unsere Ernährung bereichern. Es hat eine geschmackliche Dichte und Vielfalt, die mit einem gekauften Produkt gar nicht vergleichbar ist. Außerdem schmeckt es niemals gleich.
Das vom Vorjahr schmeckt anders als das von diesem Jahr – das vom Frühjahr anders als das vom November. Das liegt vor allem an den unterschiedlichen Herkunftsregionen der Kohlsorten und der mitgebrachten Bakterien. Auch die Mikroorganismen, die wir über unsere Hände einbringen variieren und unterschiedliche Temperaturen bei der Vergärung haben ebenso einen Einfluss. Aber das ist auch das Abwechslungsreiche daran – kein Sauerkraut schmeckt gleich.

Sauerkraut ist gesund!

Die gesundheitlichen Wirkungen selbstfermentierten Sauerkrauts sind beachtlich: Der englische Seefahrer James Cook (1728-1779) soll es als Erster auf seinen Pazifik-Reisen fässerweise mitgenommen haben, um seine Mannschaft während ihrer monatelangen Überfahrten vor Skorbut – der gefürchteten Vitamin-C-Mangelkrankheit zu schützen. Teilweise hat er seine Männer wohl sogar gezwungen das Kraut zu verspeisen.

Anders als oft behauptet, strotzt Sauerkraut aber nicht vor Vitamin C und Vitamin B12. Einhundert Gramm Kraut liefern gerade mal 20-30 Milligramm Vitamin C. Aber immerhin mehr als doppelt so viel wie in 100 Gramm eines Apfels. In den Wintermonaten bleibt Sauerkraut deshalb ein wertvoller Lieferant für Vitamin C. Wenn Sauerkraut nur leicht bissfest gekocht wird, nimmt der Vitamin C-gehalt sogar noch zu, wie Ernährungsexperten der Verbraucherzentrale Bayern mitteilen. Hintergrund dafür ist das sogenannte Ascorbigen, eine Vitaminvorstufe, die im Weißkraut viel vorhanden ist. Erst durch leichtes Erhitzen wird es in aktives Vitamin C umgewandelt. Darüber hinaus schützt das saure Milieu das Vitamin vor der Zerstörung. Eine Portion schonend erhitztes Sauerkraut deckt etwa ein Viertel der empfohlenen Tagesdosis von 100 Milligramm ab.

Sauerkraut ist zudem gut bekömmlich! Milchsauer eingelegtes Gemüse ist quasi vorverdaut, weil die Kohlenhydrate von den Milchsäurebakterien zu Milchsäure abgebaut werden. Dadurch kommt es zu einer Lockerung des pflanzlichen Gewebes und der menschliche Verdauungsapparat muss weniger leisten, um die pflanzliche Kost aufzuschließen. Schwerverdauliche Rohkost wird durch Fermentation bekömmlich und die Nährstoffe für den Körper besonders gut verfügbar.

Sauerkraut lebt!

Die Milchsäurebakterien sind neben der Milchsäure die wichtigsten Gesundmacher im Kraut. Sie gelangen mit der Nahrung in den Darm und entfalten dort ihre Wirkung.
Die Bakterien fördern dort eine gesunde Darmflora und bilden sogenannte Bacteriocine, eine Art Abwehrtruppe, die krankmachenden keimen Paroli bietet. Das sind giftige Proteine oder Peptide, die von Bakterien abgesondert werden und andere konkurrierende Bakterienarten töten oder zumindest im Wachstum hemmen.
Die Milchsäure, die von den Bakterien gebildet wird, regt die Darmbewegung an, sorgt für einen günstigen pH-Wert und stärkt eine gesunde Darmschleimhaut. Sie dient zudem der Energiegewinnung in den Muskeln, der Leber und in den roten Blutkörperchen.

All das bietet das Sauerkraut vom Discounter nicht mehr. Es wird pasteurisiert – also erhitzt – und mit verschiedenen Nahrungszusätzen länger haltbar gemacht. Es ist aber leider eigentlich tot. Wenn Sie selbst Sauerkraut herstellen, dann sind Mikroorganismen am Werke, die in ihrer Umgebung vorkommen und gut mit unserem Körper zusammen arbeiten.

Im Gegensatz zu gekauften probiotischen Präparaten aus der Apotheke, bieten die selbst hergestellten wilden Fermente eine unendlich größere Vielfalt an Mikroorganismen und stellen zudem auch noch die Präbiotika (wasserlösliche Ballaststoffe) bereit, mit denen die nützlichen Darmbakterien so gut wachsen. Im Preisvergleich schneiden die hausgemachten Fermente ebenfalls ungleich besser ab.

Sauerkraut zum Selbermachen

1 Kg Weißkohl (feingehobelt)

  • 1 Esslöffel unraffiniertes Meersalz
  • 1 großes Glas mit Bügelverschluss

Die 2-3 äußeren Blätter vom Weißkohl entfernen und den Kopf vierteln und fein hobeln. Das Meersalz hinzufügen, alles gut durchmassieren und kneten bis genüg Flüssigkeit entstanden ist. Das Kraut fest und ohne Luftblasen mit einem Stampfer ins Bügelglas stopfen und mit den Kohlblättern bedecken. Es muss von der Lake bedeckt sein. Sonst noch Restflüssigkeit auffüllen. Mit einem Gewicht beschweren.
Das Bügelglas verschließen und dunkel für 6 Wochen lagern. Die ersten Tage etwas wärmer 20-22 Grad, danach darf es etwas kühler stehen (16-18 Grad Celsius). Sauerkraut hält sich kühl gelagert mindestens 6 Monate.

Zatarkraut

Auch eine feine Variante ist das abgewandelte Zahtar-Kraut  Das etwas andere Rezept findet ihr auch hier im Blog.

Probiotische Grüße

Susanne

(Text: Susanne Thiele)

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    Online-Fermentationskongress VOL. 2

    Geballtes Wissen von über 30 Experten. Wer sich online beim Fermentationskongress anmeldet, kann jeden Tag kostenlos drei Videos  ansehen! Und der Mikrobenzirkus ist auch wieder dabei!
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    Es ist wieder soweit! Der Online-Fermentationskongress startet heute (26.10.- 6.11.2018) leicht erweitert in seine zweite Runde.

    Über 30 Expertinnen beleuchten Fermentation aus verschiedenen Blickwinkeln: Praktisches Know-How zu Fermentationarten wie lakto-fermentiertes Gemüse, Sauerteig, Milch- und Wasserkefir, Kombucha, Miso, Shoyu und Tempeh.
    Hintergründe, warum fermentierte Lebensmittel nun wieder solche Bedeutung bekommen.
    Übersicht über den einen oder anderen Forschungstand zur probiotischen Wirkung einzelner Fermente. Was wirkt besser: Probiotika in Kapseln oder in Lebensmitteln? Und noch einiges mehr.
    Der Videobeitrag des Mikrobenzirkus steht am 5.11. auf dem Programm. Ich gebe einen Einblick in die Welt der Mikroben und ihre Bedeutung für unser Leben und unsere Gesundheit. Einige Geschichten aus meiner eigenen Fermentationspraxis erfahrt ihr natürlich auch.

    Tag 11, 05. November  2018

    Fermente und Gesundheit Teil 2

    Susanne Thiele Bakterien, unsere kleinen alten Freunde

    In der Kongresszeit sind pro Tag jeweils 3 Videos freigeschalten und können am jeweiligen Tag angesehen werden.

    Interessiert? Hier geht’s zu Anmeldung, um ab dem ersten Tag an kostenfrei mit dabei zu sein. Wer in eigenem Tempo oder zu anderen Zeitpunkten die Videos anschauen will, kann das Kongresspaket kaufen und erlangt dauerhaft Zugang zu den Online-Ressourcen. Das ist jederzeit entscheidbar, ganz ohne verstecktem Risiko.

    Probiotische Grüße

    Susanne

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      Zahtarkraut – Sauerkraut mal anders

      Die wundervolle klassische arabische Gewürz-Mischung hat viele Namen: Zaatar,  Zahtar , Za’atar oder  Satar. Wie auch immer geschrieben – es ist einfach immer köstlich und auch sehr gut für Sauerkraut einsetzbar.

      Am besten bringst du dir einfach die Gewürzmischung Zatar mit. Ich habe meine vom Bremer Gewürzhandel und sie hat folgende Zusammensetzung: Sesamsaat, Sumachfrüchte gemahlen, Salz, Baumwollsaatöl, Thymioan und Oregano. Am meisten verwendet wird diese Mischung in  der Türkei, Nordafrika und dem Nahen Osten. Mit einem mildaromatischen, nussigen Geschmack ist diese Mischung wirklich ein Allrounder für die orientalische Küche.

      Wie funktioniert das Zahtar-Kraut im 1 Liter Bügelglas?

      900 g Weißkohl (feingehobelt)

      2 weiße Zwiebeln

      2 Knoblauchzehen

      1 1/2 Teelöffel Zahtar-Gewürzmischung

      2 % unraffiniertes Meersalz (20g)

      Die 2-3 äußeren Blätter vom Weißkohl entfernen und den Kopf vierteln und fein hobeln. Zwiebeln ebenfalls fein hobeln. Die Knoblauchzehen schälen und in dünne Scheiben schneiden.

      Die Zahtar-Gewürzmischung und das Meersalz hinzufügen, alles gut durchmassieren und kneten bis genüg Flüssigkeit entstanden ist.

      Das Kraut ins Bügelglas stopfen. Es muss von der Lake bedeckt sein. Zudem wird es vom Gewicht beschwert. Das Bugelglas verschließen und dunkel für 6 Wochen lagern. Die ersten Tage etwas wärmer 20-22 Grad, danach darf es etwas kühler stehen (16-18 Grad Celsius.

      Die Rezeptanregung habe ich vom Blog www.wildefermente.de.

      Und zum Schluss für euch noch ein paar klassische Verwendungsmöglichkeiten für Zahtar:

      • mit Olivenöl anrühren und vor dem Backen auf ein Fladenbrot streichen
      • als Dip: entweder mit Olivenöl, oder mit Schmand / Frischkäse anrühren (ggf. nachsalzen) und mit Fladenbrot  zur Vorspeise oder Mezzetafel(orientalische Vorspeisenplatte)reichen.
      • Für würzige Hackfleischbällchen ( Köfte),oder dunkles Fleisch, Gemüse und Reisgerichte, Tajine.
      • Für eine feine Grillfleischmarinade mit Öl anrühren
      • Mein Favorit: Gurkensalat mit Zatar und etwas Schwarzkümmel

      Gutes Gelingen!

       

       


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      Deutschland blubbert – Neuer Food-Trend Fermentation

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      Neuer Food Trend – Fermentiertes Gemüse (Quelle: Löwenzahn)

      Fermentiertes Gemüse – klingt ganz schön sperrig und kompliziert. Unsere Großmütter wussten noch eine ganze Menge darüber. Aber dieses Wissen ist heute verlorengegangen. Ganz langsam hat es sich wieder eingeschlichen – in die Hipster-Küchen. In Deutschland blubbert es wieder vor sich hin. Fermentierte Lebensmittel erleben ein Revival und gehören zu den Food-Trends, die ihr unbedingt einmal ausprobieren solltet. Unter Food-Bloggern seit einiger Zeit der neueste Schrei.

      DIY – Selbermachen ist ja sowieso schon lange Trend und da passt Fermentation natürlich besonders gut rein! Der Food-Aktivist Sandor Katz, Autor des Buches „Wild Fermentation“ begeisterte schon vor einiger Zeit in den USA sonst so hygienebesessene Amerikaner für gute Bakterien. Und so machen viele Menschen ihr Sauerkraut wieder selbst in Gärtöpfen, Salami und Käse reifen in den Kellern vor sich hin oder es wird Bier gebraut. Sogar diverse Spitzenköche experimentieren mit fermentierten Lebensmitteln – aber dazu später mehr…

      Was ist überhaupt Fermentation?

      Im Prinzip ist es ganz einfach: Lassen wir Lebensmittel eine Weile stehen, verändern sie sich. Mikroben, Pilze, Bakterien und Hefen – sonst eher unerwünscht – arbeiten nun daran. Fermentation ist eine archaische Konservierungstechnik. Schon die alten Römer, Griechen und Chinesen nutzen sie, um ihre Lebensmittel haltbar zu machen. So verwandelten sie Milch in Joghurt und Traubensaft in Wein. In Korea ist das milchsaure Kimchi aus Kohl eine Nationalspeise. In Asien verzehrt man Soja meist in seiner fermentierten Form z.B. als Miso. Die Technik ist also in allen Kulturen verankert. Viele Lebensmittel gäbe es ohne Fermentation gar nicht, wie Bier, Wein, Käse, Rohwurst und sogar Kakao entsteht nicht ohne Fermentation.

      Fermentistas Kitchen

      Klar, Fermentation ist mir als Mikrobiologin prinzipiell geläufig. Richtig aufmerksam geworden auf den Fermentiertrend bin ich aber erst durch den Blog Wildefermente.de von Barbara Hosfeld, die selbst Biologin ist.

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      Ingwer- und Dillkarotten (Quelle: Wilde Fermente)

      „WildeFermente“ vereint über 2000 Fermentistas in der dazugehörigen Facebook-Gruppe. Hier gibt es praktische Tipps für Neufermentierer und Fortgeschrittene und jede Menge tolle Rezeptideen.

      Wilde Fermente heißt der Blog übrigens weil „wilde“ (Milchsäure-)Bakterien für die Fermente verwendet werden, die überall vorkommen z.B. auch auf unserer Haut.

      Prinzipiell sind mir solche „Einlegearbeiten“ auch gar nicht fremd. Ich bin mit sauren Gurken aus dem Garten aufgewachsen. Wenn ich neuerdings im Bekanntenkreis über fermentiertes Gemüse erzähle, dann wird erstmal abgewunken: „Aber das ist ja uralt und langweilig – Sauerkraut und Co“.  Natürlich – Deutschland ist nun mal das Land des Sauerkrauts. Es gibt aber viel mehr Gemüse zu entdecken, welches man gut fermentieren kann – Gurken, Rettiche, Karotten oder Ingwer. Der Fantasie und der Experimentierfreude sind keine Grenzen gesetzt.

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      Nach Cathrin Brandes, die in ihrem Blog Berlin Tidbits regelmäßig Food Trends veröffentlicht, ist zum Beispiel „Kimchi viel schicker als Sauerkraut und DIE Einstiegsdroge zum Fermentationshobby – gleich nach Komboucha und Kefir“.
      Und der wahre Hipster kommt sowieso nicht am selbst gemachtem Ruby-Sauerkraut zum Sliced Pork Tongue-RyeBread Sandwich vorbei. Na dann!

      Der Nordic Food Trend?

      Fermentation ist jedenfalls ein heißes Thema in den Foodie-Metropolen der Welt. New Nordic Köche wie René Redzepi aus Kopenhagen verwenden regionale Produkte vor der Haustür und experimentieren mit Fermentation. Kein Wunder, dass diese Idee aus dem Norden kommt. In den langen nordeuropäischen Winter gibt es nicht viel, also wird in den wärmeren Monaten konserviert und fermentiert. Redzepi bietet im Kopenhagener „Noma“ z. B. eine fermentierte Soße aus pürierten Grashüpfern an. Magnus Nilsson im „Faviken Magasinet“ würzt seine Gerichte mit eingelegten Pflanzen.

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      Kreation von Magnus Nilsson, Küchenchef im Restaurant Fäviken Magasinet in Jämtland © Fäviken Magasinet

      Unter den deutschen Köchen ist Heiko Antoniewicz zu nennen, der bekannt ist für seine ausgefallenen Kochtechniken und das preisgekrönte Buch „Fermentation“ veröffentlichte. Für Interessierte bietet er auch Kochworkshops zu Fermentationstechniken an.

      Wie funktioniert Fermentieren?

      Viele Menschen haben einen gewissen Respekt vor dem Fermentationsprozess. Schließlich geht es da um richtige Mikroorganismen. Es könnte ja auch sein, dass Krankheitserreger im Spiel sind. Aber im Normalfall haben solche Erreger keine Chance, wenn man einige Grundprinzipien befolgt.

      Wie sieht sie nun aus die Alchemie des Eingelegten?

      Die Formel ist seit Jahrtausenden bekannt: Man braucht nur

      Gemüse + Salz + Zeit.

      Der Kohl wird also recht klein geschnibbelt und mit ausreichend Salz nach und nach in ein Gefäß gegeben. Das Salz und das Stampfen des Kohls entziehen dem Gemüse Flüssigkeit und es entsteht eine sogenannte „Lake“. Milchsäurebakterien lieben aber genau dieses saure Milieu. Sie nehmen sich die Faser- und Ballaststoffe des Gemüses vor und verstoffwechseln diese – dabei produzieren sie Milchsäure und viele weitere Stoffe, wie wertvolle Vitamine.

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      Witwe Bolte am Sauerkrautfass (1865) Quelle: Wilhelm Busch: Max und Moritz (Public Domain)

       

      Sauerkraut hat z. B. mehr Vitamin C als Weißkohl in rohem Zustand. Aus diesem Umstand war es auch schon unter Seefahrern bekannt und beliebt, die oft unter den Vitaminmangelkrankheit Skorbut auf ihren langen Schiffreisen litten. Der englische Seefahrer James Cook hatte es als Erster fässerweise an Bord.

      Die Milchsäurebakterien setzen auch Kohlendioxid frei (CO2). Das erkennt man am Blubbern – vielen kleinen Luftblasen im Ferment. Das Ferment lebt – auch wenn man die kleinen Mitwohner mit bloßem Auge nicht sehen kann. Die Milchsäure gibt dem Ferment auch seinen besonderen Geschmack.

      In diesem sauren Milieu haben Pathogene, wie das gefürchtete Bakterium Clostridium botulinum, gar keine Chance sich zu vermehren.

      Wie Heiko Antoniewicz in seinem Buch „Fermentation“ gemeinsam mit dem Biochemiker Michael Podvinec gut erklärt, bestehen sogenannte „Hürdeneffekte“ gegen Krankheitserreger. Vier Barrieren wirken beim Fermentieren gegen gefährliche Keime: die Lagerung ohne Sauerstoff in Flüssigkeit, ein hoher Salzgehalt, die entstehende Säure und eine neue Bakterienflora die einen Schutzwall um das Eingemachte bildet.

      Etwas Erfahrung sollte man aber trotzdem im Umgang mit Lebensmitteln haben. Die verwendeten Gefäße müssen sauber sein und die richtigen Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit sind wichtig. Misslungene Fermente erkennt man schnell am Geruch. Dies genau könnte aber bei der Fermentation von Fleisch oder Fisch für Hobbyköche problematisch werden. Hier können pathogene Bakterien entstehen, die nicht zu riechen oder zu schmecken sind. Da sollten besser Profis ran.

      Gute Gründe für Fermentation

      Es gibt viele gute Gründe für Fermentation. Ging es früher vor allem um ein längeres Konservieren von schnell verderblichen Lebensmitteln, stehen heute eher die kulinarischen oder gesundheitlichen Aspekte im Vordergrund.

      Fermentiertes schmeckt gut. Das liegt vor allem daran, weil bei der Fermentation die Gemüsearomen um das Salz ergänzt werden, welches zugesetzt wurde und um die Säure die sich mit der Milchsäurevergärung bildet. Zusätzlich entstehen weitere Aromen, die im Ausgangsprodukt so nicht vorhanden waren und verschiedene Gerbstoffe werden abgebaut. So entsteht ein komplexes und vielfältiges Geschmackserlebnis.

      Fermentiertes ist gesund. Nach neuesten Studien enthalten fermentierte Lebensmittel Mikroben, die sich gut mit dem eigenen Mikrobiom unseres Darms vertragen oder dessen Mikroflora gut ergänzen. Ernährungswissenschaftler erklären, dass fermentierte Lebensmittel bekömmlicher und vitaminreicher sind. Trotzdem ist fermentiertes Essen kein Allheilmittel. Fermentierte Lebensmittel sollten aber in der gesunden Ernährung eine wichtige Rolle spielen. Sie stärken das Immunsystem und können Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen. Auch beim Abnehmen können sie hilfreich sein, denn fermentiertes Gemüse ist reich an Ballaststoffen und hält lange satt.

      „Krautfunding“

      Zum Abschluss noch ein kleiner Hinweis auf ein, wie ich finde, tolles und nachhaltiges Projekt. Der Gärtner Olaf Schnelle ist dabei, über Crowdfunding oder in diesem Fall eher „Krautfunding“, das Zentrum für Gemüse-Fermentation Trebeltal in Vorpommern zu realisieren.

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      Sein selbst angebautes Gemüse aus der eigenen Gärtnerei „Schnelles Grünzeug“ soll über kurze Transportwege gleich in der eigenen Fermentationsanlage verarbeitet werden. Die Geldeinwerbephase ist zwischenzeitlich schon erfolgreich beendet. Mit dem gespendeten Geldern und Fördermitteln vom Bundes-Landwirtschaftsminister (!) ist er schon mitten in der Planung der Produktionsanlagen.
      Interessierte finden alle Infos unter folgendem Link.

       

      Weiterer Link-Tipp Einsteiger Fermentation:

      Wer sich jetzt schon mit dem Gedanken trägt, etwas tiefer in die Fermentation einzusteigen und selbst experimentieren möchte, dem sei die Seite Wilde Fermente nochmal wärmstens empfohlen.

      Ich habe meine Bügelgläser auch schon bereitgestellt. Von meinen Versuchen gibt es dann sicher hier auch mal was zu lesen.

      Mikrobiologische Grüße

      Susanne

       

      Quellen:

      Mary Karlin. Das große Buch vom Fermentieren

      Heiko Antoniewicz. Buch „Fermentation“