Unser Sauerkraut ist in der koreanischen Küche das Kimchi. Dieses Gericht ist wirklich ein koreanisches Nationalgericht – sozusagen der fermentierte Nationalstolz. Für uns ist es schwer nachzuvollziehen, wie sehr das milchsaure Kraut mit der kulinarischen Identität Südkoreas verbunden ist. Zu jeder, wirklich ausnahmslos jeder Mahlzeit wird Kimchi als Beilage serviert – und zudem auch mit Reis gebraten, in Suppen eingelegt oder in Teigtaschen gefüllt. Bis ins 13. Jahrhundert reichen die ersten Aufzeichnungen darüber zurück. Kimchi gilt als sehr gesund, denn es soll ein langes Leben verleihen. Im Gegensatz zum Sauerkraut, welches bei uns oft gekocht wird, wird Kimchi roh verzehrt, was die lebenden Kleinstorganismen nicht zerstört. Die Anwesenheit von Salz ermöglicht den Milchsäurebakterien ein fröhliches Vermehren, verleidet aber gleichzeitig den Fäulnis bewirkenden Mikroorganismen das Leben. Kimchi wird im Gegensatz zum Sauerkraut auch viel schärfer gewürzt. Neben der Milchsäure bestimmen Chili, Ingwer, Frühlingszwiebeln und Fischferment den Geschmack. Im folgenden Rezept probieren wir gemeinsam ein schnelles verganes Anfänger-Kimchi aus, ohne Fischsauce. Meine beiden Teenager sind gerade auf dem veganen Pfad. Die Zutaten könnt ihr unkompliziert in jedem gut sortierten Supermarkt kaufen.
Einkaufsliste
Zutaten für ein verganes Kimchi (S. Thiele
1 großer Chinakohl
2 Karotten
1 weißer Rettich
1 Bund Frühlingszwiebeln
1 großes Stück Ingwer
4 Knoblauchzehen
2 rote Chilis
Salz
Wasser
Zubereitung
Den Chinakohl in fingerbreite Streifen schneiden, in eine große Schüssel geben und mit Salzlake (20g Salz/ 1 Liter Wasser) bedecken. Den Kohl zusammen und unter die Lake drücken und mit einem Teller beschweren. Für mindestens 2 Stunden stehen lassen.
Karotten und Rettiche schälen, grob raspeln und aufheben. Frühlingszwiebeln in dicke Ringe schneiden.
Ingwer und Knoblauch fein zerkleinern mit den entkernten Chilis und etwas Kohl-Salzlake mischen. Den Kohl von der Lake mit einem Sieb trennen und gut ausdrücken. Die Salzlake aufheben.
Den Kohl mit den Karotten, Rettich und Frühlingszwiebeln in einer Schüssel gut vermischen und die Chili-Knoblauch-Mischung darüber geben. Gut verkneten. Vorsichtig nachsalzen falls nötig.
Das Kimchi in Gläser mit Bügelverschluss füllen, fest andrücken bis keine Luftblasen mehr zu sehen sind. Wenn das Kraut nicht mit Flüssigkeit bedeckt ist, etwas Salzlake nachfüllen. Die Gläser nicht höher als zwei Finger unter dem Glasrand füllen. (Überlaufgefahr)
Die Gläser zur Fermentation 3-7 Tage an einem warmen Ort stellen, damit die Milchsäurebakterien ihren Job machen können. Es entstehen leichter Schaum und Bläschen – das ist ganz normal. Ihr könnt das Kraut täglich etwas andrücken, falls es „hochwächst“ und dabei gleich probieren, ob es euch schon scharfsauer genug ist.
Wenn euch der Geschmack zusagt, wird das Kimchi in den Kühlschrank gestellt (Stopp der Fermentation) und ist dort mindestens 2-3 Monate haltbar.
Nach und nach werdet ihr euch immer mehr an die würzigeren Kimchi-Varianten herantrauen.
Zubereitungszeit: ca. 2 Stunden
Fermentation: 3-7 Tage
Haltbarkeit: 2-3 Monate
Das Rezept ist inspiriert vom Buch „Fermentieren ganz einfach selbst gemacht“ von Cathrin Brandes)
Zerkleinertes Gemüse (S. Thiele)
Den Kohl zwei Stunden in der Salzlake wässern (S. Thiele)
Veganes Kimchi nach 7 Tagen Fermentation (S. Thiele)
Wenn ihr Fragen oder Anregungen habt, hinterlasst mir sehr gern einen Kommentar!
Geballtes Wissen von über 30 Experten. Wer sich online beim Fermentationskongress anmeldet, kann jeden Tag kostenlos drei Videos ansehen! Und der Mikrobenzirkus ist auch wieder dabei!
Es ist wieder soweit! Der Online-Fermentationskongress startet heute (26.10.- 6.11.2018) leicht erweitert in seine zweite Runde.
Über 30 Expertinnen beleuchten Fermentation aus verschiedenen Blickwinkeln: Praktisches Know-How zu Fermentationarten wie lakto-fermentiertes Gemüse, Sauerteig, Milch- und Wasserkefir, Kombucha, Miso, Shoyu und Tempeh.
Hintergründe, warum fermentierte Lebensmittel nun wieder solche Bedeutung bekommen.
Übersicht über den einen oder anderen Forschungstand zur probiotischen Wirkung einzelner Fermente. Was wirkt besser: Probiotika in Kapseln oder in Lebensmitteln? Und noch einiges mehr.
Der Videobeitrag des Mikrobenzirkus steht am 5.11. auf dem Programm. Ich gebe einen Einblick in die Welt der Mikroben und ihre Bedeutung für unser Leben und unsere Gesundheit. Einige Geschichten aus meiner eigenen Fermentationspraxis erfahrt ihr natürlich auch.
Tag 11, 05. November 2018
Fermente und Gesundheit Teil 2
Susanne Thiele– Bakterien, unsere kleinen alten Freunde
In der Kongresszeit sind pro Tag jeweils 3 Videos freigeschalten und können am jeweiligen Tag angesehen werden.
Interessiert? Hier geht’s zu Anmeldung, um ab dem ersten Tag an kostenfrei mit dabei zu sein. Wer in eigenem Tempo oder zu anderen Zeitpunkten die Videos anschauen will, kann das Kongresspaket kaufen und erlangt dauerhaft Zugang zu den Online-Ressourcen. Das ist jederzeit entscheidbar, ganz ohne verstecktem Risiko.
Bakterien und Pilze sind die Ordnungspolizei der Natur. Sie haben die gute Angewohnheit, alles aufzuräumen. Sie zersetzen organische Materialien und sorgen dafür, dass sie nicht einfach in der Gegend herumliegen bleiben, sondern in ihre Bestandteile aufgelöst werden und wieder als Nährstoffe zur Verfügung stehen. Nichts anderes passiert auch bei Lebensmitteln, die an den Punkt der Gärung ohne Sauerstoff kommen und dadurch erst ihren besonderen Geschmack oder ihren genießbaren Zustand erhalten.
Die Fermentation – wie die Gärung auch »auf schlau« bezeichnet wird – ist eigentlich gar keine menschliche Erfindung. Durch die Allgegenwart der kleinen Lebensformen – der Bakterien, Pilze und Hefen – waren schon die prähistorisch-fermentierten Lebensmittel ganz natürliche Phänomene, die wir Menschen nur beobachtet, untersucht und dadurch später kultivieren und beherrschen lernten. Das Prinzip heißt »kontrollierter Verfall« – wenn Nahrungsmittel im Warmen stehen gelassen werden, beginnt eine Transformation: Bakterien, Schimmelpilze und Hefen können dafür sorgen, dass die Nahrung verdirbt – sie können sie unter Umständen aber auch haltbar machen, ihren Geschmack oder die Inhaltsstoffe veredeln.
Die Geburtsstunde der Fermentation
Als wir Menschen sesshaft wurden, bekam noch etwas anderes eine viel wichtigere Bedeutung. Getreide und Milchprodukte für die kommende Zeit einzulagern, war ein praktischer Weg, um sich nicht täglich um ihre Beschaffung zu sorgen. So wurden clevere Strategien nötig, um die Lebensmittel für später zu konservieren.
Dazu kam noch der Wechsel der Jahreszeiten. Anders als in den Tropen wächst in der gemäßigten Klimazone nicht immer irgendetwas. Die Vegetation legt knapp die Hälfte des Jahres eine entspannte Ruhepause ein. Es ist nicht nur dunkel und kalt – es wächst auch kaum etwas. Trotzdem werden Essen und Vitamine weiterhin dringend gebraucht.
Heute ist das mit Schiffen und Flugzeugen recht einfach. Frisches Gemüse wird aus anderen Regionen der Welt schnell hierher transportiert. Die Konservendose wurde erst im 19. Jahrhundert erfunden und brauchte einige Jahrzehnte ehe sie überhaupt akzeptiert wurde. Wer wollte schon an einer Bleivergiftung sterben?
Heute sind wir dank Kühlschrank und Tiefkühltruhe seit den 50 bis 80er Jahren recht unabhängig. Unsere Vorfahren müssten noch andere Techniken entwickeln, um ihre Lebensmittel über den Winter oder lange Schiffsreisen haltbar zu machen oder die Ausbeute von erfolgreichen Jagd – oder Fischzügen vor dem Verfall zu sichern.
Viele Methoden entstanden: pökeln, einlegen, einkochen, dörren, kandieren – oder eben das Fermentieren mit Mikroorganismen. So ist die Entwicklung der fermentierten Lebensmittel mehr als nur eine kulinarische Erfindung.
Der Zufall kam zu Hilfe
Die meisten Vergärungsmethoden wurden wohl ganz zufällig entdeckt. Die daran schuldigen Mikroben sind überall in unserer Umwelt zu finden. Sie ernähren sich von den Zuckern nährstoffreicher Pflanzen oder tierischer Produkte.
Wer als Mikrobe zuerst im Milchtopf siedelt, verteidigt sein Territorium mit chemischen Kampfstoffen gegen Konkurrenz und schützt die Lebensmittel dadurch gleichzeitig vor dem Verderben. Zur Verfügung stehen dem Mikroorganismen dabei antimikrobielle Peptide, Milch- oder Essigsäurevarianten und Alkohole – alles Substanzen, die die Lebensmittel haltbar machen und für Menschen in gewissen Maße genießbar und zum Teil sogar sehr lecker sind. Geraspelter Kohl und Milch werden schnell sauer, Früchtekompott vergärt – aber sie werden nicht zu etwas abstoßenden Ungenießbaren – sondern zu schmackhaftem Sauerkraut, gesunder Buttermilch oder wunderbarem Wein.
Überall auf der Welt hat der Mensch versucht, nahezu alles Essbare zu fermentieren – von Gemüse und sogar Tierhäuten im Sudan bis hin zu Fischköpfen in der Arktis. Wahrscheinlich gibt es keine Kultur auf der Erde, die nicht irgendeine Form der Fermentierung oder Vergärung ausübt. Manche Gärprodukte sind sogar das zentrale Element der meisten Küchen oder uralte Rituale. Nach manchen Schätzungen wird bis zu einem Drittel aller von Menschen verzehrten Lebensmittel vorher fermentiert .
Es ist sehr interessant, dass wir im selben Zuge von »Kultur« (lateinisch cultura = Ableitung von colere – »den Acker bestellen«) sprechen, wenn wir eine Bakterienkultur meinen, mit der wir einen Joghurt oder Gärprozess starten können – aber den Begriff gleichzeitig auch für etwas wie Musik, Literatur, Sprache, wissenschaftliche Erkenntnisse oder kulinarische Techniken und alte Familienrezepte verwenden.
Viele Auswanderer überquerten Kontinente und Ozeane – ihr Hab und Gut war nur das, was sie tragen konnten. Häufig brachten sie aber gerade Sauerteigkulturen zum Brotbacken oder andere Starterkulturen mit oder zumindest das Know-How und ihre erprobten Methoden der Fermentierung.
Von Krautbräuten und Fermentos – Comeback der Fermentierens
Meine beiden Großmütter haben noch ganz selbstverständlich Gemüse milchsauer eingelegt, Buttermilch eindicken lassen oder mit Sauerteig gebacken. Im Gegensatz dazu haben heute viele Menschen große Angst, Lebensmittel außerhalb des Kühlschranks zu lagern. Sie wurden dazu erzogen, Bakterien und Pilze als gefährliche Krankheitserreger zu sehen und die Kältetechnik als eine absolute Notwendigkeit im Haushalt.
Aber das Blatt wendet sich gerade: selbst fermentierte Lebensmittel sind wieder einer der heißesten Food-Trends, der seit einigen Jahren aus den gesundheitsbewussten Küchen von New York, San Francisco und Portland herüberschwappt. Fermentation gilt als der aktuelle Gegentrend zum sterilen Standardlebensmittel. Ganz langsam haben sich die alten Methoden wieder eingeschlichen in die Hipster-Küchen und Food Blogs. Sauerkraut blubbert in Gärtöpfen, Salami und Käse reifen in den Kellern und vielerorts wird sogar Bier gebraut.
Ich selbst gehöre auch schon seit einigen Jahren zu den sogenannten »Fermentos«. In meiner Küche stapeln sich die Bügelgläser und ich bin stolze Hüterin verschiedener Kulturen von Kefir über Kombucha bis zum selbst angesetzten Sauerteig. Als ich vor Jahren im Bekanntenkreis über meine ersten Fermentierversuche erzählte, wurde zuerst einmal abgewunken: »Aber das ist ja uralt und langweilig – Sauerkraut und Co! «. Aber es gibt so viel mehr Gemüse zu entdecken, welches sich gut fermentieren lässt: etwa Gurken, Fenchel oder Karotte und Ingwer. Der Fantasie und Experimentierfreude sind dabei keine Grenzen gesetzt.
Ich sage nur »Kimchi«
Die koreanische Variante des Sauerkrauts – ist für viele die Einstiegsdroge zum Fermentationshobby. Das gesunde Kraut ist in Korea von nationalem Interesse. Fast jede koreanische Familie hat ihr eigenes Geheimrezept für den scharfen Chinakohl mit Chili – über 300 Rezepte gibt es in den unterschiedlichen Regionen. Wenn der Winter bevorsteht, beginnt die »Kimjang«, die traditionelle Saison für die Kimchi-Zubereitung, die sogar 2013 in die Unesco-Liste für immaterielles Kulturerbe aufgenommen wurde. Sauerkrautstampfen mit Tanzmusik ist sogar szenetauglich, wenn alle zusammen Kohl schnippeln. So geschehen in Berlin zum »Sauercrowd« einem kulinarischen Flashmob, bei dem eine halbe Tonne Weiß- und Rotkohl in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg zu Sauerkraut verarbeitet wurde. Der Berliner Hipster kommt nicht am selbstgemachten Ruby-Sauerkraut zum Sliced Pork Tongue-RyeBread Sandwich vorbei! Aber selbst hier in Braunschweig haben die Schnippel-Partys Einzug gehalten. Na dann guten Appetit!
KImchi-Workshop im Gemeinschaftsgarten Bebelhof Braunschweig (Foto: Susanne Thiele)
Die vergorenen Produkte sind für uns vor allem attraktiv durch ein kräftiges und komplexes Aroma. Wissenschaftlich werden diese herzhaften Geschmackseindrücke umami genannt – das ist der sogenannte fünfte Geschmackssinn neben salzig, bitter, süß und sauer. Er wird durch die Veredlungsprozedur beim Fermentieren stärker, weil sich im durch die Mikroorganismen Vergorenen mehr Glutaminsäure und andere natürliche Geschmacksverstärker bilden.
Die Mikroben sorgen bei beispielsweise Käse oder Chorizo für eine besondere Geschmacksdichte, indem sie Zucker in Säuren und Alkohole umbauen und sonst geschmacksneutrale Makromoleküle, wie Stärke, Proteine und Fette – in ihre Kernkomponenten zerlegen, also in Zucker, Aminosäuren und Fettsäuren. Alle diese Bausteine haben einen Eigengeschmack und dienen als Vorstufe anderer kleiner Moleküle, die unsere Geschmacks- und Geruchsnerven reizen. Auch die in der Nahrung selbst enthaltenen Enzyme tragen speziell zur Aromatisierung bei – umso mehr, je mehr Zeit ihnen die Mikroben mit Konservierungsmaßnahmen verschaffen.
Ab einem bestimmten Punkt geht mir das dann auch zu weit: Hart auf der Kippe zwischen unappetitlich überreif oder wirklich verdorben balancieren solche Spezialitäten wie der chinesische Stinktofu oder der schwedische Surströmming. Dieser in der Konservendose fermentierte Hering, der die Dose wölbt, ist ein olfaktorisches Erlebnis, das den stärksten Mann umhaut – nur etwas für echte Fans oder in jedem Fall eine Frage der Gewöhnung und der eigenen erlernten Familienkultur.
Aber auch das unvergleichliche Aroma von Schokolade, Vanille oder Kaffee verdanken wir ebenfalls nur den Fermentationsprozessen von Mikroorganismen, die den bitteren Bohnen oder den Vanilleschoten den Geschmack verleihen, den wir so lieben.
Azteken bei der Zubereitung des „Xocolatl“: Kakaobohnen werden geröstet, gemahlen und mit Wasser und Gewürzen schaumig gerührt (Olfert Dapper, „Die unbekannte Neue Welt“).
Kakabohnen (Public Domain)
Wer sind nun die Miniköche, die unsere Nahrung so köstlich machen? An der Fermentierung von Lebensmitteln sind eine ganze Reihe von unterschiedlichen Keimen beteiligt. Die Mikroben arbeiten entweder alle gleichzeitig oder gedeihen nacheinander und schaffen sich gegenseitig gute Bedingungen – sozusagen ein echtes mikrobiologisches Teamwork.
Die größte Gruppe sind die Milchsäurebakterien, die am Reifungsprozess erstaunlich vieler unserer Leibspeisen beteiligt sind – unter anderem Joghurt, Käse oder auch sahniger Crème fraǐche, Sauerkraut, Dauerwürsten oder asiatischen Fischsoßen. Die zweiten Hauptdarsteller im »Fermentierungstheater« sind die Hefen, vor allem Verwandte unserer BäckerhefeSacharomyces cerevisiae, die Alkohol und Kohlendioxid aus Fruchtsäften und anderen zuckerhaltigen Maischen produzieren und für Bier und Wein sorgen. Zur dritten Gruppe gehören die Spezialisten aus dem Reich der Schimmelpilze, die Alkohol bilden, Salami und Käse veredeln oder biotechnologische Wunder vollbringen können.
Lactobacillus spec., Hautbakterium des Menschen (Wikipedia CC BY 3.0)
Saccharomyces cerevisiae CC BY-SA 3.0
In einer lockeren Folge möchte ich euch hier im Blog die guten Hausgeister vorstellen, die unser Essen lecker und gesund machen. Die Fermentation ist aber ein sehr weites und vielfältiges Feld, daher muss ich mich auf einige ausgewählte Mikroorganismen beschränken, mit denen ihr sogar selbst zuhause fermentieren könnten.
Fermentiertes Gemüse – klingt ganz schön sperrig und kompliziert. Unsere Großmütter wussten noch eine ganze Menge darüber. Aber dieses Wissen ist heute verlorengegangen. Ganz langsam hat es sich wieder eingeschlichen – in die Hipster-Küchen. In Deutschland blubbert es wieder vor sich hin. Fermentierte Lebensmittel erleben ein Revival und gehören zu den Food-Trends, die ihr unbedingt einmal ausprobieren solltet. Unter Food-Bloggern seit einiger Zeit der neueste Schrei.
DIY – Selbermachen ist ja sowieso schon lange Trend und da passt Fermentation natürlich besonders gut rein! Der Food-Aktivist Sandor Katz, Autor des Buches „Wild Fermentation“ begeisterte schon vor einiger Zeit in den USA sonst so hygienebesessene Amerikaner für gute Bakterien. Und so machen viele Menschen ihr Sauerkraut wieder selbst in Gärtöpfen, Salami und Käse reifen in den Kellern vor sich hin oder es wird Bier gebraut. Sogar diverse Spitzenköche experimentieren mit fermentierten Lebensmitteln – aber dazu später mehr…
Was ist überhaupt Fermentation?
Im Prinzip ist es ganz einfach: Lassen wir Lebensmittel eine Weile stehen, verändern sie sich. Mikroben, Pilze, Bakterien und Hefen – sonst eher unerwünscht – arbeiten nun daran. Fermentation ist eine archaische Konservierungstechnik. Schon die alten Römer, Griechen und Chinesen nutzen sie, um ihre Lebensmittel haltbar zu machen. So verwandelten sie Milch in Joghurt und Traubensaft in Wein. In Korea ist das milchsaure Kimchi aus Kohl eine Nationalspeise. In Asien verzehrt man Soja meist in seiner fermentierten Form z.B. als Miso. Die Technik ist also in allen Kulturen verankert. Viele Lebensmittel gäbe es ohne Fermentation gar nicht, wie Bier, Wein, Käse, Rohwurst und sogar Kakao entsteht nicht ohne Fermentation.
Fermentistas Kitchen
Klar, Fermentation ist mir als Mikrobiologin prinzipiell geläufig. Richtig aufmerksam geworden auf den Fermentiertrend bin ich aber erst durch den Blog Wildefermente.de von Barbara Hosfeld, die selbst Biologin ist.
Ingwer- und Dillkarotten (Quelle: Wilde Fermente)
„WildeFermente“ vereint über 2000 Fermentistas in der dazugehörigen Facebook-Gruppe. Hier gibt es praktische Tipps für Neufermentierer und Fortgeschrittene und jede Menge tolle Rezeptideen.
Wilde Fermente heißt der Blog übrigens weil „wilde“ (Milchsäure-)Bakterien für die Fermente verwendet werden, die überall vorkommen z.B. auch auf unserer Haut.
Prinzipiell sind mir solche „Einlegearbeiten“ auch gar nicht fremd. Ich bin mit sauren Gurken aus dem Garten aufgewachsen. Wenn ich neuerdings im Bekanntenkreis über fermentiertes Gemüse erzähle, dann wird erstmal abgewunken: „Aber das ist ja uralt und langweilig – Sauerkraut und Co“. Natürlich – Deutschland ist nun mal das Land des Sauerkrauts. Es gibt aber viel mehr Gemüse zu entdecken, welches man gut fermentieren kann – Gurken, Rettiche, Karotten oder Ingwer. Der Fantasie und der Experimentierfreude sind keine Grenzen gesetzt.
Nach Cathrin Brandes, die in ihrem Blog Berlin Tidbits regelmäßig Food Trends veröffentlicht, ist zum Beispiel „Kimchi viel schicker als Sauerkraut und DIE Einstiegsdroge zum Fermentationshobby – gleich nach Komboucha und Kefir“.
Und der wahre Hipster kommt sowieso nicht am selbst gemachtem Ruby-Sauerkraut zum Sliced Pork Tongue-RyeBread Sandwich vorbei. Na dann!
Der Nordic Food Trend?
Fermentation ist jedenfalls ein heißes Thema in den Foodie-Metropolen der Welt. New Nordic Köche wie René Redzepi aus Kopenhagen verwenden regionale Produkte vor der Haustür und experimentieren mit Fermentation. Kein Wunder, dass diese Idee aus dem Norden kommt. In den langen nordeuropäischen Winter gibt es nicht viel, also wird in den wärmeren Monaten konserviert und fermentiert. Redzepi bietet im Kopenhagener „Noma“ z. B. eine fermentierte Soße aus pürierten Grashüpfern an. Magnus Nilsson im „Faviken Magasinet“ würzt seine Gerichte mit eingelegten Pflanzen.
Unter den deutschen Köchen ist Heiko Antoniewicz zu nennen, der bekannt ist für seine ausgefallenen Kochtechniken und das preisgekrönte Buch „Fermentation“ veröffentlichte. Für Interessierte bietet er auch Kochworkshops zu Fermentationstechniken an.
Wie funktioniert Fermentieren?
Viele Menschen haben einen gewissen Respekt vor dem Fermentationsprozess. Schließlich geht es da um richtige Mikroorganismen. Es könnte ja auch sein, dass Krankheitserreger im Spiel sind. Aber im Normalfall haben solche Erreger keine Chance, wenn man einige Grundprinzipien befolgt.
Wie sieht sie nun aus die Alchemie des Eingelegten?
Die Formel ist seit Jahrtausenden bekannt: Man braucht nur
Gemüse + Salz + Zeit.
Der Kohl wird also recht klein geschnibbelt und mit ausreichend Salz nach und nach in ein Gefäß gegeben. Das Salz und das Stampfen des Kohls entziehen dem Gemüse Flüssigkeit und es entsteht eine sogenannte „Lake“. Milchsäurebakterien lieben aber genau dieses saure Milieu. Sie nehmen sich die Faser- und Ballaststoffe des Gemüses vor und verstoffwechseln diese – dabei produzieren sie Milchsäure und viele weitere Stoffe, wie wertvolle Vitamine.
Witwe Bolte am Sauerkrautfass (1865) Quelle: Wilhelm Busch: Max und Moritz (Public Domain)
Sauerkraut hat z. B. mehr Vitamin C als Weißkohl in rohem Zustand. Aus diesem Umstand war es auch schon unter Seefahrern bekannt und beliebt, die oft unter den Vitaminmangelkrankheit Skorbut auf ihren langen Schiffreisen litten. Der englische Seefahrer James Cook hatte es als Erster fässerweise an Bord.
Die Milchsäurebakterien setzen auch Kohlendioxid frei (CO2). Das erkennt man am Blubbern – vielen kleinen Luftblasen im Ferment. Das Ferment lebt – auch wenn man die kleinen Mitwohner mit bloßem Auge nicht sehen kann. Die Milchsäure gibt dem Ferment auch seinen besonderen Geschmack.
In diesem sauren Milieu haben Pathogene, wie das gefürchtete Bakterium Clostridium botulinum, gar keine Chance sich zu vermehren.
Wie Heiko Antoniewicz in seinem Buch „Fermentation“ gemeinsam mit dem Biochemiker Michael Podvinec gut erklärt, bestehen sogenannte „Hürdeneffekte“ gegen Krankheitserreger. Vier Barrieren wirken beim Fermentieren gegen gefährliche Keime: die Lagerung ohne Sauerstoff in Flüssigkeit, ein hoher Salzgehalt, die entstehende Säure und eine neue Bakterienflora die einen Schutzwall um das Eingemachte bildet.
Etwas Erfahrung sollte man aber trotzdem im Umgang mit Lebensmitteln haben. Die verwendeten Gefäße müssen sauber sein und die richtigen Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit sind wichtig. Misslungene Fermente erkennt man schnell am Geruch. Dies genau könnte aber bei der Fermentation von Fleisch oder Fisch für Hobbyköche problematisch werden. Hier können pathogene Bakterien entstehen, die nicht zu riechen oder zu schmecken sind. Da sollten besser Profis ran.
Gute Gründe für Fermentation
Es gibt viele gute Gründe für Fermentation. Ging es früher vor allem um ein längeres Konservieren von schnell verderblichen Lebensmitteln, stehen heute eher die kulinarischen oder gesundheitlichen Aspekte im Vordergrund.
Fermentiertes schmeckt gut. Das liegt vor allem daran, weil bei der Fermentation die Gemüsearomen um das Salz ergänzt werden, welches zugesetzt wurde und um die Säure die sich mit der Milchsäurevergärung bildet. Zusätzlich entstehen weitere Aromen, die im Ausgangsprodukt so nicht vorhanden waren und verschiedene Gerbstoffe werden abgebaut. So entsteht ein komplexes und vielfältiges Geschmackserlebnis.
Fermentiertes ist gesund. Nach neuesten Studien enthalten fermentierte Lebensmittel Mikroben, die sich gut mit dem eigenen Mikrobiom unseres Darms vertragen oder dessen Mikroflora gut ergänzen. Ernährungswissenschaftler erklären, dass fermentierte Lebensmittel bekömmlicher und vitaminreicher sind. Trotzdem ist fermentiertes Essen kein Allheilmittel. Fermentierte Lebensmittel sollten aber in der gesunden Ernährung eine wichtige Rolle spielen. Sie stärken das Immunsystem und können Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen. Auch beim Abnehmen können sie hilfreich sein, denn fermentiertes Gemüse ist reich an Ballaststoffen und hält lange satt.
„Krautfunding“
Zum Abschluss noch ein kleiner Hinweis auf ein, wie ich finde, tolles und nachhaltiges Projekt. Der Gärtner Olaf Schnelle ist dabei, über Crowdfunding oder in diesem Fall eher „Krautfunding“, das Zentrum für Gemüse-Fermentation Trebeltal in Vorpommern zu realisieren.
Sein selbst angebautes Gemüse aus der eigenen Gärtnerei „Schnelles Grünzeug“ soll über kurze Transportwege gleich in der eigenen Fermentationsanlage verarbeitet werden. Die Geldeinwerbephase ist zwischenzeitlich schon erfolgreich beendet. Mit dem gespendeten Geldern und Fördermitteln vom Bundes-Landwirtschaftsminister (!) ist er schon mitten in der Planung der Produktionsanlagen.
Interessierte finden alle Infos unter folgendem Link.
Weiterer Link-Tipp Einsteiger Fermentation:
Wer sich jetzt schon mit dem Gedanken trägt, etwas tiefer in die Fermentation einzusteigen und selbst experimentieren möchte, dem sei die Seite Wilde Fermente nochmal wärmstens empfohlen.
Ich habe meine Bügelgläser auch schon bereitgestellt. Von meinen Versuchen gibt es dann sicher hier auch mal was zu lesen.