Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co


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Trickreiche Erreger – Wie Bakterien unseren Körper erobern

Ich freue mich, euch heute im Mikrobenzirkus einen Gastartikel meines Kollegen Dr. Andreas Fischer, Wissenschaftsredakteur am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, zu präsentieren.  Viel Spaß beim Lesen!

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Robert Koch – Deutscher Mediziner und Mikrobiologe (Quelle: Wikipedia Public Domain)

Viele Menschen setzen Bakterien mit gefährlichen Krankheiten wie Pest und Cholera gleich. Zu Zeiten des berühmten Mikrobiologen Robert Koch (1843-1910), der zum Beispiel den Erreger der Tuberkulose entdeckt hat, wurde den Bakterien noch der Kampf angesagt.

Mittlerweile wissen wir aber, dass die weitaus meisten Arten völlig harmlos sind und uns zum Teil sogar Hilfe leisten, etwa bei der Verdauung. Gefährliche Krankheitserreger sind unter den Bakterien dagegen die Ausnahme, und sie arbeiten mit cleveren Tricks, denn dank unseres ausgeklügelten Immunsystems ist es gar nicht so leicht, den menschlichen Körper zu infizieren: Es erkennt Eindringlinge sofort, beseitigt sie und kann sich später sogar an sie erinnern. Trotzdem finden manche Bakterienarten immer wieder ein Schlupfloch.

Die beste Waffe: Eine schnelle Vermehrung

Einige Bakterien bilden unter optimalen Bedingungen alle 15 Minuten eine neue Generation aus unzähligen Individuen. Diejenigen, die mit ihrer Umgebung – zum Beispiel unserem Körper – am besten klarkommen, vermehren sich auch am stärksten. So ist jede neue Generation ein kleines Bisschen besser anpasst als die vorherige. Der Karieserreger Streptococcus mutans treibt es in Sachen Anpassung ganz auf die Spitze: In seinem Wohnzimmer – der Zahntasche – tötet er andere Bakterienarten und nimmt deren Erbmaterial auf. Ganz nach dem Motto „Du bist, was du isst“ schluckt er so die Überlebenstricks seiner Konkurrenten und macht sie zu seinen eigenen.

Appetit auf ein Softeis?

Jeder kennt sie, aber niemand will sie: Salmonellen. Sie sitzen in Lebensmitteln wie Eiern, Fleisch oder Softeis und animieren uns gern zu Dauerläufen Richtung Badezimmer. Im Laufe der Jahrmillionen haben Salmonellen ein filigranes Werkzeug entwickelt, das sie zu erfolgreichen Infizierern macht. Gelangen sie über das Essen in unseren Darm, bilden sie aus tausenden Molekülbausteinen winzige Spritzen aus, mit denen sie verschiedene Substanzen in die Darmzellen injizieren. Wie eine Droge veranlassen diese Substanzen die Darmzellen dazu, Dinge zu tun, die sie normalerweise nie tun würden: Sie nehmen die Salmonellen widerstandslos auf – Unternehmen Infektion geglückt.

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Eine Salmonelle (rot) bringt die Darmzelle dazu, sie mit ihrer Membran zu umschließen und aufzunehmen – hier in 20.000-facher Vergrößerung. Bild: HZI/Manfred Rohde

Kommt nun der Arzt mit einem Antibiotikum um die Ecke, räumen die meisten Salmonellen das Feld. Doch einige von ihnen machen es wie manche Menschen, wenn großer Stress droht: Sie schlafen ihn weg. Für Salmonellen bedeutet das, die Zellteilung runterzufahren und zu warten, bis das Antibiotikum durch ist. Viele Antibiotika töten nur sich teilende Bakterien, und so überdauern die Salmonellen mit dieser Strategie den Giftangriff als Schläferzellen.

Einfach wieder ausspucken

Bakterien der Gattungen Escherichia und Pseudomonas haben andere Tricks auf Lager, um sich vor Antibiotika zu schützen. In ihrer Außenhülle haben sie kleine Pumpen, mit denen sie Giftstoffe aus ihrem Innern befördern können. Das Darmbakterium Escherichia nutzt seine Pumpen eigentlich, um die giftigen Gallensalze des Darms zu beseitigen. Sonst könnten sie sich gar nicht erst dort ansiedeln. Mit Antibiotika machen sie genau das gleiche: Sie spucken sie sozusagen einfach wieder aus.

Der Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa hat neben den Minipumpen noch einen anderen Schutzmechanismus: Er bildet Biofilme. Das sind dichte Kolonien in einem Netzwerk aus Zucker, das die Bakterien selbst um sich herum aufbauen. So schützt sich Pseudomonas vor Angriffen des Immunsystems und kann sogar lange Antibiotika-Therapien überstehen.


Tarnung ist alles

Streptokokken haben ein ganzes Arsenal an Infektionstricks entwickelt: Sie verschanzen sich in Biofilmen, tragen Rüstungen aus Zucker und beseitigen sogar ihre Hinterlassenschaften. Der Scharlach-Erreger Streptococcus pyogenes greift sogar direkt ins Immunsystem ein: Wenn eine menschliche Zelle von ihm infiziert wurde, sendet sie einen Hilferuf in Form eines bestimmten Botenstoffes aus, der Abwehrzellen anrücken lässt. Die Streptokokken besitzen aber eine molekulare Schere, mit der sie den Hilferuf einfach zerstückeln und somit verstummen lassen. Ganz ähnlich machen es auch die allseits „beliebten“ Chlamydien. Sie bekommen beim Eindringen in eine menschliche Zelle eine Art Siegel angehängt, das sie als Müll kennzeichnet. Normalerweise werden sie dann einfach ausgesondert und aufgelöst. Aber auch sie besitzen eine ganz bestimmte Schere, mit der sie das Siegel wieder abschneiden und sich so vor der Müllabfuhr der Zelle verstecken.

Bakterien sind also ganz schön clever, wenn es darum geht, uns zu infizieren. Nur gut, dass die meisten von ihnen friedliche Absichten verfolgen.

Habt ihr Fragen oder Anregungen?

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    Mein neues Sachbuch: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke – ab 14.1.2019

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    Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke Wie MIkroben unseren Alltag bestimmen Neues und Erstaunliches über unsere vielseitigen Mitbewohner (Randomhouse, Autorin: Susanne Thiele, Erscheinungstermin 14.1.2019)

    Es gibt Neuigkeiten aus dem Autorenleben! Mit der Verlagsankündigung bei Randomhouse ist es nun offiziell: Am 14.1. 2019 kommt mein neues Sachbuch heraus – an dem ich gerade noch fleißig einige Kapitel schreibe.

    Es geht natürlich um Mikroben – in unserem Alltag und in unserer nächsten Umgebung. Wer meinem Blog schon länger folgt, hat ab und zu diesen Themen schon etwas gelesen.

    Zum Inhalt:

    Schöner wohnen mit Mikroben

    Wir können sie nicht sehen und doch leben wir mit Milliarden von ihnen zusammen: Mikroben. Sie bevölkern unser Bad, richten es sich kuschelig in unserem Schlafzimmer ein und lassen es sich in unserer Küche schmecken. Wie wir Bakterien, Viren und Pilze erfolgreich in Schach halten und welche uns und unserer Gesundheit sogar nützen, erzählt die Mikrobiologin Susanne Thiele so fundiert wie unterhaltsam.
    Mit vielen nützlichen Tipps für die richtige Hygiene im Alltag.

    Susanne Thiele (Autorin)

    Susanne Thiele, geboren 1970, ist Mikrobiologin und Wissenschaftsjournalistin. Wenn sie keine Sachbücher schreibt, leitet sie die PR-Abteilung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig, schreibt für Zeitungen und Journale oder auf ihrem Blog »Mikrobenzirkus«.

    Alle Infos auf der Verlagsseite:
    Randomhouse: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke

    Mikrobiologische Grüße

    Susanne

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      Ist meine Katze eine Keimschleuder?

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      Stubentiger haben viele positive Seiten – können aber auch einige Parasiten, Pilze und multiresistente Keime auf ihre Halter übertragen. (Foto: S. Thiele)

      Ich bin nebenberuflich Dosenöffnerin für einen ziemlich cleveren schwarz-weißen Kater namens „Kasper“. Wir Katzenliebhaber teilen eine Menge mit unseren Stubentigern – unser Heim, unser Essen und manche sogar ihr Bett.

      Vielen Katzenhaltern ist aber nicht klar, dass mit dem tierischen Mitbewohner auch immer ein Risiko – an Krankheiten zu erkranken – einzieht. Die Vierbeiner können viele Parasiten, Pilze oder multiresistente Keime auf den Halter übertragen.

      Im Normalfall sind gesunde Menschen nicht gefährdet, wenn die Tiere angemessen versorgt und die Hygieneregeln eingehalten werden. Das Risiko besteht eher für kleine Kinder bis zu 5 Jahren, kranke oder älteren Menschen ab 65 Jahren und Schwangere (Studie im Canadian Medical Association Journal 2015)

      Tiere senken Allergie-Risiko

      Zuerst mal die Vorteile: Im Allgemeinen wirken sich Haustiere sogar eher sehr positiv auf unsere Gesundheit aus. Vermutet werden ein Schutz vor Allergien und Atemwegsinfektionen bei Kleinkindern, die z.B. in Haushalten mit einem Hund leben. Es ist bekannt, dass Kinder, die auf einem Bauernhof von klein an aufgewachsen sind und immer Kontakt zu Tieren hatten, selten an Allergien erkranken.
      Von der aufhellenden Wirkung auf unsere Psyche ganz zu schweigen. Nichts entspannt so sehr, wie eine schnurrende, vibrierende Samtpfote auf dem Schoß. Aber sie können eben auch ein paar unschöne Begleiter mitbringen.

      Jeder zweite Katzenbiss entzündet sich

      Capnocytophaga_canomorsus

      Der Erreger Capnocytophaga canimorsus wird durch Katzen übertragen (Quelle: 2004 Dennis Kunkel Microscopy, Inc.)

      Viele Erreger werden durch Katzenbisse oder Kratzer übertragen. Katzen beißen nicht grundlos. 90 Prozent aller Katzenbisse sind Folge einer Provokation schreiben zwei amerikanische Wissenschaftler in den „Archives of Internal Medicine“. Das tückische an Katzenbissen: der Keimcocktail in der Mundflora einer Katze gehört zu den aggressivsten im Tierreich. Die Bakterien-Mixkultur kann von Staphylokokken oder Meningokken reichen. Zu den gefährlichsten Vertretern gehört dabei Capnocytophaga canimorsus, den das Immunsystem nicht erkennt und der bis zum Tode führen kann. Mit den spitzen Zähnen dringen die Keime sehr tief ins Fleisch. Die kleinen Wunden bluten kaum und verschließen sich sehr schnell wieder. Die Bakterien werden regelrecht eingeimpft. Sind Knochen, Sehnen oder Gelenkkapseln getroffen, toben die Erreger auch im Knochenmark. Eine lebensbedrohliche Sepsis droht.
      Katzenbisse sollte man deshalb immer sofort ärztlich versorgen lassen und nicht erst bis zum nächsten Morgen warten, bis sich eine dicke Schwellung gebildet hat. In der Arztpraxis wird die Wunde geöffnet und ausgewaschen. Mit einem Antibiotikum ist dann in 1-2 Wochen alles überstanden.

       

      Toxoplasmen von der Mäusejagd

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      Katzen können Toxoplasma gondii übertragen „Toxoplasma gondii“. Licensed under CC BY 2.5 via Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Toxoplasma_gondii.jpg#/media/File:Toxoplasma_gondii.jpg

      Der Einzeller Toxoplasma gondii kann durch Katzen übertragen werden. Dabei ist eine direkte Infektion aber selten. Viel häufiger gelangen die Gewebezysten durch zu kurz gekochtes Schweinefleisch in den Menschen. Auch Mäuse und Ratten werden als gern als Zwischenwirte genutzt – als typisches Katzenfutter.
      Eine Ansteckung beim Menschen ist bei ungenügender Hygiene z.B. bei Reinigung des Katzenklos möglich. Schwangere und ungeborene Kinder sind besonders gefährdet. Der Erreger wird über die Plazenta auf den Fetus übertragen. Fehl- oder Totgeburten oder Behinderung bei Babys sind keine Seltenheit.
      Bei Erwachsenen sind Milz- oder Leberbeschwerden sowie Herzmuskelerkrankungen möglich. Bei einer regelmäßigen Reinigung des Katzenklos ist die Übertragung unwahrscheinlich, da die mit dem Kot ausgeschiedenen Oocysten erst ein bis fünf Tage infektiös werden. Wer also routinemäßig täglich das Katzenklo reinigt, wird sich kaum infizieren. Hauskatzen, die keine Mäuse jagen, sind dagegen praktisch nie infiziert.

       

      Vorsicht beim Knuddeln

      Neben Würmern und Flöhen übertragen Katzen auch noch weitere Bakterien, z.B. wurde Helicobacter heilmannii nachgewiesen, eine Abart des vom Menschen bekannten Gastritis-Erregers – beteiligt an der Entstehung von Magengeschwüren.
      Auch Bakterien der Gattung Burkholderia heilmannii, Auslöser einer Erkrankung namens „Rotz“ wurden bei Hunden und Katzen beobachtet. Eine Ansteckung ist auch für den Menschen möglich und führt häufig zum Tode.
      Durchfall kann ebenfalls ursächlich auf unseren Stubentiger zurückgehen. Katzen können den Keim Campylobacter jejuni verbreiten. Auch die Übertragung verschiedener Bartonella-Bakterien, die Fieber und schwere Entzündungen hervorrufen, ist bekannt.
      Salmonellen werden ebenfalls durch Katzen durch rohes Fleisch oder Trinken aus abgestandenen Wasser in Pfützen aufgenommen und verbreitet. Sogar resistente Erreger, wie ESBL (Extended Spektrum ß-Lactamase produzierendes Escherichia coli) und MRSA (Methicillin – resistenter Staphylococcus aureus) wurden schon nachgewiesen. Das Bakterium Clostridium difficile kann sogar in beide Richtungen Katze – Halter und zurück übertragen werden.
      Auch Tollwutgefahr besteht! Die Erkrankung kann durch Rhabdoviren ausgelöst werden, die durch einen Biss, Kratzer oder schon vorhandene Läsionen in den Körper eindringen. Eine Ansteckung zeigt sich durch Unruhe, Kopfschmerzen und Lähmungen. Unbehandelt kann sie nach 4-10 Tagen zum Tode führen.

      Mehr Hygiene nötig – wenn die Katze ins Bett darf

      Ansonsten hinterlässt die Mieze zwischen den Federbetten außer dem Haaren und Dreck aus dem Fell auch noch ein paar Parasiten, wie Würmer, Flöhe oder Pilze. Über Flohbisse kann sogar Yersinia pestis in den Katzenkörper gelangen. Solche Tiere sind aber schwer krank. Trotzdem konnten in Einzelfällen schon menschliche Pestinfektionen durch Katzen beobachtet werden. Sehr viel häufiger löst die Katze aber Hauterkrankungen aus, etwa bei Befall mit Dermatophyten, Flöhen oder Milben.

      Prinzipiell spricht laut aktueller Meinung der Experten aber nichts dagegen, wenn Dein Stubentiger am Fußende des Bettes schlafen darf. Dementsprechend ist die Bettwäsche aber häufiger zu wechseln (empfohlen wöchentlich).

      Positive Aspekte der Stubentiger überwiegen

      Generell halten die Experten eine Hauskatze jedoch für wenig gefährlich. Beherzigt man einfache Prophylaxe-Maßnahmen wie Hände waschen vor dem Essen, Handschuhe bei der Gartenarbeit tragen (alter Katzenkot), täglich das Katzenklo reinigen und sorgt dazu noch dafür, dass die Mieze regelmäßig geimpft und entwurmt wird, ist das Übertragungsrisiko gering.

      Regeln für den vierbeinigen Hausgenossen auf einen Blick:

      1. Hygiene! Regelmäßig Händewaschen nach Tierkontakt
      2. Tägliche Reinigung der Katzentoilette mit Handschuhen
      3. Regelmäßiger Check beim Tierarzt (Impfen, Parasiten)
      4. Katzennäpfe etc. nicht in Küche oder Bad reinigen
      5. Beim Gesicht ablecken – Stelle mit Wasser und Seife reinigen
      6. Kein Haustier bei schwer erkrankten, immungeschwächten Menschen

       

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      Quellen:

      Übersichtsartikel im „Canadian Medical Association Journal“