Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co


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Heute back ich, morgen brau ich – Geschichten über Hefen

Weihnachten, Plätzchen, Feuerzangenbowle…Unterhalten wir uns doch einmal über eine weitere wichtige Gruppe von Mikroorganismen, die unsere Speisekammer bereichert – die Hefen – die Bereiter von Brot und Wein. Hefe wird den meisten unter euch wahrscheinlich in Form eines Würfels Bäckerhefe aus dem Supermarkt bekannt sein. Doch Hefen befinden sich ganz natürlich überall an unseren Händen, auf Pflanzen oder auch im Fruchtsaft oder gärendem Obst.

Saccharomyces cerevisiae CC BY-SA 3.0

Unter dem Mikroskop sind die Hefen als eiförmige Zellen sichtbar mit einem Durchmesser von bis zu zehn Mikrometern und einem Zellkern. Um nur ein Gramm Hefe zu haben, braucht es immerhin 20.000.000.000 dieser Zellen. Die Pilze werden auch als Sprosspilze bezeichnet, weil sie sich durch die so genannte Knospung vermehren und neue Tochterzellen bilden. Am geläufigsten ist die Bäckerhefe oder Saccharomyces cerevisiae.
Der Name leitet sich aus dem griechischen Wort für »Zuckerpilz« und der lateinischen Bezeichnung für Bier ab. Das sagt auch schon sehr viel über den besonderen Stoffwechsel dieser Pilze aus. Sie sind nämlich in der Lage, Zucker zu verstoffwechseln.

Beim Abbau von Zucker produziert die Hefe Alkohol und ein Gas, das Kohlendioxid. Dieser Stoffwechselweg wird als alkoholische Gärung bezeichnet, was äußerst amüsant in dem Film »Die Feuerzangenbowle« gezeigt wird. Ihr wisst schon:

»Jeder nor einen wönzigen Schlock«.

Bäckerhefe mit langer Geschichte

Die Einzeller stellen die wichtigsten Organismen dar, die von uns Menschen in der Lebensmittelherstellung seit langer Zeit eingesetzt wurden. Die Ursprünge des Alkohols sind dabei unbekannt: Zwar wies der Anthropologe Patrick E. McGovern schon Alkoholspuren aus einer Mischung aus Reis, Honig und Früchten auf 9000 Jahre alten Tonscherben in einer jungsteinzeitlichen Siedlung in China nach. Wahrscheinlich hat aber der Mensch den Alkohol gar nicht erfunden. Interessanterweise sind nämlich alle Wirbeltierarten mit einem Leberenzymsystem ausgestattet, welches Alkohol abbauen kann.

Tierische Saufnasen

Das Spitzhörnchen Ptilocercus lowi mag durch Hefen vergorene Früchte besonders gern. (Joseph Wolf (1820 – 1899) – Proceedings of the Zoological Society of London, 1848, Mamm. pl. 2)

Viele Tiere nehmen schließlich in ihrer natürlichen Umgebung Alkohol auf.
Eine richtige kleine »Saufnase« ist das Federschwanz-Spitzhörnchen Ptilocercus lowii im malaysischen Regenwald. Als lebender Vorfahre der Primaten hat das Spitzhörnchen den zu Alkohol fermentierten Nektar in den Blütenknospen der Bertrampalme (Eugeissonia ztistis) als Delikatesse entdeckt, der dort von einer Gemeinschaft von Hefen produziert wird. Gleichzeitig erfüllt es dabei die lebenswichtige Aufgabe, die Palme zu bestäuben. Das bekommt es trotz der 3,8 Prozent Alkohol im vergorenen Blütennektar auch noch gut hin: denn bemerkenswerterweise zeigen die Spitzhörnchen keine Anzeichen von Trunkenheit. Auch Elefanten, Affen und Flughunde lieben Alkohol aus vergorenen Früchten. Der Suchtforscher Ronald Siegel beschreibt ganze Menagerien aus Dschungeltieren, die sich über Kilometer in Bewegung setzen, sobald der verlockende Duft gärender Stinkfrüchte wahrzunehmen ist . Daher ist auch anzunehmen, dass auch unsere menschlichen Vorfahren schon lange sehr genau wussten, wo sie solche Dschungelgelage feiern konnten oder wo sie spezielle Früchte, Wurzeln oder Knollen sammeln konnten – lange bevor sie Wein in Fässern ansetzten.

Flüssiges Brot und die „Brotesser“ vom Nil

Pyramiden-Komplex des Khefren von Uvo Holscher [Copyrighted free use], via Wikimedia Commons

Hefe wurde bereits in der Antike zur Bierherstellung genutzt – damals aber eher noch unter weniger kontrollierten Bedingungen und mit so genannten »wilden« Hefen, die in der Natur zu finden sind. Die von den Hefen produzierten Stoffwechselprodukte lassen beim Backen den Teig aufgehen und verhelfen Getränken zum Alkoholgehalt. Schon die Phönizier brauten als Erste unter Zugabe dieses Pilzes ihr Bier. Die Ägypter entdeckten Bäckerhefe wahrscheinlich durch Zufall für die Herstellung von Brot, das durch die Besiedelung von Sauerteig durch Hefepilze wesentlich aromatischer und luftiger wurde als die bis dahin hergestellten herkömmlichen flachen Fladenbrote. So entwickelte sich sich Backen und Brauen in der Menschheitsgeschichte gemeinsam. Es ist daher durchaus legitim vom Bier, als »flüssigem Brot« zu sprechen.

A funerary model of a bakery and brewery, dating the 11th dynasty, circa 2009-1998 B.C. Painted and gessoed wood, originally from Thebes. By Keith Schengili-Roberts (Own Work (photo)) [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Zwei große Erfindungen haben das Brotbacken entscheidend verändert. Die eine war der Bau von Backöfen, damit Brote erstmals gleichmäßig durchgebacken wurden. Vorher wurde Getreidebrei einfach zu einem Fladen getrocknet oder auf einem heißen Stein gebacken – so konnte er als Snack mitgenommen werden. Die zweite wichtige Erfindung war die Wirkung von Hefen.

Überliefert ist eine Anekdote dazu: »Eine Sklavin im alten Ägypten hatte etwas Getreidebrei vergessen und ihn in der Sonne stehen lassen. Nachdem er zu gären begann, bekam sie einen großen Schreck wegen der Verschwendung und buk diesen Fladen doch noch. Er blähte sich aber beim Backen auf und so hatte sie erstmals in der Geschichte ein aufgegangenes Brot gebacken.«

Ob sich wirklich den Ägyptern die Erfindung des Sauerteigs zuschreiben lässt, lässt sich nicht eindeutig sagen. Diese zufälligen Begebenheiten wurden an vielen Orten gleichzeitig beschrieben. Damit ist in der Geschichte der Übergang vom ungelockerten Fladen zum fluffigen Brot entstanden. Gewonnen wurde die Hefe bei den Ägyptern meist durch Abschöpfen von obergärig gebrautem Bier. Dadurch hatte die Hefe damals natürlich noch nicht die Reinheit, wie wir sie von heutigen Backhefen her kennen. Mehr als 30 Brotsorten kneteten die Ägypter schon aus ihren gegorenen Teig, was den Menschen am Nil den Spitznamen »Brotesser« einbrachte. Sie gaben das Verfahren, nach dem die Hefe beim Bierbrauen gewonnen und schließlich zur Herstellung von Broten genutzt wurde, an die Griechen weiter. Von diesen wiederum lernten die Römer.

Über 300 Brotsorten in Deutschland

Vielfältige Brotsorten (CC0 Creative Commons)

Ab dem Mittelalter stellten die Menschen schließlich auch Backwaren aus anderen Teigmischungen her – unter Zugabe von Backhefe und verbesserten kontinuierlich die Methoden. Die Gärung als chemischer Prozess ist auch Namensgeber für unser Brot. Der Begriff stammt vom altdeutschen »prôt« ab, was soviel heißt wie »Gegorenes«. Irgendwann wurden die Hefen, die bei den Bierbrauern und Schnapsbrennern anfielen, einfach an die Bäckereien weiterverkauft. So änderte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend die Heferasse in den Brauereien von obergäriger zu untergäriger Hefe, welche aber für die Bäckereien nur schlecht einsetzbar waren. Daher begannen die Bäcker Hefen zu kultivieren, die speziell zum Backen geeignet sind.

Mittelalterliches Monatsbild (Dezember) aus einem Kalendarium: Ein Bäcker schiebt Brot in den Backofen.   (Quelle: Wikimedia, Gemeinfrei)

Heute wird die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae bei der Herstellung beinahe aller Brot- und Brötchensorten sowie von traditionellem Kuchen mit Hefeteig zur Teigauflockerung verwendet. Während der Teig »geht«, entsteht durch alkoholische Gärung das Gas Kohlendioxid, welches sich fein im Teig verteilt und dessen Volumen beträchtlich vergrößern kann. Das entstandene Ethanol wird beim anschließenden Backprozess, zu dessen Beginn die Hefe auf Grund der hohen Temperaturen abstirbt, verdampft.

In Deutschland gibt es heute etwa über 300 Brotsorten. Das liegt einmal an dem weiten Weg den die Kunst des Brotbackens von Ägypten über Griechenland bis zu den Römern zurücklegte – jeder entwickelt die Technik etwas weiter und erfand neue Rezepte. Ein weiterer Grund für die Vielfalt der Brotsorten ist die Tatsache, dass Deutschland im späten Mittelalter einem Flickenteppich unabhängiger Städte und Herzogtümern glich. Innerhalb dieser engen Grenzen entwickelten sich eigene Gebräuche und Sitten und dazu passende Brotsorten. Aber zurück in unsere heimische Küche und Speisekammer.

Zum Ausprobieren – Leckeres Sauerteigbrot

Ein mikrobiologisches Brotexperiment, welches ihr sehr gut zu Hause probieren können, ist das Backen eines Sauerteigbrotes. Heraus kommt ein besonders unvergleichlich knuspriges und duftendes Brot mit einem sehr aromatischen Geschmack. Obendrein es billig, sehr gesund und länger haltbar als normale Brote.

Sauerteigbrot aus Roggenschrot (S. Thiele)

Ein Sauerteig ist ein kleines Wunder der Natur. Dazu mischt ihr einfach Mehl und Wasser zu gleichen Teilen und lasst alles an einem warmen Ort stehen – 26 bis 28 Grad gelten als perfekt. Dann fängt der Ansatz buchstäblich an zu leben und zu blubbern. (Rezept zum Ansetzen) Auf Basis der ganz einfachen Wasser-Mehl-Mischung entsteht durch die Arbeit unzähliger Mikroorganismen ein besonderes schmackhaftes Brot. (Link zum Rezept)
Im Sauerteig reichern sich Milchsäurebakterien, Essigsäurebakterien und Hefen an. Sie sind alle schon vorhanden – im Mehl, auf Deinen Händen, in der Luft. Sie haben im Sauerteig eine wichtige Arbeitsteilung. Die Milchsäurebakterien und Essigsäurebakterien sind für den Geschmack verantwortlich und produzieren Milch- oder Essigsäure und schaffen damit die wohnlichen Bedingungen für die wilden Hefen, die den Zucker aus der Stärke zu Kohlendioxid und etwas Alkohol umbauen. Am besten gelingt das Ganze mit Vollkornmehl, weil in den Schalen des Korns mehr Hefen sitzen. Im Sauerteig kommen vor allem die Hefen Saccharomyces cerevisiae, Pichia saitoi, Candida crusei und Torulopsis holmii vor. So entsteht ein natürliches Triebmittel zum Backen.
Etwas Pflege und Zuwendung braucht so ein Sauerteig schon, um uns über Wochen, Monate oder gar Jahre zu begleiten. Er möchte regelmäßig wöchentlich gefüttert und an einen warmen Ort gestellt werden. Da wundert es nicht, dass manche Hobbybäcker ihren Sauerteig mit der Zeit wie ein Haustier liebgewinnen und ihm einen Namen geben.

Geburt meines Sauerteigs mit dem Namen „Clint Yeastwood“ (S. Thiele)

Der Engländer Tim Hayward zum Beispiel nennt seinen Sauerteig in seinem Buch »Hausgemacht« (Dorling Kinderlsey) ganz liebevoll »Lt. Ripley«. So heißt die von Sigourney Weaver in »Alien« gespielte Astronautin, die wie der Sauerteig die Zeit zwischen den Einsätzen im Tiefkühlfach liegt – bereit, »jederzeit wiederbelebt zu werden, wenn sie gebraucht wird«. Mein Haustier heißt übriges „Clint Yeastwood“ (Yeast = englisch für Hefe).
Wer seinen geliebten Sauerteig nicht einfrieren möchte, kann ihn in Schweden sogar in Pflege geben – quasi in einem Brothotel, wenn ihr selbst auf Reisen geht. Allerdings schlafen die Teige nicht in flauschigen Betten, sondern in Regalen der Bäckerei RC Chocolat, die direkt am Stockholmer Flughafen sitzt. Skurril aber wahr.

San Francisco Sourdough – ganz spezielle Sauerteige

Jeder Sauerteig ist durch seine ganz spezielle regionale und persönliche Kombination seiner Mikrobenwohngemeinschaft etwas ganz Einzigartiges und verleiht dem Brot sein spezielles Aroma. So gibt es Geschichten über eine Münchner Bäckerei mit einem berühmten Sauerteig, die den Umzug nach Berlin nicht verkraftete – die Berliner Luft und alles was darin lebt verlieh dem Brot einfach einen ungewohnten Geschmack.

… San Francisco – Fisherman’s Wharf: Boudin Bakery & Café | by wallyg

Manchmal werden aber gerade dadurch regionale Spezialitäten geschaffen – wie das »San Francisco Sourdough Bread«, für welches die goldene Stadt neben ihren Straßen berühmt ist. Der Goldrausch zog viele Glückssucher an, wie auch die französische Bäckersfamilie Boudin, die 1849 eintraf. Isidore Boudin verwendete natürliche aus der Luft eingesammelte Hefen und Bakterien zum Brotbacken, aber im Klima San Franciscos kam ein ganz anderes Brot dabei heraus als in Frankreich. Eine völlig neue Brotsorte aus Weizenmehl war geboren: Der »Lactobacillus San Francisco« und die spezielle Hefe Candida humilis produzieren dank des in der Bay herrschenden feuchten und milden Ostseeklimas einen besonders schmackhaften und würzigen Sauerteig.

Clam Chowder in Sourdough Bread Bowl from Boudin (Fisherman’s Wharf. Thiele)

Dieser Sauerteig ist heute schon etwa 160 Jahre alt und die Boudin Bakery an der Fisherman’s Wharf (160 Jefferson St) mit ihren Sauerteigbroten in Tierform gehört heute zu den gastronomischen Highlights San Franciscos.

Aber wer sagt denn, dass nicht auch ihr eine lokale und gesunde Spezialität kreieren könnt mit eurem heimischen Mikrobenmix – ein eigenes Brot abseits des allgemeinen »Einheitsbreis«?
Spätestens der internationale Tag des Sauerteigs am 1. April ist ein guter Tag, um zu beginnen. Das ist kein Scherz. Denn an diesem Tag kommt Sauerteig von früh bis spät auf den Tisch – Rezepte zur Inspiration gibt es genug. Das wäre doch schon ein neues Vorhaben für 2019!

Ich wünsche euch fröhliche Weihnachten!

Mikrobiologische Grüße

Susanne

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    Die Erfindung des großen Gärens (Fermentation Teil 1)

    Bakterien und Pilze sind die Ordnungspolizei der Natur. Sie haben die gute Angewohnheit, alles aufzuräumen. Sie zersetzen organische Materialien und sorgen dafür, dass sie nicht einfach in der Gegend herumliegen bleiben, sondern in ihre Bestandteile aufgelöst werden und wieder als Nährstoffe zur Verfügung stehen. Nichts anderes passiert auch bei Lebensmitteln, die an den Punkt der Gärung ohne Sauerstoff kommen und dadurch erst ihren besonderen Geschmack oder ihren genießbaren Zustand erhalten.

    Die Fermentation – wie die Gärung auch »auf schlau« bezeichnet wird – ist eigentlich gar keine menschliche Erfindung. Durch die Allgegenwart der kleinen Lebensformen – der Bakterien, Pilze und Hefen – waren schon die prähistorisch-fermentierten Lebensmittel ganz natürliche Phänomene, die wir Menschen nur beobachtet, untersucht und dadurch später kultivieren und beherrschen lernten. Das Prinzip heißt »kontrollierter Verfall« – wenn Nahrungsmittel im Warmen stehen gelassen werden, beginnt eine Transformation: Bakterien, Schimmelpilze und Hefen können dafür sorgen, dass die Nahrung verdirbt – sie können sie unter Umständen aber auch haltbar machen, ihren Geschmack oder die Inhaltsstoffe veredeln.

    Die Geburtsstunde der Fermentation

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    Als wir Menschen sesshaft wurden, bekam noch etwas anderes eine viel wichtigere Bedeutung. Getreide und Milchprodukte für die kommende Zeit einzulagern, war ein praktischer Weg, um sich nicht täglich um ihre Beschaffung zu sorgen. So wurden clevere Strategien nötig, um die Lebensmittel für später zu konservieren.
    Dazu kam noch der Wechsel der Jahreszeiten. Anders als in den Tropen wächst in der gemäßigten Klimazone nicht immer irgendetwas. Die Vegetation legt knapp die Hälfte des Jahres eine entspannte Ruhepause ein. Es ist nicht nur dunkel und kalt – es wächst auch kaum etwas. Trotzdem werden Essen und Vitamine weiterhin dringend gebraucht.

    Heute ist das mit Schiffen und Flugzeugen recht einfach. Frisches Gemüse wird aus anderen Regionen der Welt schnell hierher transportiert. Die Konservendose wurde erst im 19. Jahrhundert erfunden und brauchte einige Jahrzehnte ehe sie überhaupt akzeptiert wurde. Wer wollte schon an einer Bleivergiftung sterben?
    Heute sind wir dank Kühlschrank und Tiefkühltruhe seit den 50 bis 80er Jahren recht unabhängig. Unsere Vorfahren müssten noch andere Techniken entwickeln, um ihre Lebensmittel über den Winter oder lange Schiffsreisen haltbar zu machen oder die Ausbeute von erfolgreichen Jagd – oder Fischzügen vor dem Verfall zu sichern.
    Viele Methoden entstanden: pökeln, einlegen, einkochen, dörren, kandieren – oder eben das Fermentieren mit Mikroorganismen. So ist die Entwicklung der fermentierten Lebensmittel mehr als nur eine kulinarische Erfindung.

    Der Zufall kam zu Hilfe

    Die meisten Vergärungsmethoden wurden wohl ganz zufällig entdeckt. Die daran schuldigen Mikroben sind überall in unserer Umwelt zu finden. Sie ernähren sich von den Zuckern nährstoffreicher Pflanzen oder tierischer Produkte.

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    Naturjoghurt © fotolia Fotograf: ji_images

    Wer als Mikrobe zuerst im Milchtopf siedelt, verteidigt sein Territorium mit chemischen Kampfstoffen gegen Konkurrenz und schützt die Lebensmittel dadurch gleichzeitig vor dem Verderben. Zur Verfügung stehen dem Mikroorganismen dabei antimikrobielle Peptide, Milch- oder Essigsäurevarianten und Alkohole – alles Substanzen, die die Lebensmittel haltbar machen und für Menschen in gewissen Maße genießbar und zum Teil sogar sehr lecker sind. Geraspelter Kohl und Milch werden schnell sauer, Früchtekompott vergärt – aber sie werden nicht zu etwas abstoßenden Ungenießbaren – sondern zu schmackhaftem Sauerkraut, gesunder Buttermilch oder wunderbarem Wein.

    Überall auf der Welt hat der Mensch versucht, nahezu alles Essbare zu fermentieren – von Gemüse und sogar Tierhäuten im Sudan bis hin zu Fischköpfen in der Arktis. Wahrscheinlich gibt es keine Kultur auf der Erde, die nicht irgendeine Form der Fermentierung oder Vergärung ausübt. Manche Gärprodukte sind sogar das zentrale Element der meisten Küchen oder uralte Rituale. Nach manchen Schätzungen wird bis zu einem Drittel aller von Menschen verzehrten Lebensmittel vorher fermentiert .

    Es ist sehr interessant, dass wir im selben Zuge von »Kultur« (lateinisch cultura = Ableitung von colere – »den Acker bestellen«) sprechen, wenn wir eine Bakterienkultur meinen, mit der wir einen Joghurt oder Gärprozess starten können – aber den Begriff gleichzeitig auch für etwas wie Musik, Literatur, Sprache, wissenschaftliche Erkenntnisse oder kulinarische Techniken und alte Familienrezepte verwenden.
    Viele Auswanderer überquerten Kontinente und Ozeane – ihr Hab und Gut war nur das, was sie tragen konnten. Häufig brachten sie aber gerade Sauerteigkulturen zum Brotbacken oder andere Starterkulturen mit oder zumindest das Know-How und ihre erprobten Methoden der Fermentierung.

    Von Krautbräuten und Fermentos  – Comeback der Fermentierens

    Meine beiden Großmütter haben noch ganz selbstverständlich Gemüse milchsauer eingelegt, Buttermilch eindicken lassen oder mit Sauerteig gebacken. Im Gegensatz dazu haben heute viele Menschen große Angst, Lebensmittel außerhalb des Kühlschranks zu lagern. Sie wurden dazu erzogen, Bakterien und Pilze als gefährliche Krankheitserreger zu sehen und die Kältetechnik als eine absolute Notwendigkeit im Haushalt.
    Aber das Blatt wendet sich gerade: selbst fermentierte Lebensmittel sind wieder einer der heißesten Food-Trends, der seit einigen Jahren aus den gesundheitsbewussten Küchen von New York, San Francisco und Portland herüberschwappt. Fermentation gilt als der aktuelle Gegentrend zum sterilen Standardlebensmittel. Ganz langsam haben sich die alten Methoden wieder eingeschlichen in die Hipster-Küchen und Food Blogs. Sauerkraut blubbert in Gärtöpfen, Salami und Käse reifen in den Kellern und vielerorts wird sogar Bier gebraut.

    Ich selbst gehöre auch schon seit einigen Jahren zu den sogenannten »Fermentos«. In meiner Küche stapeln sich die Bügelgläser und ich bin stolze Hüterin verschiedener Kulturen von Kefir über Kombucha bis zum selbst angesetzten Sauerteig. Als ich vor Jahren im Bekanntenkreis über meine ersten Fermentierversuche erzählte, wurde zuerst einmal abgewunken: »Aber das ist ja uralt und langweilig – Sauerkraut und Co! «. Aber es gibt so viel mehr Gemüse zu entdecken, welches sich gut fermentieren lässt:  etwa Gurken, Fenchel oder Karotte und Ingwer. Der Fantasie und Experimentierfreude sind dabei keine Grenzen gesetzt.

    Ich sage nur »Kimchi«

    Die koreanische Variante des Sauerkrauts – ist für viele die Einstiegsdroge zum Fermentationshobby. Das gesunde Kraut ist in Korea von nationalem Interesse. Fast jede koreanische Familie hat ihr eigenes Geheimrezept für den scharfen Chinakohl mit Chili – über 300 Rezepte gibt es in den unterschiedlichen Regionen. Wenn der Winter bevorsteht, beginnt die  »Kimjang«, die traditionelle Saison für die Kimchi-Zubereitung, die sogar 2013 in die Unesco-Liste für immaterielles Kulturerbe aufgenommen wurde. Sauerkrautstampfen mit Tanzmusik ist sogar szenetauglich, wenn alle zusammen Kohl schnippeln. So geschehen in Berlin zum »Sauercrowd« einem kulinarischen Flashmob, bei dem eine halbe Tonne Weiß- und Rotkohl in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg zu Sauerkraut verarbeitet wurde. Der Berliner Hipster kommt nicht am selbstgemachten Ruby-Sauerkraut zum Sliced Pork Tongue-RyeBread Sandwich vorbei! Aber selbst hier in Braunschweig haben die Schnippel-Partys Einzug gehalten. Na dann guten Appetit!

    Kimchi

    KImchi-Workshop im Gemeinschaftsgarten Bebelhof Braunschweig (Foto: Susanne Thiele)

    Die vergorenen Produkte sind für uns vor allem attraktiv durch ein kräftiges und komplexes Aroma. Wissenschaftlich werden diese herzhaften Geschmackseindrücke umami genannt – das ist der sogenannte fünfte Geschmackssinn neben salzig, bitter, süß und sauer. Er wird durch die Veredlungsprozedur beim Fermentieren stärker, weil sich im durch die Mikroorganismen Vergorenen mehr Glutaminsäure und andere natürliche Geschmacksverstärker bilden.
    Die Mikroben sorgen bei beispielsweise Käse oder Chorizo für eine besondere Geschmacksdichte, indem sie Zucker in Säuren und Alkohole umbauen und sonst geschmacksneutrale Makromoleküle, wie Stärke, Proteine und Fette – in ihre Kernkomponenten zerlegen, also in Zucker, Aminosäuren und Fettsäuren. Alle diese Bausteine haben einen Eigengeschmack und dienen als Vorstufe anderer kleiner Moleküle, die unsere Geschmacks- und Geruchsnerven reizen. Auch die in der Nahrung selbst enthaltenen Enzyme tragen speziell zur Aromatisierung bei – umso mehr, je mehr Zeit ihnen die Mikroben mit Konservierungsmaßnahmen verschaffen.

    Ab einem bestimmten Punkt geht mir das dann auch zu weit: Hart auf der Kippe zwischen unappetitlich überreif oder wirklich verdorben balancieren solche Spezialitäten wie der chinesische Stinktofu oder der schwedische Surströmming. Dieser in der Konservendose fermentierte Hering, der die Dose wölbt, ist ein olfaktorisches Erlebnis, das den stärksten Mann umhaut – nur etwas für echte Fans oder in jedem Fall eine Frage der Gewöhnung und der eigenen erlernten Familienkultur.

    Aber auch das unvergleichliche Aroma von Schokolade, Vanille oder Kaffee verdanken wir ebenfalls nur den Fermentationsprozessen von Mikroorganismen, die den bitteren Bohnen oder den Vanilleschoten den Geschmack verleihen, den wir so lieben.

    Wer sind nun die Miniköche, die unsere Nahrung so köstlich machen? An der Fermentierung von Lebensmitteln sind eine ganze Reihe von unterschiedlichen Keimen beteiligt. Die Mikroben arbeiten entweder alle gleichzeitig oder gedeihen nacheinander und schaffen sich gegenseitig gute Bedingungen – sozusagen ein echtes mikrobiologisches Teamwork.
    Die größte Gruppe sind die Milchsäurebakterien, die am Reifungsprozess erstaunlich vieler unserer Leibspeisen beteiligt sind – unter anderem Joghurt, Käse oder auch sahniger Crème fraǐche, Sauerkraut, Dauerwürsten oder asiatischen Fischsoßen. Die zweiten Hauptdarsteller im »Fermentierungstheater« sind die Hefen, vor allem Verwandte unserer Bäckerhefe Sacharomyces cerevisiae, die Alkohol und Kohlendioxid aus Fruchtsäften und anderen zuckerhaltigen Maischen produzieren und für Bier und Wein sorgen. Zur dritten Gruppe gehören die Spezialisten aus dem Reich der Schimmelpilze, die Alkohol bilden, Salami und Käse veredeln oder biotechnologische Wunder vollbringen können.

    In einer lockeren Folge möchte ich euch hier im Blog die guten Hausgeister vorstellen, die unser Essen lecker und gesund machen. Die Fermentation ist aber ein sehr weites und vielfältiges Feld, daher muss ich mich auf einige ausgewählte Mikroorganismen beschränken, mit denen ihr sogar selbst zuhause fermentieren könnten.

    Literatur zum Weiterlesen:

    • Sandor Katz:  Art of Fermentation, Verlag  INGRAM INTERNATIONAL INC 2013
    • Heiko Antoniewicz, Michael Podvinec, Thomas Ruhl: Fermentation, 256 S., Fackelträger Verlag Köln 2015

    Mikrobiologische Grüße

    Susanne

     


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    Korsisches Kastanienbier Pietra – Was ist untergärig?

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    Korsisches Kastanienbier Pietra Quelle: Thiele

    Der Juli ist schon wieder vorbei und damit meine Sommerpause. Für den „Mikrobenzirkus on Tour“ war ich diesmal in Korsika unterwegs und habe natürlich wieder ein neues mikrobiologisches Souvenir mitgebracht. Diesmal ein ganz besonderes Bier – das direkt aus Korsika stammende Pietra à la Châtaigne (oder auch Pietra Ambrée).

    Pietra ist ein untergäriges Bier – dazu später für die Mikrobiologie-Nerds noch etwas mehr. Zuerst einmal gibt es noch Interessantes zur Entstehungsgeschichte dieses Bieres zu erzählen.

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    Geröstete Maronen Quelle: Thiele

    Das Besondere an Pietra ist, dass hier neben der Mischung verschiedener Malze auch korsisches Kastanienmehl die Grundlage für die Maische bildet. In Korsika werden für regionale Spezialitäten gern Maronen, also Esskastanien, verwendet z. B. für Gebäck oder Brotaufstrich.

    Die Kastanien für Pietra-Bier stammen aus dem Kastanienwald aus der Region Castagniccia, der mit über 1000 Höhenmetern zu den schönsten und höchstgelegenen in Europa gehört. Die Wälder sind über die steinigen Wege sehr schlecht zugänglich. Deshalb werden die Kastanien angeblich mit Eseln zur Brauerei transportiert.

    Kein Bier auf Korsika

    Die Bierbraukunst schaut in Korsika übrigens nur auf eine sehr kurze Geschichte zurück. Erst seit 1995 wird dort Bier gebraut. Wieso das? Der gebürtige Korse Dominique Sialelli kam durch erst einen Zufall auf die Idee zur Gründung einer Brauerei. Während eines Heimaturlaubs wollte er in einer Dorfkneipe ein typisch korsisches Bier bestellen. So etwas gab es nicht und man verwies ihn nur auf Importe vom Festland. Er verbiss sich in die Idee ein typisch korsisches Bier zu entwickeln und verlieh seiner Kreation den Namen „Pietra“ nach einer Abkürzung seines Heimatortes. Die erste Brauerei auf Korsika entstand in dem kleinen Ort Furiani. Pietra wird als Herbstbier vermarktet, weil im Herbst die Kastanien geerntet werden.

    Bei den patriotischen Korsen wurde das Bier sehr schnell zum Erfolg. Kaum eine Kneipe, Café oder eine Bar schenkt das Kastanienbier nicht aus. Die Pietra-Familie wurde später noch ergänzt um ein Weizenbier mit korsischen Macchia-Kräutern (Colomba) und ein blondes Bier (Serena).

    Das Pietra-Bier gehört also zum Korsika-Urlaub unbedingt dazu. Es hat eine schöne Bernsteinfarbe und ein intensives nussig-karamelliges Kastanienaroma. Da ich geröstete Esskastanien sehr mag, traf das Bier natürlich voll meinen Geschmack. Man sollte es aber nicht kühlschrankkalt trinken, da sonst die feinen Geschmacksaromen nicht voll zur Geltung kommen. Also am besten etwas bei etwas bei Zimmertemperatur stehen lassen und etwa bei Temperaturen wie einen Weißwein genießen.

    Und – Pietra ist kein günstiger Spaß. Eine Dose mit 0,5 Liter kostet zwischen 1,90 und 2,40 im korsischen Supermarkt. In Deutschland gibt es Pietra in Spezialitätenläden oder es ist auch im Internet erhältlich.

    Die Pietra- Brauerei „Brasserei Pietra“  in Furiani südlich von Bastia ist übrigens auch zu besichtigen. Die Führungen finden in den Monaten Juli und August und nur in französischer Sprache statt.

    Hefen und der Trank der Götter

    Wenn es nun hier schon um die Brauerei geht, wenden wir uns doch nochmal etwas detaillierter der Herstellung des Bieres zu. Man unterscheidet obergärige Biere (Weißbier, Kölsch oder Alt) und untergärige, wie z. B. das Pietra oder Pils.

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    Obergärige Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae 1 pixel = 0.038 um, Field of view is 85.12 uM in Diameter (CC BY-SA 3.0)

    Diese Unterscheidung beruht darauf, dass unterschiedliche Heferassen zum Bierbrauen verwendet werden. Obergärige Hefen, wie z.B. (Saccharomyces cerevisiae) bilden bei der Vermehrung Sprossverbände, da heißt die Hefen bleiben verbunden und werden durch die aufsteigende Kohlensäure nach oben – an die Oberfläche gebracht.

    Untergärige Heferassen wie (Saccharomyces carlsbergiensis) bleiben nicht verbunden und sinken nach unten auf den Kesselboden ab. Sie sind eben- untergärig.

    Wenn ihr eine Brauerei besichtigt, wisst ihr sofort welches Bier hergestellt wird. Ist es im Gärkeller angenehm warm, werden obergärige Biere hergestellt, fröstelt man – entstehen untergärige Biere. Das liegt daran, dass obergärige Hefen gern bei Zimmertemperatur 15-20 Grad Celsius wachsen, untergärige Rassen es aber lieber etwas kühler haben (4-9 Grad Celsius).  So konnten untergärige Bier früher auch nur im kalten Winter hergestellt werden. Bei den obergärigen Bieren war das ganzjährig bei Zimmertemperatur möglich. Das ist deshalb auch die ältere Methode. Mit der Erfindung der Kältemaschine durch Carl von Linde im Jahre 1873 begann der Siegeszug der untergärigen Biere.

    Hefe bringt Pep ins Bier

    Die Hefe ist im Brauprozess sehr wichtig. Sie bringt die aus Malz hergestellte Bierwürze zum Gären. Wir sprechen hier auch von der alkoholischen Gärung. Bei dieser Gärung entstehen aus Malzzucker Kohlensäure und Alkohol. Diese Wirkung von Hefe war zwar schon sehr früh bekannt. Richtig wissenschaftlich erforscht, wurde sie aber erst Ende des 19. Jahrhunderts durch den Franzosen Louis Pasteur und den Dänen Christian Hansen, die verschiedene Heferassen nachwiesen, die sich exzellent zum Bierbrauen eignen. Neben dem Alkohol produzieren die Hefezellen außerdem auch noch bis zu 300 flüchtige und nichtflüchtige Nebenprodukte, z. B. weitere Alkohole, Ester oder Aldehyde, die den Eigengeschmack des Bieres bestimmen. Dabei sind die Hefen sehr ökonomisch, sie vermehren sich ständig weiter und können nach dem Brauprozess einfach gereinigt und weiterverwendet werden.

    Bier schäumt nicht vor Wut

    Erst die Hefe lässt den Gerstensaft so richtig prickeln. Durch die Beigabe von Hefe wird Malzzucker in der Bierwürze wie schon kurz erwähnt in Alkohol und Kohlensäure umgewandelt. Rund sechs bis acht Tage muss die Hefe dafür im Gärtank arbeiten. Die dann im Bier gelöste Kohlensäure ist verantwortlich für die Entstehung des Bierschaums. Je wärmer das Bier ist, desto schneller perlt die Kohlensäure aus dem Bier. Beim Einschenken entweicht die Kohlensäure dann wieder. Auf dem Weg nach oben im Glas lagern sich an die Bläschen Moleküle an – vor allem Eiweiß aus der Gerste oder dem Weizen. Dadurch bilden sich elastische Häutchen um die Blasen. Das Gemisch setzt sich an der Oberfläche des Bieres ab und bildet den sahnigen weißen Bierschaum.

    Nach so viel „Biertheorie“ verspüren wahrscheinlich jetzt einige Appetit auf ein „Kühles“ aus dem Kühlschrank. Na dann Prost!

    Und zum Abschluss noch ein paar Impressionen aus Korsika. Es ist wirklich ein wunderschöne Landschaft und ein echter Geheimtipp.

     

    Mit mikrobiologischen Grüßen

    Susanne


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    Schokolade – Teamwork von Mikroben

     

    schokolade

    Schokolade (Pixabay)

    Schokolade macht glücklich! Wusstet ihr, dass ohne Mikroorganismen gar keine Schokolade produziert werden könnte? Der besondere Geschmack und der zarte Schmelz bilden sich durch die fein abgestimmte Mitarbeit vieler mikroskopisch kleiner Helfer aus.  Nur durch Hefen, Milchsäure- und Essigbakterien, die bei der Fermentation der Kakaobohnen zusammenwirken, entstehen die Vorläufer der Schokoaromen.

    Aber zuerst zur Einstimmung ein kleiner Ausflug in die spannende und weltumspannende Geschichte der Schokolade.

     

    Von den Mayas bis zum Liebling der Massen

    Schokozubereitung Azteken

    Azteken bei der Zubereitung des „Xocolatl“: Kakaobohnen werden geröstet, gemahlen und mit Wasser und Gewürzen schaumig gerührt (Olfert Dapper, „Die unbekannte Neue Welt“).

    Das Wort Kakao stammt vom Wort „Theobroma cacao“ = Kakaobaum ab und hat seinen Ursprung in Mittelamerika, genau wie die Pflanze. Schon vor über 3.500 Jahren bereiteten als erste Menschen die Olmeken die Urform der Trinkschokolade zu.

    Später übernahmen die Mayas und Azteken diese Kultur. Aus gemahlenem Kakao, gewürzt mit Chili, Vanille und Honig bereiteten sie einen besonderen Powerdrink, die „Xocolatl“ zu. Der Geschmack der Trinkschokolade war eher bitter, oft scharf gewürzt und nur hohen Königen oder Priestern vorbehalten. Kakaobohnen waren auch als Zahlungsmittel weitverbreitet. Die Azteken mussten einen Teil ihrer Steuern mit den Bohnen bezahlen.

    Handelsmonopol der Spanier

    Der Eroberer Kolumbus beobachtete im Jahre 1502 die Kakaobohnen als Zahlungsmittel auf einem Markt und berichtete davon. Erst 1528 brachte der damalige Statthalter Hernán Cortés dem spanischen König Karl V. das mittlerweile auf Plantagen angebaute „Kakaobohnengeld“ aus Südamerika mit.

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    Hernán Cortés (Public Domain)

    Die Kakaobohnen wurden natürlich auch probiert. Aber die bittere Trinkschokolade mundete den Spaniern nicht. Erst als sie mit Rohrzucker und Vanille verfeinert wurde, begann der Siegeszug als Luxusgetränk in Europa. Die Trinkschokolade war schnell Teil des spanischen Hofzeremoniells. Über 100 Jahre behielten die Spanier das Handelsmonopol für Kakaobohnen.

    Bis ins 19. Jahrhundert hinein blieb die Schokolade ein Luxusgut für die Reichen und den Adel. Erst als Maschinen zur Verarbeitung des Kakaos erfunden wurden und die Erträge im Anbau stiegen, könnten sich auch ärmere Bevölkerungsschichten Schokolade leisten.

    Den endgültigen Schritt der Trinkschokolade für Reiche in Richtung Tafelschokolade für alle Liebhaber haben wir einigen großen Persönlichkeiten zu verdanken: 1828 ermöglichte Van Houten erstmal die Herstellung von Kakaopulver. 1847 produzierten Fry & Son die erste Tafelschokolade. Daniel Peters erfand die Milchschokolade, indem der Schweizer Erfinder zu ihrer Herstellung das wenige Jahre zuvor von Henry Nestlé erfundene Milchpulver verwendete. Und dank dem 1879 von Rudolphe Lindt entwickelten Prinzips des Conchierens zergeht uns heute jedes Stück Schokolade mit zartem Schmelz auf der Zunge.

     

    Kein Schokoladenaroma ohne kleine Helfer

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    Kakaobohnen (Wikimedia Commons)

    Bei der Herstellung der Schokolade haben die Mikroben ganz wichtige Aufgaben. Die gelben bis rotbraunen Früchte des Kakaobaums sind der Startpunkt für alle kommenden Genüsse. Jede Frucht enthält 40 bis 50 Kakaobohnen, so viel wie man für eine Tafel Schokolade benötigt. Die Bohnen schmecken noch nicht im Geringsten nach Schokolade. Sie sind sehr bitter, weil sie viele Gerbstoffe (Polyphenole) beinhalten. Auch ihre Farbe ähnelt in keiner Weise dem braunen Genussmittel. Sie sind violett.

    Vom Samen zur Bohne

    ernteMeist noch am Tag der Ernte werden die Kakaofrüchte für einen ersten sehr wichtigen Schritt in der Herstellung – die Fermentation – vorbereitet. Dafür werden die Kakaobohnen samt Fruchtfleisch in Kästen oder auf Bananenblättern ausgebreitet und zugedeckt. Der hohe Zuckeranteil im Fruchtfleisch sorgt dafür, dass es in der tropischen Hitze sehr schnell anfängt zu gären. Erst durch die Fermentation der Kakaosamen entstehen die Aromavorstufen, die später das typische Kakaoaroma ausbilden. Die Dauer der Fermentation hängt von der Kakaosorte, der Menge der Technik und auch den klimatischen Bedingungen ab. Schon lange ist bekannt, dass daran Hefen, Milch- und Essigsäurebakterien beteiligt sind. Im Wesentlichen unterscheidet man drei Phasen der Fermentation.

    Anaerobe Phase (Ohne Sauerstoff)

    Der im Fruchtfleisch enthaltene Zucker wird durch Hefen abgebaut. Es entsteht Alkohol. Milchsäurebakterien sind ebenfalls am Prozess beteiligt. Dabei verflüssigt sich das Fruchtfleisch und die Samen werden frei. Diese beginnen zu keimen und bilden Enzyme, die später geschmacksentscheidend sind.

    Aerobe Phase (Mit Sauerstoff)

    Luft dringt jetzt in die Kakaosamen ein und oxidiert den Alkohol unter Beteiligung von Essigsäurebakterien zu Essigsäure (Acetat). Das Acetat ist die Schlüsselsubstanz für die spätere Aromaentwicklung. Die Temperatur steigt bis auf 45 bis 50 Grad Celsius an. Dadurch sterben die Kakaosamen ab und werden zu Kakaobohnen.  

    Postmortale Phase

    Stirbt der Keim ab, werden bei den Bohnen gleichzeitig verschiedene chemische Prozesse ausgelöst. Dadurch verflüchtigen sich einige der bitteren Stoffe durch die jetzt durchlässigeren Häute. Außerdem werden auch Enzyme aktiv, die ein bestimmtes Eiweiß der Bohne in die Grundbausteine, die Aminosäuren, zerlegen. Diese spielen später noch eine wichtige Rolle. Beim Rösten der Kakaobohnen sorgen sie dafür, dass sich die typischen Kakaoaromen bilden.

    Fazit: Nach der Fermentation sind die Kakaobohnen lange nicht mehr so bitter und sie sehen auch farblich schon aus wie die bekannte Schokolade. Auf manchen Plantagen werden die Kakaobohnen zur Fermentation auch in Körbe oder Fässer gegeben. So werden sie nicht so leicht von Schädlingen befallen. Besonders verbreitet ist heute die Kastenfermentation in großen Holzkisten. Durch den Einsatz von natürlichen Starterkulturen mit der richtigen Zusammensetzung an Mikroorganismen können Kakaobauern den Ertrag von Kakao-fermentationen verbessern.

     

    Wie Schokolade gemacht wird

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    In der Fabrik werden die Bohnen dann gereinigt und geröstet. Bei bis zu 150 Grad werden den Kakaobohnen die Aromastoffe entlockt, die später den typischen Geschmack der Schokolade ausmachen. Dabei kommen die schon erwähnten Aminosäuren aus der Fermentation wieder ins Spiel. Bis zu 600 verschiedene Inhaltsstoffe sind für das typische Aroma von Schokolade verantwortlich.

    Nach dem Rösten schmecken die Bohnen schon fast wie Schokolade. Sie werden nun noch gemahlen und gewalzt und in winzig kleine Kakaopartikel reduziert. Davor kommen noch je nach Schokoladensorte weitere Zutaten wie Kakaopulver, Zucker, Milchpulver, Kakaobutter, Pflanzliche Ersatzfette (bis zu 5 Prozent) Vanillearoma und Lecithin dazu.

    Nach dem Feinvermahlen ist die Masse nicht mehr flüssig, sondern trocken und bröselig auf der Zunge. Rodolphe Lindt entdeckte, dass man das Problem lösen kann, durch leichtes Erwärmen und langes Rühren – das Conchieren. Er erfand 1879 eine Maschine, die die Stückchen in der Schokoladenmasse so verwirbelt, dass das Fett aus den Furchen der Kakaopartikel herausläuft. Durch den Prozess werden der Schokoladenmasse Feuchtigkeit und unerwünschte Geruchs- und Geschmacksstoffe entzogen. Nach dem Conchieren ordnen sich Fett und Kakaopartikel gleichmäßig in der Masse an und das Fett umgibt die Teilchen wie ein feiner Film. Nun können alle Köstlichkeiten aus Schokolade produziert werden. Heutzutage verspeisen wir Deutschen im Schnitt rund zehn Tafeln Schokolade im Jahr.

     

    Erst Mikroben machen Schokolade gesund

    Für alle Schokoholics hier noch eine Information am Rande. Das Naschen von dunkler Schokolade ist sehr gesund. So verbessert sie die Flexibilität und Gesundheit der Gefäße, beugt Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor und soll sogar das Gedächtnis fördern.  Ursache dafür sind die im Kakao enthaltenen chemischen Substanzen, Polyphenole, wie Katechin und Epikatechin. Sie wirken zum Beispiel als Antioxidantien und schützen so Zellen vor Schäden durch aggressive Moleküle.

    Aber nur wenn wir auch die richtige Mikrobengemeinschaft im Darm mit uns tragen, kann unser Körper die gesunden Inhaltsstoffe des Kakaos zu den im Körper wirksamen Substanzen zersetzen. Das haben US-Forscher in einem Experiment gezeigt. Die Zusammensetzung der Darmflora spielt eine sehr wichtige Rolle dafür, wie gut die gesundheitsfördernden Bestandteile des Kakaos verdaut werden. Für die guten Mikroben, wie Bifidobakterien und Milchsäurebakterien, ist dunkle Schokolade u.a. eine bevorzugte Nahrungsquelle. Ist die Darmflora durch ungesunde Ernährung aus dem Gleichgewicht überwiegen Mikroben, wie z.B. Clostridien, die die gesunden Kakaobestandteile verschmähen. Antioxidantien und Entzündungshemmer werden dann unverdaut ausgeschieden.

    Die Empfehlung der Experten für einen gesunde Ernährung ist daher: vor allem eine ballaststoffreiche Nahrung und Präbiotika.

    Also zur Schokolade immer mal einen Apfel essen!

    Weiterlesen:

    Applied Environmental Microbiology, 2014; http://aem.asm.org/content/early/2014/05/12/AEM.01048-14.abstract

    John Finley (Louisiana State University, Baton Rouge) et al., 247th National Meeting & Exposition of the American Chemical Society (ACS)

     

    Alt-Aztekisches Kakaorezept

    Für 4 Tassen

    Zutaten
    4 Tassen Wasser
    1 Stange Vanille (ca. 8 cm Länge),
    längs halbiert
    1 grüne Chilli, entkernt, gehackt
    1 Tasse dunkles Kakaopulver
    1 EL flüssiger Honig

    Zubereitung
    Das Wasser mit der Vanillestange aufkochen lassen, dann die Chillistücke dazugeben und mitkochen lassen. Anschließend den Kakao mit etwas Wasser anrühren und in das kochende Wasser geben. Aufkochen lassen, Vanille herausnehmen. Flüssigkeit mit dem Mixstab pürieren, so fein, dass von den Chillistückchen nichts mehr zu spüren ist. Der Kakao muss schäumen. Anschließend den Honig einquirlen.