Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co


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Der Mikrokosmos in unserer Handtasche

Mikrokosmos_ Handtasche

Handtaschen enthalten mehr Bakterien als Toilettensitze. (Quelle: S. Thiele)

Weibliche Handtaschen sind das Chaos in seiner schicksten Verpackung! Ich weiß, wovon ich rede! Meine Handtasche hat oft die Funktion eines »Wurfspindes« – sämtliche Utensilien schlummern bunt durcheinander gewürfelt in ihr.

Zum Inhalt einer ganz klassischen Frauen-Handtasche gehören unter anderem: Snacks, Handy, Portemonnaie, Schlüsselbund sowie Lippenstift und andere Kosmetika.
Sind noch kleinere Kinder mit im Spiel, potenzieren sich die Gegenstände in der Tasche nochmal, die wir Frauen täglich mit uns herumschleppen um: Murmeln, Reiswaffelkrümel, drei Pixibücher, ein Stück alte Brezel und die Blumenspangen mit Glitzer. Na kommt Ihnen das bekannt vor?

Schon das Wühlen in der Damenhandtasche kann also zur Abenteuerexkursion ausarten. Frau verbringt durchschnittlich 76 Tage ihres Lebens damit, in ihrer Handtasche nach Gegenständen zu suchen. Ungelogen! Und besonders gesund ist es auch nicht.

Fakt ist: Die Handtasche ist das Accessoire Nummer 1 der meisten Frauen und darf uns sogar bis auf stille Örtchen begleiten. Doch als ständiger „Bodyguard“ sammelt sie auch so allerhand unterwegs auf. Habt ihr euch schon mal gefragt, ob es wirklich eine gute Idee ist, die schicke Handtasche auf dem Küchentisch abzustellen?

Eine Studie des britischen Dienstleisters »Initial Washroom Hygiene« kam zu dem Ergebnis, dass Handtaschen große Keimfallen sind. Sie sind Krankheitsüberträger, weil sie regelmäßig in Kontakt mit unseren Händen und einer Vielzahl von Oberflächen kommen. Jede fünfte Handtasche ist laut dem Test mit Bakterien regelrecht verseucht.
Bis zu 1000 Bakterien kommen in und auf neun von zehn Handtaschen vor. Ein Toilettensitz beherbergt dagegen nur 150 verschiedene Bakterien. Damit tummeln sich in der Handtasche mehr Bakterien als auf einem durchschnittlichen Toilettensitz .

Und seid mal ehrlich! Was verstauen wir alles mal so schnell in der Handtasche. Ein benutztes Taschentuch, offene Kekspackungen, winzige Papiere mit durchgekauten Kaugummis, Tücher oder auch mal ein Paar Seidenstrümpfe. Wenig erstaunlich, dass die Forscher im Inneren der Tasche Keime wie Enterobakterien, Pseudomonas oder Pilze finden.

Besonders anfällig für Keime sind übrigens Handtaschen aus Leder, weil das schwammartige Gewebe einen besonders guten Nährboden für die Ausbreitung und das Wachstum von Bakterien bietet.

Und: Nicht nur die Handtasche sondern auch ihr Inhalt ist in hohem Maße mit Bakterien übersät. Egal ob es sich um Döschen und Tuben mit Gesichts- oder Handcreme , Lippenstift oder Mascara handelt. Der schmutzigste Gegenstand in der Tasche ist oft die darin befindliche Handcreme.

Entleert am besten die Handtasche regelmäßig und entfernt jeglichen „Sondermüll“ daraus. Fusseln, Haare oder Krümel haben hier nichts zu suchen. Und Hand aufs Herz: Wann haben ihr eure Handtasche das letzte Mal von innen gereinigt? Dann geht es euch wie 80 Prozent der Frauen in Großbritannien.

Deshalb gilt der Expertentipp: Die Tasche regelmäßig entrümpeln und sie innen feucht zu reinigen und auch mal mit Desinfektionsspray auszusprühen. Achtet darauf, die Kosmetika nicht tagelang in der Tasche zu lassen.

Außerdem solltet ihr dort auch keine Fressvorräte für schlechte Zeiten anlegen, keine offenen Lebensmittel aufbewahren oder benutzte Taschentücher wochenlang spazieren tragen. Gerade in Jahreszeiten, in denen das menschliche Immunsystem anfälliger ist, sollten bestimmte Spielregeln der Sauberkeit und Hygiene gelten.

Vorausetzung aller vorbeugenden Maßnahmen ist sowieso das regelmäßige Händewaschen. Hier gilt gründlich waschen und insbesondere die Handrücken und Zwischenfingerbereiche, Fingerkuppen und Nägel.
Besonders nach der Schatzsuche in der Handtasche solltet ihr eine Runde Händewaschen einplanen! Denn die Hände sind die häufigsten Überträger von Krankheiten, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) warnt.

Und ich geh jetzt mal meine Handtasche aufräumen!

Mikrobiologische Grüße

Susanne


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Migräne: Sind Bakterien schuld?

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Migräne bedeutet weit mehr als übliches „Kopfweh“. Rund 15 Prozent der Bevölkerung leiden unter Migräne. Frauen häufiger als Männer. Im Schnitt erleiden die meisten zwei Attacken im Monat, die jeweils bis zu drei Tage dauern. (Quelle: CC0_Public Domain)

Da ich – wie 15 Prozent der Bevölkerung – in Abständen heftige Migräneattacken bekomme, verfolge ich interessiert neue Forschungsansätze und Theorien zur Vorbeugung und Behandlung. Neue Theorien zur Migränevorbeugung stehen im engen Zusammenhang mit dem Vagusnerv oder mit einem „Nitratkopfschmerz“.

Gehirn und Darm eng verbunden

Der Vagusnerv zieht seine Bahn vom Gehirn aus in den Bauchraum und ist an der Regulation fast aller inneren Organe beteiligt. Er kontrolliert Funktionen wie unseren Herzschlag, die Atmung, Verdauung. Einige Forscher gehen davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen Migräne und dem Mikrobiom besteht – die bei jedem Menschen individuelle Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm.

„Die Bakterien haben einen Einfluss auf die Barriere-Funktion der Darmwand, die Gifte und schädliche Keime am Eindringen hindert. Bei einer Darmentzündung etwa ist dieser Mechanismus gestört. Es gibt Hinweise, dass das Mikrobiom auch auf Entzündungszellen im Hirn wirken kann.“
Andreas Straube, Leiter der Neurologischen Poliklinik am Klinikum Großhadern und Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft

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Hintergrund dafür ist die Vermutung, dass nicht allein das Gehirn über Nerven Informationen an den Darm sendet, sondern dass diese Kommunikation auch umgekehrt läuft. Bezogen auf die Migräne lautet die These, dass bestimmte Bakterienstämme in der Darmwand über den Vagusnerv als Verbindung zum Gehirn Attacken begünstigen können.

 

Daraus ergibt sich der Umkehrschluss: eine gezielte Veränderung der Darmflora müsste helfen können, Anfälle zu verhindern. Migräne hat häufig auch mit Beschwerden des Magen -Darm-Traktes zu tun.
Aktuell laufen im Team von Andreas Straube kleine Studien mit bestimmten Probiotika, welche die Darmflora von Migränepatienten verändern sollen. Erste positive Effekte sind zu sehen. Es sind aber noch weitere umfangreiche Forschungen notwendig, um tatsächlich zu klären, ob man so Migräne lindern kann.

Mundflora möglicher Triggerfaktor

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Grünes Blattgemüse sorgt bei manchen Menschen für Kopfschmerzen. Dabei könnte es sich um einen Nitratkopfschmerz handeln, verursacht durch bestimmte Bakterien, die in der Mundflora leben. (CC=_Public Domain)

 

Eine weitere neue Theorie konzentriert sich besonders auf die Bakterienflora im Mund von Migränepatienten. Der Verzehr Nitrathaltiger Lebensmittel könnte bei einigen Betroffenen Kopfschmerzattacken auslösen.

Nitrat kommt zu Beispiel in Wurst, Rote Beete, Kohlrabi oder grünem Blattgemüse wie Spinat vor. Manche Menschen bekommen nach dem Verzehr dieser Lebensmittel Kopfschmerzen. In Untersuchungen verursachte auch medizinisch verabreichtes Nitrat – etwa aus Nitrosprays für Patienten mit Angina Pectoris oder Herzinsuffizienz – bei vier bis fünf Anwendern starke Kopfschmerzen aus. Welche Gründe sehen die Forscher?

Bakterien reduzieren Nitrat

Pseudomonas

In der Mundhöhle leben Bakterien, die Nitrate aus der Nahrung zu Nitrit reduzieren können, z.B. die Gattungen Pseudomonas oder Streptokokken. Wir Menschen verfügen selber nicht über ein entsprechendes Enzym dazu.
Im Blutkreislauf kann Nitrit dann zu Stickstoffmonoxid (NO) umgewandelt werden, welches gefäßerweiternd wirkt.
Eine starke Weitung der Adern im Gehirn gilt als wahrscheinlicher Auslöser plötzlicher Migräneattacken. Verzögerte Attacken, zum Beispiel nach dem Verzehr von triggernden Lebensmitteln, werden vermutlich durch andere Mechanismen ausgelöst (darunter die NO-abhängige S-Nitroyslierung).

„Bisher wurde angenommen, dass gewisse Lebensmittel – darunter Schokolade, Wein und nitratreiche Speisen – Migräne auslösen oder ihr Auftreten zumindest begünstigen können. Daher vermuteten wir, dass eventuell ein Zusammenhang zwischen der Ernährung, den Mikrobiomen eines Menschen, und dem Auftreten von Migräne besteht. “
Antonio Gonzalez, Hauptautor der unten genannten Studie im Journal MSystems,

In einer  Mikrobiomanalyse fand das Team um Prof. Dr. Rob Knight von der San Diego School of Medicine in Kalifornien heraus, dass bei Migränikern mehr Nitrat-reduzierende Bakterien in der Mundhöhle vorkommen als bei anderen Menschen. Die Forscher hatten das Mikrobiom in Kot- und Speichelproben von Menschen, die unter Migräne leiden aus dem „American Gut Project“ analysiert, wie sie im Journal MSystems beschrieben. Dabei stellten die Forscher fest, dass Menschen, die häufig unter Migränen litten, mehr nitratreduzierende Bakterien aufwiesen. Insgesamt wurden über 170 Oral- und 2.000 Stuhlproben analysiert.

„Wir konnten feststellen, dass die im Mund vorkommenden Bakterien sich in Maßen positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirken. Im Überschuss wurden sie allerdings mit Migräne-Anfällen in Verbindung gebracht. Bisher ist noch unklar, ob die erhöhte Anzahl von Mikroben Auslöser oder Folgeerscheinung einer Migräne ist.“
Dr. Embriette Hyde

Noch unklare Erkenntnis: Weitere Studien notwendig

Obwohl die Migräne-Erkenntnisse natürlich revolutionär wirken und mögliche Erklärungen liefern könnten, ist der Zusammenhang von Nitrat und den Attacken noch nicht eindeutig bestätigt. Es ließe sich schwer beurteilen, ob die erhöhte Anzahl der Nitrat-reduzierenden Bakterien in den Speichelproben eine zufällige Begleiterscheinung sei oder tatsächlich mit einer Unverträglichkeit von Blatt- und Wurzelgemüse zusammenhängt.
Weitere Studien sollen es sich zur Aufgabe machen, genau diese Antwort zu liefern, um betroffenen Patienten bei der Vermeidung von quälenden Schmerzattacken behilflich zu sein. Falls ein Zusammenhang besteht, könnten zukünftig einmal Probiotika zur Migräneprohylaxe entwickelt werden.

Link zur Publikation:

Migraines are correlated with higher levels of nitrate-, nitrite-, and nitric oxide-reducing oral microbes in the American Gut Project Cohort,” wurde online publiziert am 18. Oktober 2016  im Journal  der American Society for Microbiology.

Wie immer freue ich mich über deine Kommentare oder Anregungen.

Mikrobiologische Grüße

Susanne