Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co


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Mikrobe des Jahres 2021: Methanothermobacter

Kleiner Helfer für Energiewende und Wasserreinigung

Methanothermobacter thermoautotrophicus im Elektronenmikroskop 30.000-fach vergrößert. Abb.: Andreas Klingl (CC.BY 4.0)

Als Mikrobe des Jahres wurde in diesem Jahr Methanothermobacter gewählt. Die Mikrobe produziert Biogas – und könnte damit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Methanothermobacter und seine Verwandten tragen zudem zur Abwasserwasserreinigung bei und sichern damit unsere Trinkwasserversorgung. Ihre Aktivität in Böden, Gewässern und Nutztieren nimmt immer mehr zu und dies ist gleichzeitig eine Warnung vor menschengemachten Einflüssen auf das Klima. Diesen für die Umwelt und unser Klima so bedeutenden Mikroorganismus wählte die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) zur Mikrobe des Jahres 2021.

Manche mögen es heiß

Die Geschichte beginnt in einer Kläranlage in Urbana, Illinois, USA. Aus dem anaeroben Schlamm isolierten Gregory Zeikus und Ralph Wolfe 1972 diesen überraschenden Mikroorganismus, der Temperaturen um 65° Celsius bevorzugt und keinen Sauerstoff verträgt. Der hitzeliebende Methanothermobacter gehört zu den  Archaeen – einzelligen, sehr ursprünglichen Lebewesen mit außergewöhnlichen Stoffwechselformen. Dabei ist Methanothermobacter äußerst genügsam: Er lebt nur von Wasserstoff (H2), Kohlenstoffdioxid (CO2) und wenigen Spurenelementen. Mit Hilfe von 200 Genen und nur in Sauerstofffreier Umgebung gewinnt er die für sein Wachstum nötige Energie und bildet dabei Methan (CH4). Das ist chemisch nichts anderes als Erdgas – nur eben biologisch produziert.

Biogas-Produzenten

Pilotanlage zur Herstellung von Methangas mit Hilfe von Methanothermobacter. Quelle: Electrochaea GmbH

Methanothermobacter kann zu erstaunlich hohen Zellkonzentrationen wachsen. Der Organismus wird daher bereits genutzt, um „grünes“ Methan im industriellen Maßstab herzustellen. Grundlage sind dabei Wasserstoff, der bei der elektrolytischen Spaltung von Wasser gewonnen wird, und im Überfluss vorhandenes CO2 aus Verbrennungs- und Industrieprozessen. Das bereits in ersten Produktionsanlagen angewandte Verfahren wird als „Power-to-Gas“ bezeichnet. Das gut speicherbare mikrobiell hergestellte Methan könnte einen wichtigen Schritt zu einer Energiewende darstellen, die von fossilen Rohstoffen unabhängig ist.

Sauberes Trinkwasser dank methanogener Mikroben

In Kläranlagen produzieren „faule“ Organismen wie Methanothermobacter Faulgase, darunter „Grünes“ Methan (CH4) @Czichos

In Kläranlagen werden jährlich riesige Abwassermengen gereinigt und dem Wasserkreislauf zugeführt, aus dem wir unser Trinkwasser gewinnen. Vor allem Mikroorganismen (Bakterien, Archaeen, Pilze und Protozoen) bauen organische Verunreinigungen (Proteine, Lipide, Zucker) zu einfachen Verbindungen ab und klären so unser Abwasser. Die letzte Abbaustufe findet im Faulturm statt, in dem Methanothermobacter und Verwandte leben. Sie bilden ein Faulgas aus Methan, CO2 sowie etwas H2 und In solchen Anlagen produziert Methanothermobacter „grünes“ Methan.

Warner des Klimawandels

Viel organischer Kohlenstoff ist zudem in Dauerfrostböden gebunden, in den Polargebieten und im Hochgebirge. Tauen sie durch die Klimaerwärmung auf, werden Mikroben aktiv und bauen biologisches Material ab. Das daraus freigesetzte Methan beschleunigt als starkes Klimagas in der Atmosphäre den Klimawandel. Noch verharrt etwa ein Viertel der Landfläche der Nordhalbkugel im Jahrtausende alten Permafrost; dort dürfte mehr Kohlenstoff gespeichert sein als in der Erdatmosphäre. Die vermehrte natürliche Aktivität von Methanothermobacter und ähnlichen Mikroben ist ein Warnsignal für unser Klima. Die zunehmende Freisetzung von Methan geht wesentlich auf menschliche Einflüsse zurück: So wird Methan nicht nur aus tauenden Permafrostböden frei, sondern auch aus Reisfeldern, Müllhalden sowie Magen und Darm massenhaft gehaltener Kühe, Ziegen und Schafe.)

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In den spezialisierten Mägen der Wiederkäuer helfen Bakterien und Archaeen beim Verdau von Gräsern – und methanogene Mikroorganismen unterstützen dies unter Bildung von Methan. Damit trägt die intensive Weideviehzucht zur weltweit steigenden Produktion des Klimagases Methan bei. Auch in den riesigen bewässerten Reisfeldern setzen methanogene Mikroben Klimagase frei.

Link zur VAAM-Pressemitteilung pm_mdj_2021.pdf (vaam.de)

Artikel zum Weiterlesen:

Mikrobiologische Grüße

Ihre/Eure

Susanne Thiele

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    Magnetospirillium ist Mikrobe des Jahres 2019

    Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von M. gryphiswaldense. © Frank Müller, Universität Bayreuth

    Magnetische Bakterien – die gibt es wirklich! Die Bakterien der Gattung Magnetospirillum sind die Mikroben des Jahres 2019. Diese im Wasser lebenden Bakterien können sich am Magnetfeld der Erde orientieren – und eignen sich als nützliche Helfer im Bereich von Biotechnologie und Medizin. So können die Mikroben zum Beispiel als Kontrastmittel fungieren oder dabei helfen, Zellen künstlich zu steuern.

    Sich teilende Zelle von Magnetospirillum gryphiswaldense mit Magnetitkristallen (Transmissions-elektronenmikroskopische Aufnahme). © Frank Mickoleit, Universität Bayreuth

    Seefahrer vertrauen seit Jahrhunderten auf ihren Kompass. Doch die Natur nutzt dieses Prinzip schon viel länger. Viele Lebewesen können das Magnetfeld der Erde wahrnehmen und sich an ihm orientieren. Zugvögel beispielsweise nutzen ihren magnetischen Sinn als Richtungsweiser auf ihren langen Flügen. Aber auch Fische, Füchse, Wildschweine und Hunde besitzen einen Magnetsinn. Selbst im Reich der Allerkleinsten gibt es Organismen, die sich am irdischen Magnetfeld orientieren: Bakterien.
    Als Kompass tragen diese Mikroben winzige Ketten von Kristallen aus dem Eisenoxid Magnetit in sich. Faszinierend ist es anzusehen, wenn sie alle einheitlich ausregerichtet unter dem Mikroskop umherflitzen.

    Bakterien mit Magnetsinn – Kristalle aus Eisenoxid

    Magnetospirillum gryphiswaldense in Teilung mit Magnetitkristallen (rot) und Membranvesikeln (gelb) und dem speziellen Cytoskelett (grün) sowie Geißeln zur Fortbewegung (ocker). © Mauricio Toro-Nahulepan, Universität Bayreuth/ Jürgen Plitzko, MPI für Biochemie, Martinsried

    Erstmals entdeckt wurden diese besonderen Bakterien durch den Italiener Salvatore Bellini. Dieser stieß mit seinen Beobachtungen im Jahr 1963 zwar zunächst noch auf Unglauben. Doch mit der Verbreitung des Elektronenmikroskops bestätigte Richard Blakemore zwölf Jahre später die Existenz magnetischer Mikroben: In Schlammproben sah er Mikroorganismen mit Ketten magnetischer Kristalle, die sich wie eine Kompassnadel im magnetischen Feld ausrichteten.
    Heute weiß man, dass spezielle Enzyme Eisen-Ionen aus der Umgebung in die Bakterienzelle transportieren. Dort bilden sich Ketten aus 15 bis 30 Eisenoxid-Kristallen, die zusammen als Magnet wirken. Ein Zellskelett aus langen Proteinfäden, ähnlich aufgebaut wie unsere Muskeln, hält die Kristalle in der Zellmitte und sortiert sie bei der Zellteilung gleichmäßig.

    Vorteil bei der Orientierung im Wasser

    Zusammen mit einem speziellen Sauerstoffsensor orientieren sich die Bakterien mit ihrem inneren „Magneten“ so im Wasser: Sie suchen gezielt Schichten mit einem optimalen geringen Sauerstoffgehalt auf. Die magnetischen Pole der Erde helfen ihnen, sich in der richtigen Wassertiefe auszurichten. Ihre schraubenförmige Gestalt hilft dabei, sich im Bodensediment zu bewegen.
    Dank der detaillierten Erkenntnisse zur Biosynthese und Funktion der Magnetosomen gilt Magnetospirillum mittlerweile auch als wichtiger Modellorganismus für die Bildung bakterieller Organellen.

    Magnetospirillium-Forscher der ersten Stunde

    Prof. Dr. Dirk Schüler, © Christian Wißler, Universität Bayreuth

    Professor Dr. Dirk Schüler ist seit fast 30 Jahren von diesen Bakterien fasziniert. Als Student im Greifswalder Labor von Manfred Köhler entdeckte er 1990 Magnetospirillium im Schlamm eines kleinen Flusses. Darauf ist auch der Namenszusatz „gryphiswaldense“ zurückzuführen. Zeitgleich gab es große politische Umwälzungen – der Fall der Mauer. Gemeinsam mit den Experten aus dem Münchner Labor von Karl-Heinz Schleifer und Rudolf Amann konnten sie das neuentdeckte Bakterium mit modernen Methoden untersuchen. Es wurde namensgebend für die ganze Gattung Magnetospirillium.

    Innovative Waffe gegen Tumore ?

    Für die Biotechnologie und die Medizin bieten die Bakterien faszinierende Möglichkeiten. Doch auch darüber hinaus bietet Magnetospirillum faszinierende Möglichkeiten: Die winzigen Magnete haben eine einheitliche Größe, Form und hohe Magnetisierung, die synthetische Nanopartikel nicht erreichen. Aus diesem Grund können sie als Kontrastmittel in der medizinischen Bildgebung fungieren – dabei übertreffen sie die Wirksamkeit kommerzieller magnetischer Kontrastmittel deutlich, wie Versuche zeigen.
    Zudem erzeugen die Magnetosomen der Bakterien in Zellen oder Geweben Wärme, wenn ein starkes Magnetfeld angelegt wird – in Tierversuchen ließen sich damit Tumoren verkleinern. Außerdem ist es Forschern bereits gelungen, den kompletten Biosyntheseweg aus Magnetospirillum in fremde Bakterien übertragen. So lassen sich in Zukunft womöglich Zellen künstlich magnetisieren und dadurch „steuern“. lebende Magnetbaketrien könnten sogar als „Mikroroboter“ mit Medikamenten beladen werden und diese dann zum Wirkunsgort im Körper, etwa zu Tumoren bringen.

    Selbst magnetische Bakterien fischen?

    Nun bleibt die Frage, ob auch Laien magnetotaktische Bakterien finden könnten? Sicher, meint Prof. Dirk Schüler von der Universität Bayreuth. Das wäre nicht schwer. In jedem Gartenteich oder flachen Tümpel gibt es viele verschiedene Arten: Stäbchen, Kugeln, Spiralen.
    Betrachtet man den Rand eines Schlammtropfens mit einem Phasenkontrastmikroskop, das wenigsten 100fach, besser 400fach vergrößert, an den man einen kleinen Stabmagneten hält. Dann schwimmen die Magnetbakterien hartnäckig in diese Richtung und wenden, sobald man den Magneten umdreht.

    Links:

    Mikrobiologische Grüße

    Susanne

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      Lactobacillus – Alleskönner für die Gesundheit: Mikrobe des Jahres 2018

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      Lactobazillen @Horst Neve)

      Sauerkraut, Joghurt, Käse, Sauerteigbrot oder Oliven: die Mikrobe des Jahres ist überall mit im Spiel, wenn es um Essen geht. Ihr habt sie wahrscheinlich heute schon mehrfach verzehrt. Auch sonst ist sie ein wichtiger Partner für uns Menschen mit vielen nützlichen Eigenschaften. Deshalb wurde sie gerade von den Mikrobiologen der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) zur Mikrobe des Jahres 2018 gekürt, um auf die Vielfalt des Mikrokosmos aufmerksam zu machen.

       

      Helfer beim Start ins Leben  

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      Laktobazillen sind auch beim Stillen dabei (CCO: Public Domain)

      Lactobacillus, ein grampositives, meist stäbchenförmiges Bakterium, begleitet jeden von uns schon von Geburt an: Bei der Passage durch den mütterlichen Geburtskanal werden die Bakterien auf das Baby übertragen. Die Laktobazillen schützen das Neugeborene vor Krankheitserregern. Wird das Babys per Kaiserschnitt entbunden – fehlt dieser Schutz. Die Folge: schädliche Bakterien siedeln sich leichter im unreifen Säuglings-Darm an. Einige Studien geben Hinweise darauf, dass Laktobazillen die Wahrscheinlichkeit von Allergien und Autoimmunkrankheiten wie Diabetes und Morbus Crohn verringern. In den USA und in Kanada ist es deshalb Praxis, dass Kaiserschnitt-Babys direkt nach der Geburt mit Bakterien der Mutter eingerieben. Aussagekräftige Studien zum sogenannten Vaginal Seeding fehlen aber noch.

       

      „Milchstäbchen“ mit Geschichte

      Die Laktobazillen – übersetzt „Milch-Stäbchen“ – sind schon seit Tausenden von Jahren Teil unserer Kulturgeschichte: Als vor etwa 7000 Jahren Menschen in Nordeuropa als Viehzüchter sesshaft wurden – stand die Milch und Milchprodukte verstärkt auf dem Speiseplan. Damit setzte sich das Enzym Lactase, welches eigentlich nur bei Säuglingen für den Abbau von Milchzucker vorhanden ist, auch bei erwachsenen Mitteleuropäern durchzusetzen. Im Gegensatz dazu vertragen die meisten erwachsenen Asiaten bis heute Milchprodukte schlecht.

      Wahrscheinlich per Zufall entdeckten die Menschen, dass sauer gewordene Milch lecker sein kann: in Form von Joghurt, Kefir oder Käse. Dafür ist vor allem Lactobacillus verantwortlich – ebenso wie für Säuerungsvorgänge zur Herstellung von Sauerteigbrot, Sauerkraut oder anderen eingelegten Gemüsesorten – auch Fermentation genannt. Lactobacillus bildet dabei aus den vorhandenen Kohlenhydraten Milchsäure. Dadurch sinkt der pH-Wert so stark, dass sich schädliche Bakterien nicht vermehren können: die Lebensmittel werden haltbar. Etwa 5000 solcher Lactobacillus-fermentierter Lebensmittel sind weltweit bekannt. Und Fermentation liegt gerade wieder total im Trend !

      Eine Vielzahl von leckeren und gesunden Rezepten zur Fermentation von Gemüse findet ihr auch hier im Blog unter  Gesunde Rezepte .

       

      Lactobazillen halten uns gesund

      Laktobazillen lieben Zucker! Dadurch wurden sie ein so enger und langfristiger Begleiter des Menschen und wir finden sie sowohl in Lebensmitteln oder im Darm. Sie übernehmen viele Aufgaben für unsere Gesundheit: Dank bestimmter Enzyme machen sie für den Menschen unverdauliche Kohlenhydrate verfügbar – vor allem die Ballaststoffe aus Vollkorn und Gemüse, die im Dünndarm die wichtigen Darmbakterien stimulieren. Unter der Bezeichnung „Präbiotika“ werden solche Ballaststoffe heute manchen Lebensmitteln zugesetzt, beispielsweise in Form der langkettigen Zucker Inulin oder Oligofructose. Als „Probiotika“ werden hingegen Nahrungs- oder Heilmittel bezeichnet, die gezielt bestimmte Bakterienstämme enthalten.

      „Der Lactosebacillus ist der Wächter unseres Immunsystems“
      Dr. Christine Lang, Professorin für Mikrobiologie und Molekulargenetik an der Technischen Universität in Berlin, im Gespräch mit hr1.

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      Lactobacillus reuteri (blau) verklumpt und inaktiviert den Magenkeim Helicabacter pylori (rot) – hier 11.000fach vergrößert. @Novozymes A/S

      Ob natürlich oder zugesetzt: Laktobazillen sind außerdem wichtig für die Funktion der Darmschleimhaut, die Nährstoffe vom Darm ins Blut transportiert und auch unser Immunsystem unterstützt. Ist es gestört, werden Infekte und Autoimmunkrankheiten wahrscheinlicher. Studien legen nahe, dass Laktobazillen sogar unser Wohlbefinden beeinflussen: Bestimmte Lactobacillus-Stämme verringern in Mäusen ängstliches und depressives Verhalten – möglicherweise weil sie Botenstoffe produzieren, die bei der Nervenübertragung im Gehirn eine Rolle spielen. Lactobazillen sind also Helfer für Leib und Seele.

       

      Milchsäure für Biotechnologie, Plastik und Medizintechnik

      Auch biotechnologisch werden die Laktobazillen gern eingesetzt, um im industriellen Maßstab Milchsäure herzustellen – weltweit etwa 500.000 Tonnen pro Jahr. Als Lebensmittelzusatzstoff (E 270) erhöht Milchsäure die Haltbarkeit von Back- und Süßwaren so-wie Limonaden. Auch Seifen, Cremes und Spülmittel enthalten die desinfizierend wirkende Milchsäure.

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      Mulchfolie aus Poly-Milchsäure ist biologisch abbaubar. © F. Kesselring, FKuR Willich

      Durch Verknüpfung mehrerer Milchsäure-Moleküle entstehen Milchsäure-Ketten, die Polylactide. Daraus gewonnene Materialien sind stabil, aber biologisch abbaubar, sodass sie zu Bio-Folien und Verpackungen verarbeitet werden. Medizintechniker verwenden Polylactide für resorbierbare Nahtmaterialien und Implantate, die sich nach einiger Zeit im Körper zersetzen.

      Weitere Informationen unter www.mikrobe-des-jahres.de

       

      Probiotische Grüße

      Susanne


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      Mikrobe des Jahres 2017: Halobacterium salinarum – färbt Seen und Flamingos pink

      halobacterium_salinarum

      Kolonien von Halobakterien wachsen nur auf Nährböden mit hohem Salzgehalt. © Felicitas Pfeifer, Darmstadt

      Genau vor 100 Jahren wurden sie entdeckt – die aktuelle Mikrobe des Jahres: Am 24. Januar 1917 stach Heinrich Klebahn mit einer Nadel in den rötlichen Belag eines gesalzenen Seefischs, übertrug ihn auf einen festen Nährboden- und entdeckte einige Wochen später die roten Kolonien eines „Salzbakteriums“. Heute heißt der Mikroorganismus Halobacterium salinarum und wurde gerade zur Mikrobe des Jahres 2017 gekürt von der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM).

      Manche mögen’s rot und salzig

      Halobacterium salinarum ist kein Baktrium. Die Mikrobe zählt zu den Archaeen – Urformen des Lebens, die zwar Bakterien ähneln, aber tatsächlich enger verwandt mit Pflanzen und Tieren sind. Archaeen sind oft an sehr außergewöhnliche Lebensräume angepasst – so beispielsweise an heiße Quellen, extrem saure Gewässer oder – wie im Fall von H. salinarum – an hohe Salzkonzentrationen. Dank spezieller Kanalproteine in seiner Zellhülle kann H. salinarum seinen Salzgehalt an die äußeren Bedingungen anpassen. Man mag es kaum glauben, aber er kann sogar in Salzkristallen hunderte von Jahren überleben.

      Halobacterium salinarum wächst besonders gut in Salinen und Salzlaken, die er rot-violett färbt, da er rote Farbstoffe enthält. Diese Farbstoffe (Karotinoide) reichern sich in der Nahrungskette an: kleine Salzkrebse fressen die Mikroben, von denen sich wiederum Flamingos ernähren. So kommen die Vögel zu ihrem auffälligen rosarotem Federkleid.

      Einzellige Urform des Sehens

      bacteriorhodopsin

      Bacteriorhodopsin aus der Zellhülle von Halobacterium salinarum wechselt bei Belichtung seine Farbe und transportiert Wasserstoff-Ionen – Eigenschaften, die für technische Verwendungen nutzbar sind. © MPG / Wolfgang Filser

      Die Haloarchaeen, wie sie korrekterweise genannt werden, verfügen über eine besondere Form der Photosynthese. Dazu nutzen sie zur Lichtabsorption Bakteriorhodopsin anstelle von Chlorophyll. Diese Pigmente, die das Licht in für die Zelle verwertbare Energie verwandeln, kommen in der Zellhülle von Halobacterium vor. Dabei wechselt die Farbe des Bacteriorhodopsin von violett zu geb. Das Faszinierende daran: ein vergleichbares Rhodopsin ist in unserem Auge für den Sehvorgang verantwortlich. Die Evolution der molekularen Grundlage unseres Sehsinns hat vermutlich seine Wurzeln in diesen uralten Mikrobenformen.

      Lichtschalter für Heilmethoden der Zukunft

      Neben dem Bacteriorhodopsin hat man bei den Archaeen noch weitere Rhodopsine entdeckt, die als Werkzeuge im hochaktuellen Forschungsfeld der Optogenetik zum Einsatz kommen. Der Einbau in der Nervenzellen ermöglicht es, deren Aktivität durch „molekulare Lichtschalter“ an und auszuschalten und so neurodegenerative Erkrankungen besser zu erforschen z B. Netzhauterkrankungen, Parkinson oder Epilepsie.

      Taucher mit Propellerantrieb

      Die Mikrobe des Jahres bietet noch eine weitere Besonderheit: Sie reguliert ihre Zelldichte mithilfe von speziellen Gasvesikeln, die mit Luft gefüllt und von einer wasserdichten Proteinhülle umschlossen sind. Wie ein Taucher kann Halobacterium so in bestimmten Wassertiefen schweben und für sich optimale sauerstoff- und Lichtverhältnisse aktiv aufsuchen.

      Dank eines Antriebs mit langen Fortsätzen kann die Mikrobe in diesen Wasserschichten auch umherschwimmen und sich nach dem Prinzip eines Propellers durch die zähe Salzlösung „schrauben“. Die Archaeen haben dafür einen eigenen molekularen Drehmotor erfunden, der auf ein zelleigenes Signal hin die Drehrichtung und damit die Orientierung ändern kann.

      Alles in allem also ei sehr interessanter Mikroorganismus: Halobacterium hat sich übrigens auch noch als äußerst strahlungsresistent erwiesen: Die Mikroben überstanden einen monatelangen Flug im Außenbereich der internationalen Raumstation ISS.

      Weitere Informationen findet ihr unter  Mikrobe des Jahres.

      Mit mikrobiologischen Grüßen

      Susanne


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      Mikrobe des Jahres 2016 – Streptomyces – die Pharmazeuten unter den Mikroben

      Titelblatt Version 1 Pilzhyhpe mit Cluster von Streptomyceten-H

      Streptomyces mit stark sporulierender Oberfläche, der rot gefärbte Stoffwechselprodukte ausscheidet (@Hildgund Schrempf)

      Ta-daah! Trommelwirbel und Fanfare für die neue Mikrobe des Jahres 2016 und gleichzeitig unsere Mikrobe im Februar hier im Mikrobenzirkus! Die Bakteriengattung Streptomyces wurde in diesem Jahr von der VAAM (Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie) für den Titel ausgewählt.

      Streptomyces ist sehr bedeutsam in der Medizin als Wirkstoffproduzent. Zwei Nobelpreise 1952 und 2015 wurden schon für das Antibiotikum Streptomycin und das Antiparasitikum Ivermectin vergeben.

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      Wirkstoffe aus Streptomyceten können Bakterien abtöten – hier sichtbar als klare Hemmhöfe im Bakterienrasen, Fotomontage (@Hildgund Schrempf)

      Aus Streptomyceten sind heute mehrere Tausend sehr unterschiedliche organische Moleküle bekannt. Diese können z.B. das Wachstum von Pflanzen stimulieren, hemmen andere Bakterien (Antibiotika) oder Pilze (Fungizide). Einige beeinflussen auch unser Immunsystem oder verhindern das Wachstum von Tumoren (Zytostatika).  Sie leben mit den Bakterien in enger Gemeinschaft und profitieren so von der Abwehr schädlicher Mikroorganismen. Bis heute ist Streptomyces mit rund 70 Prozent der erfolgreichste Lieferant antibiotischer Wirkstoffe, die therapeutisch einsetzbar sind. Aktuelle Studien lassen vermuten, dass noch viele bislang unbekannte Schätze aus Streptomyceten in den nächsten Jahren gehoben werden können.

      Diese Bakterien haben viele weitere Talente: Sie spielen eine wesentliche Rolle beim Recycling abgestorbener Pflanzen, für die Humusbildung und sorgen nebenbei für den frischen Duft von Waldboden.

      Einfaches RGB

      Streptomyces bauen tierische und pflanzliche Reste über Zwischenstufen zu wertvoller Erde um (@Hildgund Schrempf)

      Streptomyceten scheiden zahlreiche Enzyme aus und bauen damit viele komplexe Substanzen ab, beispielsweise schwer spaltbare Stoffe wie Cellulose aus Holz oder Chitin von Insektenpanzern und Pilzen. Die entstehenden kleineren Nährstoffe dienen den Streptomyceten als Nahrung. So sorgen diese Bakterien für das Recycling von Pflanzenfasern und Resten abgestorbener Organismen.
      Auch für Insekten sind sie sehr nützlich. Im Darm von Regenwürmern, Termiten und anderen Lebewesen bauen Streptomyceten schwer verdauliche Stoffe ab. Streptomyces trägt wesentlich zum ökologischen Stoffkreislauf bei sowie zur Bildung von Kompost und Humus. Zudem scheiden die Bakterien komplizierte, oft auffällig gefärbte Moleküle aus, die für unsere Gesundheit von unschätzbarer Bedeutung sein können. (Quelle: VAAM )

      Nobelpreis für Streptomyces (Video)

      Viele weitere spannende Informationen unter http://www.mikrobe-des-jahres.de/

      Ein für Mikrobiologen sehr schönes Plakat zum Download findet ihr unter unter http://www.mikrobe-des-jahres.de/content/files/Plakat-MdJ-2016.pdf

      Über den folgenden Schülerwettbewerb zur Mikrobe des Jahres halte ich euch hier auch auf dem Laufenden.

      Mit mikrobiellen Grüßen 🙂 !

       


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      Noch bis zum 30. November läuft der Wettbewerb zur Mikrobe des Jahres 2015 – Wer findet Rhizobium?

      Die Mikrobe des Jahres 2015, die ich euch hier im Blog lange schuldig geblieben bin, heißt „Knöllchenbakterium“, mit wissenschaftlichem Namen Rhizobium. Diese Mikrobe erleichtert den Anbau von Bohnen, Erbsen, Linsen und Futtermitteln wie Klee. Die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) kürte diesen faszinierenden Mikroorganismus am 9. Februar zur Mikrobe des Jahres 2015. Bis zum 30. November 2015 läuft noch der Wettbewerb „Findet die Mikrobe des Jahres 2015!“ für Schüler/innen und Studierende. Also Interessierte noch schnell die Unterlagen einsenden!

      Rhizobium_VAAMBakterien als natürliche Düngehilfe

      Rhizobien („in den Wurzeln lebend“) liefern bestimmten Pflanzen das für ihr Wachstum notwendige Ammonium auf natürlichem Weg und ersetzen damit künstlichen Dünger. An den Wurzeln dieser Pflanzen sind, wie auf dem Foto gut erkennbar, die typischen Knöllchen mit den Bakterien sichtbar.

      (Bildquelle: VAAM)

      Wettbewerb 2015: Wer findet Rhizobium?

      Schüler/innen und Studierende können sich am Wettbewerb „Mikrobe des Jahres 2015“ beteiligen. Schickt bis zum 30. November 2015 Fotos, Videos oder andere kreative und künstlerische Gestaltungen rund um Rhizobium an die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) (siehe „Wie geht ihr vor?“). Ausführliche Informationen und weitere Hinweise der VAAM findet ihr hier. Also mitmachen! Es gibt tolle Preis zu gewinnen.

      Links:

      • Mehr Hintergrundinformationen zum Knöllchenbakterium allgemein findet ihr unter folgenden Link.
      • Hier noch einige schöne Videos zum Thema:

      Nitrogen Fixation – Seven Wonders of the Microbe World

      Rhizobia symbiotic relationship between legumes and rhizobia


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      Achtung: Wahl der Mikrobe des Jahres 2015!

      Morgen ist es wieder soweit! Die Mikrobe des Jahres 2015 wird von der VAAM, der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie, gekürt. Die Mikroben des Jahres sind noch ein ganz junges Format, welches im Jahre 2014 startete. Aber warum soll es nur das Insekt, die Pflanze oder den Boden und den Baum des Jahres geben.

      Die Reihe wurde mit dem Cyanobakterium Nostoc pruniforme eröffnet, welches die Wissenschaftler mit seinen außergewöhnlichen Eigenschaften überzeugte. Damit Nostoc morgen nicht ganz aus dem Scheinwerferlicht verschwindet, werde ich der Mikrobenart hier rückblickend im Blog noch mit einen eigenen Artikel einen Platz einräumen.

      Bis dahin sind wir erst einmal gespannt, wer es auf das Podest schafft!

      Alle Informationen der VAAM zur Mikrobe des Jahres unter http://www.mikrobe-des-jahres.de/.Mikrobe des Jahres 2014