Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co


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Die Erfindung des großen Gärens (Fermentation Teil 1)

Bakterien und Pilze sind die Ordnungspolizei der Natur. Sie haben die gute Angewohnheit, alles aufzuräumen. Sie zersetzen organische Materialien und sorgen dafür, dass sie nicht einfach in der Gegend herumliegen bleiben, sondern in ihre Bestandteile aufgelöst werden und wieder als Nährstoffe zur Verfügung stehen. Nichts anderes passiert auch bei Lebensmitteln, die an den Punkt der Gärung ohne Sauerstoff kommen und dadurch erst ihren besonderen Geschmack oder ihren genießbaren Zustand erhalten.

Die Fermentation – wie die Gärung auch »auf schlau« bezeichnet wird – ist eigentlich gar keine menschliche Erfindung. Durch die Allgegenwart der kleinen Lebensformen – der Bakterien, Pilze und Hefen – waren schon die prähistorisch-fermentierten Lebensmittel ganz natürliche Phänomene, die wir Menschen nur beobachtet, untersucht und dadurch später kultivieren und beherrschen lernten. Das Prinzip heißt »kontrollierter Verfall« – wenn Nahrungsmittel im Warmen stehen gelassen werden, beginnt eine Transformation: Bakterien, Schimmelpilze und Hefen können dafür sorgen, dass die Nahrung verdirbt – sie können sie unter Umständen aber auch haltbar machen, ihren Geschmack oder die Inhaltsstoffe veredeln.

Die Geburtsstunde der Fermentation

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Als wir Menschen sesshaft wurden, bekam noch etwas anderes eine viel wichtigere Bedeutung. Getreide und Milchprodukte für die kommende Zeit einzulagern, war ein praktischer Weg, um sich nicht täglich um ihre Beschaffung zu sorgen. So wurden clevere Strategien nötig, um die Lebensmittel für später zu konservieren.
Dazu kam noch der Wechsel der Jahreszeiten. Anders als in den Tropen wächst in der gemäßigten Klimazone nicht immer irgendetwas. Die Vegetation legt knapp die Hälfte des Jahres eine entspannte Ruhepause ein. Es ist nicht nur dunkel und kalt – es wächst auch kaum etwas. Trotzdem werden Essen und Vitamine weiterhin dringend gebraucht.

Heute ist das mit Schiffen und Flugzeugen recht einfach. Frisches Gemüse wird aus anderen Regionen der Welt schnell hierher transportiert. Die Konservendose wurde erst im 19. Jahrhundert erfunden und brauchte einige Jahrzehnte ehe sie überhaupt akzeptiert wurde. Wer wollte schon an einer Bleivergiftung sterben?
Heute sind wir dank Kühlschrank und Tiefkühltruhe seit den 50 bis 80er Jahren recht unabhängig. Unsere Vorfahren müssten noch andere Techniken entwickeln, um ihre Lebensmittel über den Winter oder lange Schiffsreisen haltbar zu machen oder die Ausbeute von erfolgreichen Jagd – oder Fischzügen vor dem Verfall zu sichern.
Viele Methoden entstanden: pökeln, einlegen, einkochen, dörren, kandieren – oder eben das Fermentieren mit Mikroorganismen. So ist die Entwicklung der fermentierten Lebensmittel mehr als nur eine kulinarische Erfindung.

Der Zufall kam zu Hilfe

Die meisten Vergärungsmethoden wurden wohl ganz zufällig entdeckt. Die daran schuldigen Mikroben sind überall in unserer Umwelt zu finden. Sie ernähren sich von den Zuckern nährstoffreicher Pflanzen oder tierischer Produkte.

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Naturjoghurt © fotolia Fotograf: ji_images

Wer als Mikrobe zuerst im Milchtopf siedelt, verteidigt sein Territorium mit chemischen Kampfstoffen gegen Konkurrenz und schützt die Lebensmittel dadurch gleichzeitig vor dem Verderben. Zur Verfügung stehen dem Mikroorganismen dabei antimikrobielle Peptide, Milch- oder Essigsäurevarianten und Alkohole – alles Substanzen, die die Lebensmittel haltbar machen und für Menschen in gewissen Maße genießbar und zum Teil sogar sehr lecker sind. Geraspelter Kohl und Milch werden schnell sauer, Früchtekompott vergärt – aber sie werden nicht zu etwas abstoßenden Ungenießbaren – sondern zu schmackhaftem Sauerkraut, gesunder Buttermilch oder wunderbarem Wein.

Überall auf der Welt hat der Mensch versucht, nahezu alles Essbare zu fermentieren – von Gemüse und sogar Tierhäuten im Sudan bis hin zu Fischköpfen in der Arktis. Wahrscheinlich gibt es keine Kultur auf der Erde, die nicht irgendeine Form der Fermentierung oder Vergärung ausübt. Manche Gärprodukte sind sogar das zentrale Element der meisten Küchen oder uralte Rituale. Nach manchen Schätzungen wird bis zu einem Drittel aller von Menschen verzehrten Lebensmittel vorher fermentiert .

Es ist sehr interessant, dass wir im selben Zuge von »Kultur« (lateinisch cultura = Ableitung von colere – »den Acker bestellen«) sprechen, wenn wir eine Bakterienkultur meinen, mit der wir einen Joghurt oder Gärprozess starten können – aber den Begriff gleichzeitig auch für etwas wie Musik, Literatur, Sprache, wissenschaftliche Erkenntnisse oder kulinarische Techniken und alte Familienrezepte verwenden.
Viele Auswanderer überquerten Kontinente und Ozeane – ihr Hab und Gut war nur das, was sie tragen konnten. Häufig brachten sie aber gerade Sauerteigkulturen zum Brotbacken oder andere Starterkulturen mit oder zumindest das Know-How und ihre erprobten Methoden der Fermentierung.

Von Krautbräuten und Fermentos  – Comeback der Fermentierens

Meine beiden Großmütter haben noch ganz selbstverständlich Gemüse milchsauer eingelegt, Buttermilch eindicken lassen oder mit Sauerteig gebacken. Im Gegensatz dazu haben heute viele Menschen große Angst, Lebensmittel außerhalb des Kühlschranks zu lagern. Sie wurden dazu erzogen, Bakterien und Pilze als gefährliche Krankheitserreger zu sehen und die Kältetechnik als eine absolute Notwendigkeit im Haushalt.
Aber das Blatt wendet sich gerade: selbst fermentierte Lebensmittel sind wieder einer der heißesten Food-Trends, der seit einigen Jahren aus den gesundheitsbewussten Küchen von New York, San Francisco und Portland herüberschwappt. Fermentation gilt als der aktuelle Gegentrend zum sterilen Standardlebensmittel. Ganz langsam haben sich die alten Methoden wieder eingeschlichen in die Hipster-Küchen und Food Blogs. Sauerkraut blubbert in Gärtöpfen, Salami und Käse reifen in den Kellern und vielerorts wird sogar Bier gebraut.

Ich selbst gehöre auch schon seit einigen Jahren zu den sogenannten »Fermentos«. In meiner Küche stapeln sich die Bügelgläser und ich bin stolze Hüterin verschiedener Kulturen von Kefir über Kombucha bis zum selbst angesetzten Sauerteig. Als ich vor Jahren im Bekanntenkreis über meine ersten Fermentierversuche erzählte, wurde zuerst einmal abgewunken: »Aber das ist ja uralt und langweilig – Sauerkraut und Co! «. Aber es gibt so viel mehr Gemüse zu entdecken, welches sich gut fermentieren lässt:  etwa Gurken, Fenchel oder Karotte und Ingwer. Der Fantasie und Experimentierfreude sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Ich sage nur »Kimchi«

Die koreanische Variante des Sauerkrauts – ist für viele die Einstiegsdroge zum Fermentationshobby. Das gesunde Kraut ist in Korea von nationalem Interesse. Fast jede koreanische Familie hat ihr eigenes Geheimrezept für den scharfen Chinakohl mit Chili – über 300 Rezepte gibt es in den unterschiedlichen Regionen. Wenn der Winter bevorsteht, beginnt die  »Kimjang«, die traditionelle Saison für die Kimchi-Zubereitung, die sogar 2013 in die Unesco-Liste für immaterielles Kulturerbe aufgenommen wurde. Sauerkrautstampfen mit Tanzmusik ist sogar szenetauglich, wenn alle zusammen Kohl schnippeln. So geschehen in Berlin zum »Sauercrowd« einem kulinarischen Flashmob, bei dem eine halbe Tonne Weiß- und Rotkohl in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg zu Sauerkraut verarbeitet wurde. Der Berliner Hipster kommt nicht am selbstgemachten Ruby-Sauerkraut zum Sliced Pork Tongue-RyeBread Sandwich vorbei! Aber selbst hier in Braunschweig haben die Schnippel-Partys Einzug gehalten. Na dann guten Appetit!

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KImchi-Workshop im Gemeinschaftsgarten Bebelhof Braunschweig (Foto: Susanne Thiele)

Die vergorenen Produkte sind für uns vor allem attraktiv durch ein kräftiges und komplexes Aroma. Wissenschaftlich werden diese herzhaften Geschmackseindrücke umami genannt – das ist der sogenannte fünfte Geschmackssinn neben salzig, bitter, süß und sauer. Er wird durch die Veredlungsprozedur beim Fermentieren stärker, weil sich im durch die Mikroorganismen Vergorenen mehr Glutaminsäure und andere natürliche Geschmacksverstärker bilden.
Die Mikroben sorgen bei beispielsweise Käse oder Chorizo für eine besondere Geschmacksdichte, indem sie Zucker in Säuren und Alkohole umbauen und sonst geschmacksneutrale Makromoleküle, wie Stärke, Proteine und Fette – in ihre Kernkomponenten zerlegen, also in Zucker, Aminosäuren und Fettsäuren. Alle diese Bausteine haben einen Eigengeschmack und dienen als Vorstufe anderer kleiner Moleküle, die unsere Geschmacks- und Geruchsnerven reizen. Auch die in der Nahrung selbst enthaltenen Enzyme tragen speziell zur Aromatisierung bei – umso mehr, je mehr Zeit ihnen die Mikroben mit Konservierungsmaßnahmen verschaffen.

Ab einem bestimmten Punkt geht mir das dann auch zu weit: Hart auf der Kippe zwischen unappetitlich überreif oder wirklich verdorben balancieren solche Spezialitäten wie der chinesische Stinktofu oder der schwedische Surströmming. Dieser in der Konservendose fermentierte Hering, der die Dose wölbt, ist ein olfaktorisches Erlebnis, das den stärksten Mann umhaut – nur etwas für echte Fans oder in jedem Fall eine Frage der Gewöhnung und der eigenen erlernten Familienkultur.

Aber auch das unvergleichliche Aroma von Schokolade, Vanille oder Kaffee verdanken wir ebenfalls nur den Fermentationsprozessen von Mikroorganismen, die den bitteren Bohnen oder den Vanilleschoten den Geschmack verleihen, den wir so lieben.

Wer sind nun die Miniköche, die unsere Nahrung so köstlich machen? An der Fermentierung von Lebensmitteln sind eine ganze Reihe von unterschiedlichen Keimen beteiligt. Die Mikroben arbeiten entweder alle gleichzeitig oder gedeihen nacheinander und schaffen sich gegenseitig gute Bedingungen – sozusagen ein echtes mikrobiologisches Teamwork.
Die größte Gruppe sind die Milchsäurebakterien, die am Reifungsprozess erstaunlich vieler unserer Leibspeisen beteiligt sind – unter anderem Joghurt, Käse oder auch sahniger Crème fraǐche, Sauerkraut, Dauerwürsten oder asiatischen Fischsoßen. Die zweiten Hauptdarsteller im »Fermentierungstheater« sind die Hefen, vor allem Verwandte unserer Bäckerhefe Sacharomyces cerevisiae, die Alkohol und Kohlendioxid aus Fruchtsäften und anderen zuckerhaltigen Maischen produzieren und für Bier und Wein sorgen. Zur dritten Gruppe gehören die Spezialisten aus dem Reich der Schimmelpilze, die Alkohol bilden, Salami und Käse veredeln oder biotechnologische Wunder vollbringen können.

In einer lockeren Folge möchte ich euch hier im Blog die guten Hausgeister vorstellen, die unser Essen lecker und gesund machen. Die Fermentation ist aber ein sehr weites und vielfältiges Feld, daher muss ich mich auf einige ausgewählte Mikroorganismen beschränken, mit denen ihr sogar selbst zuhause fermentieren könnten.

Literatur zum Weiterlesen:

  • Sandor Katz:  Art of Fermentation, Verlag  INGRAM INTERNATIONAL INC 2013
  • Heiko Antoniewicz, Michael Podvinec, Thomas Ruhl: Fermentation, 256 S., Fackelträger Verlag Köln 2015

Mikrobiologische Grüße

Susanne

 


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Dem Biergeheimnis auf der Spur

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Hefen geben dem Bier seinen besonderen Geschmack @Pixabay

Wasser, Malz und Hopfen braucht man für ein gutes Bier. Das war’s, fast zumindest. Damit aus den Zutaten ein alkoholisches Getränk wird, muss Hefe ausreichend Stärke und Zucker in Alkohol umwandeln. Wie das Bier schmeckt, hängt deshalb auch von bestimmten Fähigkeiten der Mikroorganismen ab. 

 

Die Hefe ist eine häufig unterschätzte Komponente beim Geschmack von Bier und auch Wein. Sie vergären natürlich den Zucker zu Alkohol und Kohlendioxid: die Hefen tragen auch mit unterschiedlichen Geschmackskomponenten zum gesamten Mix im Fermentationsprozess bei.

Mikrobiologen entdecken nach und nach die Geheimnisse hinter dem Bier- und Wein-Geschmack. Um besser zu verstehen, wie das Ganze funktioniert, haben Wissenschaftler jetzt mit gentechnischen Methoden untersucht, welche Hefe-Gene genau verantwortlich für die Geschmacksnoten sind. Sie hoffen, dass sie damit in Zukunft Hefen züchten können, die spezifische Aromen und Geschmacksrichtungen produzieren.

In der Studie die in dieser Woche beim Journal mBio, ein Open-Access Journal der American Society for Microbiology erschien, berichten belgische Forscher, dass sie Hefe-Gene entdeckt haben, welche für die Geschmacksrichtung Phenylethylacetat verantwortlich sind – bekannt für seine angenehme Rosen- und Honig-Note.

„In einigen Weinen, nimmt man die Rosen-Note mehr als in anderen wahr. Aber warum einige Hefearten mehr dieser Verbindung herstellen als andere, war bisher unbekannt.“

Mikrobiologe  Johan Thevelein, einer der Autoren der Studie

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Mit einigen genetischen Tricks und High-Throughput-Analysen untersuchten die Forscher Saccharomyces cerevisiae, eine hybriden Art aus klassischer Bierhefe und einer weiteren Hefe. Sie wurden fündig und isolierten zwei Gene, die sie hinter der Produktion von Phenylethylacetat vermuten.

Unter Nutzung der CRISR/CAS9 –Gen Editing Methode mit einer „Genschere“- waren sie in der Lage durch die Übertragung der Gene eine neue Hefe-Art zu erschaffen, die die Verbindung für die Geschmacksnote nun signifikant erhöht.

Solche neuen Hefearten mit speziellen Eigenschaften für besondere Effekte bei Wein oder Bier zu züchten, ist prinzipiell nichts Neues – betonen die Forscher. Aber in der Vergangenheit war dieser Prozess sehr beschwerlich und oft ein Zufallstreffer. Die wissenschaftlichen Arbeiten der belgischen Forscher machen den ganzen Suchprozess gezielter und viel effizienter.

„Wir müssen nur zwei Dinge tun: Das gewünschte Merkmal in der Hefe verbessern und dabei aber nichts anderes in der Hefe verändern. In der Praxis ist das letzte viel schwerer als das erste. Werden bei der Fermentation Hefen verwendet, die nicht den gewünschten Effekt haben, läuft der ganze Gärprozess schlecht und das ganze Bier kann weggeschüttet werden.“

Johan Thevelein

Mit derselben Gene-Editing –Methode wurden in den vergangen Jahren schon weitere spezifische Gene hinter einer Vielzahl von Geschmäckern entdeckt: z.B. Nerolidol (ein holziger Duft) Ethyl-Acetat (ein süßer Duft wie in Nagelack). Gleichzeitig identifizierten Thevelein und sein Team die Gene für Bananen- und butter-ähnliche Düfte.

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Bierfass @Pixabay

Derzeitig kooperiert das Forscherteam mit einer Belgischen Brauerei, um ihre Erkenntnisse in der Praxis zu testen.

Und das ist sicher nicht der schlechteste Teil des ganzen Experiments 🙂 !

 

 

 

Quelle: http://mbio.asm.org/content/8/6/e01173-17?utm_source=press%20release&utm_medium=website

Mit mikrobiologischen Grüßen

Susanne


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Korsisches Kastanienbier Pietra – Was ist untergärig?

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Korsisches Kastanienbier Pietra Quelle: Thiele

Der Juli ist schon wieder vorbei und damit meine Sommerpause. Für den „Mikrobenzirkus on Tour“ war ich diesmal in Korsika unterwegs und habe natürlich wieder ein neues mikrobiologisches Souvenir mitgebracht. Diesmal ein ganz besonderes Bier – das direkt aus Korsika stammende Pietra à la Châtaigne (oder auch Pietra Ambrée).

Pietra ist ein untergäriges Bier – dazu später für die Mikrobiologie-Nerds noch etwas mehr. Zuerst einmal gibt es noch Interessantes zur Entstehungsgeschichte dieses Bieres zu erzählen.

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Geröstete Maronen Quelle: Thiele

Das Besondere an Pietra ist, dass hier neben der Mischung verschiedener Malze auch korsisches Kastanienmehl die Grundlage für die Maische bildet. In Korsika werden für regionale Spezialitäten gern Maronen, also Esskastanien, verwendet z. B. für Gebäck oder Brotaufstrich.

Die Kastanien für Pietra-Bier stammen aus dem Kastanienwald aus der Region Castagniccia, der mit über 1000 Höhenmetern zu den schönsten und höchstgelegenen in Europa gehört. Die Wälder sind über die steinigen Wege sehr schlecht zugänglich. Deshalb werden die Kastanien angeblich mit Eseln zur Brauerei transportiert.

Kein Bier auf Korsika

Die Bierbraukunst schaut in Korsika übrigens nur auf eine sehr kurze Geschichte zurück. Erst seit 1995 wird dort Bier gebraut. Wieso das? Der gebürtige Korse Dominique Sialelli kam durch erst einen Zufall auf die Idee zur Gründung einer Brauerei. Während eines Heimaturlaubs wollte er in einer Dorfkneipe ein typisch korsisches Bier bestellen. So etwas gab es nicht und man verwies ihn nur auf Importe vom Festland. Er verbiss sich in die Idee ein typisch korsisches Bier zu entwickeln und verlieh seiner Kreation den Namen „Pietra“ nach einer Abkürzung seines Heimatortes. Die erste Brauerei auf Korsika entstand in dem kleinen Ort Furiani. Pietra wird als Herbstbier vermarktet, weil im Herbst die Kastanien geerntet werden.

Bei den patriotischen Korsen wurde das Bier sehr schnell zum Erfolg. Kaum eine Kneipe, Café oder eine Bar schenkt das Kastanienbier nicht aus. Die Pietra-Familie wurde später noch ergänzt um ein Weizenbier mit korsischen Macchia-Kräutern (Colomba) und ein blondes Bier (Serena).

Das Pietra-Bier gehört also zum Korsika-Urlaub unbedingt dazu. Es hat eine schöne Bernsteinfarbe und ein intensives nussig-karamelliges Kastanienaroma. Da ich geröstete Esskastanien sehr mag, traf das Bier natürlich voll meinen Geschmack. Man sollte es aber nicht kühlschrankkalt trinken, da sonst die feinen Geschmacksaromen nicht voll zur Geltung kommen. Also am besten etwas bei etwas bei Zimmertemperatur stehen lassen und etwa bei Temperaturen wie einen Weißwein genießen.

Und – Pietra ist kein günstiger Spaß. Eine Dose mit 0,5 Liter kostet zwischen 1,90 und 2,40 im korsischen Supermarkt. In Deutschland gibt es Pietra in Spezialitätenläden oder es ist auch im Internet erhältlich.

Die Pietra- Brauerei „Brasserei Pietra“  in Furiani südlich von Bastia ist übrigens auch zu besichtigen. Die Führungen finden in den Monaten Juli und August und nur in französischer Sprache statt.

Hefen und der Trank der Götter

Wenn es nun hier schon um die Brauerei geht, wenden wir uns doch nochmal etwas detaillierter der Herstellung des Bieres zu. Man unterscheidet obergärige Biere (Weißbier, Kölsch oder Alt) und untergärige, wie z. B. das Pietra oder Pils.

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Obergärige Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae 1 pixel = 0.038 um, Field of view is 85.12 uM in Diameter (CC BY-SA 3.0)

Diese Unterscheidung beruht darauf, dass unterschiedliche Heferassen zum Bierbrauen verwendet werden. Obergärige Hefen, wie z.B. (Saccharomyces cerevisiae) bilden bei der Vermehrung Sprossverbände, da heißt die Hefen bleiben verbunden und werden durch die aufsteigende Kohlensäure nach oben – an die Oberfläche gebracht.

Untergärige Heferassen wie (Saccharomyces carlsbergiensis) bleiben nicht verbunden und sinken nach unten auf den Kesselboden ab. Sie sind eben- untergärig.

Wenn ihr eine Brauerei besichtigt, wisst ihr sofort welches Bier hergestellt wird. Ist es im Gärkeller angenehm warm, werden obergärige Biere hergestellt, fröstelt man – entstehen untergärige Biere. Das liegt daran, dass obergärige Hefen gern bei Zimmertemperatur 15-20 Grad Celsius wachsen, untergärige Rassen es aber lieber etwas kühler haben (4-9 Grad Celsius).  So konnten untergärige Bier früher auch nur im kalten Winter hergestellt werden. Bei den obergärigen Bieren war das ganzjährig bei Zimmertemperatur möglich. Das ist deshalb auch die ältere Methode. Mit der Erfindung der Kältemaschine durch Carl von Linde im Jahre 1873 begann der Siegeszug der untergärigen Biere.

Hefe bringt Pep ins Bier

Die Hefe ist im Brauprozess sehr wichtig. Sie bringt die aus Malz hergestellte Bierwürze zum Gären. Wir sprechen hier auch von der alkoholischen Gärung. Bei dieser Gärung entstehen aus Malzzucker Kohlensäure und Alkohol. Diese Wirkung von Hefe war zwar schon sehr früh bekannt. Richtig wissenschaftlich erforscht, wurde sie aber erst Ende des 19. Jahrhunderts durch den Franzosen Louis Pasteur und den Dänen Christian Hansen, die verschiedene Heferassen nachwiesen, die sich exzellent zum Bierbrauen eignen. Neben dem Alkohol produzieren die Hefezellen außerdem auch noch bis zu 300 flüchtige und nichtflüchtige Nebenprodukte, z. B. weitere Alkohole, Ester oder Aldehyde, die den Eigengeschmack des Bieres bestimmen. Dabei sind die Hefen sehr ökonomisch, sie vermehren sich ständig weiter und können nach dem Brauprozess einfach gereinigt und weiterverwendet werden.

Bier schäumt nicht vor Wut

Erst die Hefe lässt den Gerstensaft so richtig prickeln. Durch die Beigabe von Hefe wird Malzzucker in der Bierwürze wie schon kurz erwähnt in Alkohol und Kohlensäure umgewandelt. Rund sechs bis acht Tage muss die Hefe dafür im Gärtank arbeiten. Die dann im Bier gelöste Kohlensäure ist verantwortlich für die Entstehung des Bierschaums. Je wärmer das Bier ist, desto schneller perlt die Kohlensäure aus dem Bier. Beim Einschenken entweicht die Kohlensäure dann wieder. Auf dem Weg nach oben im Glas lagern sich an die Bläschen Moleküle an – vor allem Eiweiß aus der Gerste oder dem Weizen. Dadurch bilden sich elastische Häutchen um die Blasen. Das Gemisch setzt sich an der Oberfläche des Bieres ab und bildet den sahnigen weißen Bierschaum.

Nach so viel „Biertheorie“ verspüren wahrscheinlich jetzt einige Appetit auf ein „Kühles“ aus dem Kühlschrank. Na dann Prost!

Und zum Abschluss noch ein paar Impressionen aus Korsika. Es ist wirklich ein wunderschöne Landschaft und ein echter Geheimtipp.

 

Mit mikrobiologischen Grüßen

Susanne