Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co


2 Kommentare

Mikrobe des Jahres 2021: Methanothermobacter

Kleiner Helfer für Energiewende und Wasserreinigung

Methanothermobacter thermoautotrophicus im Elektronenmikroskop 30.000-fach vergrößert. Abb.: Andreas Klingl (CC.BY 4.0)

Als Mikrobe des Jahres wurde in diesem Jahr Methanothermobacter gewählt. Die Mikrobe produziert Biogas – und könnte damit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Methanothermobacter und seine Verwandten tragen zudem zur Abwasserwasserreinigung bei und sichern damit unsere Trinkwasserversorgung. Ihre Aktivität in Böden, Gewässern und Nutztieren nimmt immer mehr zu und dies ist gleichzeitig eine Warnung vor menschengemachten Einflüssen auf das Klima. Diesen für die Umwelt und unser Klima so bedeutenden Mikroorganismus wählte die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) zur Mikrobe des Jahres 2021.

Manche mögen es heiß

Die Geschichte beginnt in einer Kläranlage in Urbana, Illinois, USA. Aus dem anaeroben Schlamm isolierten Gregory Zeikus und Ralph Wolfe 1972 diesen überraschenden Mikroorganismus, der Temperaturen um 65° Celsius bevorzugt und keinen Sauerstoff verträgt. Der hitzeliebende Methanothermobacter gehört zu den  Archaeen – einzelligen, sehr ursprünglichen Lebewesen mit außergewöhnlichen Stoffwechselformen. Dabei ist Methanothermobacter äußerst genügsam: Er lebt nur von Wasserstoff (H2), Kohlenstoffdioxid (CO2) und wenigen Spurenelementen. Mit Hilfe von 200 Genen und nur in Sauerstofffreier Umgebung gewinnt er die für sein Wachstum nötige Energie und bildet dabei Methan (CH4). Das ist chemisch nichts anderes als Erdgas – nur eben biologisch produziert.

Biogas-Produzenten

Pilotanlage zur Herstellung von Methangas mit Hilfe von Methanothermobacter. Quelle: Electrochaea GmbH

Methanothermobacter kann zu erstaunlich hohen Zellkonzentrationen wachsen. Der Organismus wird daher bereits genutzt, um „grünes“ Methan im industriellen Maßstab herzustellen. Grundlage sind dabei Wasserstoff, der bei der elektrolytischen Spaltung von Wasser gewonnen wird, und im Überfluss vorhandenes CO2 aus Verbrennungs- und Industrieprozessen. Das bereits in ersten Produktionsanlagen angewandte Verfahren wird als „Power-to-Gas“ bezeichnet. Das gut speicherbare mikrobiell hergestellte Methan könnte einen wichtigen Schritt zu einer Energiewende darstellen, die von fossilen Rohstoffen unabhängig ist.

Sauberes Trinkwasser dank methanogener Mikroben

In Kläranlagen produzieren „faule“ Organismen wie Methanothermobacter Faulgase, darunter „Grünes“ Methan (CH4) @Czichos

In Kläranlagen werden jährlich riesige Abwassermengen gereinigt und dem Wasserkreislauf zugeführt, aus dem wir unser Trinkwasser gewinnen. Vor allem Mikroorganismen (Bakterien, Archaeen, Pilze und Protozoen) bauen organische Verunreinigungen (Proteine, Lipide, Zucker) zu einfachen Verbindungen ab und klären so unser Abwasser. Die letzte Abbaustufe findet im Faulturm statt, in dem Methanothermobacter und Verwandte leben. Sie bilden ein Faulgas aus Methan, CO2 sowie etwas H2 und In solchen Anlagen produziert Methanothermobacter „grünes“ Methan.

Warner des Klimawandels

Viel organischer Kohlenstoff ist zudem in Dauerfrostböden gebunden, in den Polargebieten und im Hochgebirge. Tauen sie durch die Klimaerwärmung auf, werden Mikroben aktiv und bauen biologisches Material ab. Das daraus freigesetzte Methan beschleunigt als starkes Klimagas in der Atmosphäre den Klimawandel. Noch verharrt etwa ein Viertel der Landfläche der Nordhalbkugel im Jahrtausende alten Permafrost; dort dürfte mehr Kohlenstoff gespeichert sein als in der Erdatmosphäre. Die vermehrte natürliche Aktivität von Methanothermobacter und ähnlichen Mikroben ist ein Warnsignal für unser Klima. Die zunehmende Freisetzung von Methan geht wesentlich auf menschliche Einflüsse zurück: So wird Methan nicht nur aus tauenden Permafrostböden frei, sondern auch aus Reisfeldern, Müllhalden sowie Magen und Darm massenhaft gehaltener Kühe, Ziegen und Schafe.)

@lenadelta_russia_aerial_c_www.bernhardedmaier.de_1

In den spezialisierten Mägen der Wiederkäuer helfen Bakterien und Archaeen beim Verdau von Gräsern – und methanogene Mikroorganismen unterstützen dies unter Bildung von Methan. Damit trägt die intensive Weideviehzucht zur weltweit steigenden Produktion des Klimagases Methan bei. Auch in den riesigen bewässerten Reisfeldern setzen methanogene Mikroben Klimagase frei.

Link zur VAAM-Pressemitteilung pm_mdj_2021.pdf (vaam.de)

Artikel zum Weiterlesen:

Mikrobiologische Grüße

Ihre/Eure

Susanne Thiele

    [wpgdprc "Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst du dich mit der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website einverstanden."]


    2 Kommentare

    Conan, das Superbakterium

    Credit: TEM of D. radiodurans acquired in the laboratory of Michael Daly, Uniformed Services University, Bethesda, MD, USA. http://www.usuhs.mil/pat/deinococcus/index_20.htm - Copy at en:Image:Deinococcus.jpg, uploaded by en:user:Statkit1, taken from www.ornl.gov/ORNLReview/v34 The Oak Ridge National Laboratory

    Credit: TEM of D. radiodurans acquired in the laboratory of Michael Daly, Uniformed Services University, Bethesda, MD, USA. http://www.usuhs.mil/pat/deinococcus/index_20.htm

    Meet the Microbe 11/2015 – Deinococcus radiodurans 

    Das Superbakterium Deinococcus radiodurans wird im Guinness Book of World records als das „the world’s toughest bacterium“ gelistet. Und das aus gutem Grund.

    Die Mikrobe ist das widerstandsfähigste Lebewesen auf der Erde. Säure, extrem kalte extrem oder heiße Temperaturen, Vakuum oder lange Trockenperioden machen ihr nichts aus. Besonders beeindruckend unter ihren Eigenschaften ist ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber radioaktiver Strahlung.

    Daher wird sie von manchen Wissenschaftlern auch als „Conan das Bakterium“ bezeichnet, nach dem gleichnamigen Filmhelden Conan, der Barbar, der mehrfach dem fast unausweichlichen Tode entkommt.

    Deinococcus überlebt ohne Übertreibung die 1.500 fache Dosis an radioaktiver Strahlung, die andere Organismen schon vernichten würde. Die Mikrobe verträgt nach dem US-Forscher Michael Daly eine Strahlenbelastung von bis zu 10.000 Gray. Bereits 6 Gray sind für einen Menschen tödlich. Dabei ist Gray die Maßeinheit der physikalischen Größe, welche die Wirkung von Strahlung ausdrückt.

    Entdeckung in der Konserve

    Das ungewöhnliche rote kokken-förmige Bakterium mit der damals unbekannten Resistenz gegen Ultraviolett- und Röntgenstrahlung wurde Ende der 1950er Jahre in einem landwirtschaftlichen Labor von Arthur W. Anderson entdeckt. Dort wurden Fleischkonserven mit hohen Dosen radioaktiver Gamma-Strahlung sterilisiert. Doch Deinococcus radiodurans wuchs und vermehrte sich fröhlich weiter. Dem wollte man auf den Grund gehen.

    Bruchsicheres Erbmaterial

    Welche biologischen Mechanismen schaffen eine solche Supermikrobe, die so widerstandsfähig gegen Strahlung ist? Zum einen hat das Bakterium eine sehr starke Zellwand, die es vor UV-Strahlung schützt. Das aber allein reicht natürlich noch nicht.

    Der Mikroorganismus hat besondere Reparaturmechanismen, um sein Erbgut, also seine DNA, außergewöhnlich gut und schnell zu reparieren, wenn durch die Einwirkung von radioaktiver Strahlung z.B. Brüche entstanden sind. Also eine Art zerstörungssichere DNA. Die Reparatur wird durch bestimmte Enzyme übernommen, die die DNA oder die Chromosomen schnell wieder instandsetzen. Sogar Doppelbrüche können schnell repariert werden. Deinococcus ist von der ganz schnellen Truppe und kann 500 solcher Reparaturen in derselben Zeit durchführen, in der das Darmbakterium E. coli etwa 2-3 schafft.

    Eine weitere clevere Strategie ist die Organisation der DNA bei Deinococcus in einer besonderen ringförmigen Struktur, einem „Toroid“. Diese hindert die Bruchstücke nach der Schädigung durch die Strahlung daran, von der Zellflüssigkeit weggeschwemmt zu werden. Das Erbmaterial wird trotz der Brüche am Platz gehalten, ähnlich wie bei einer bruchsicheren Verbundglasscheibe beim Auto und das Puzzle kann später schneller zusammengesetzt werden (Science-Studie von Smadar Levin-Zaidman vom Weizmann-Institut in Rehovot). Das Bakterium verliert damit keine Information.

    Schließlich wird noch ein weiterer Trick genutzt. Ein doppelter Korrekturdurchlauf als Selbstreparaturmechanismus. Es liegen vier bis zehn Kopien des Genoms vor. Diese werden als Vorlage für einen zweiten Durchlauf genutzt, der Fehler in der anderen Kopie ausgleicht. Nur am Rande: Beobachtet wurde ein ähnlicher Reparaturmechanismus z.B. nur bei der männlichen Spermienzelle des Menschen, der eine ähnlich ringförmige DNA-Struktur aufweist, als Schutz vor radioaktiver Strahlung.

    Science fiction oder Anpassung?

    Das wirft gleich die nächste Frage auf. Warum verfügt eine Mikrobe auf der Erde über diese extremen Fähigkeiten im Umgang mit radioaktiver Strahlung? Welcher Evolutionsdruck hat dafür gesorgt, dass sich dieser „echte Held“ unter den Mikroorganismen entwickelte, obwohl nirgendwo auf der Erde diese Bedingungen anhaltend vorherrschen. Science fiction- Szenarien von unterirdischem Höhlen voller Radium oder unterirdische Kernreaktoren längst vergangener Zivilisationen natürlich sowieso ausgenommen.

    Deinococcus Radiodurans auf Agarplatte (courtesy Science.nasa.org)

    Deinococcus radiodurans auf Agarplatte
    (courtesy Science.nasa.org)

    Am wahrscheinlichsten ist eine Anpassung an Wassermangel. Denn extreme Austrocknung setzt die DNA unter ähnlichen Stress wie Strahlung. So ist es eher eine Anpassung der Spezies, schon vor langer Zeit, an sehr trockene Umgebungen.

    Das Genom des aus mehr als drei Millionen Basenpaaren bestehenden Mikroorganismus wurde von Wissenschaftlern vom Institute for Genomic Research (TIGR) im November 1999 sequenziert. Dabei wurden bereits erste Hinweise gefunden, die zur Fähigkeit beitragen, unter Bedingungen der Nahrungsknappheit und des oxidativen Stresses große Schädigungen der DNA zu überleben.

    Generalist und Weltenbummler

    Wo ist das natürliche Habitat der Mikrobe Deinococcus? Die Bakterien können zusammen mit einer bestimmten Gattung von Cyanobakterien unter härtesten Lebensbedingungen leben. Man bezeichnet sie daher auch als „Extremophile“ in diesem Fall sogar als „poly-extremophil“.
    Sie kommen eher sehr unwirtlichen Gegenden vor, wie im Lama-Elefanten-Kot, auf Fischen oder Enten, im radioaktiven Abfall oder in antarktischen trockenen Tälern vor. Die Bakterien finden auch an den lebensfeindlichsten Orten noch eine ökologische Nische und sind überall vertreten, auch in Kühlwasserkreisläufen von Atomreaktoren oder im Darm von Menschen.

    Abgewanderte Marsmikrobe?

    Der Überlebenskünstler Deinococcus ist natürlich von großem Interesse für die Astrobiologie und ein ganz heißer Kandidat für die Suche nach Leben im Weltall. Welche Organismen könnten sonst die Reise in einem Meteoriten durch den Weltraum überstehen, als solche die sehr widerstandsfähig gegenüber Strahlung und Vakuum sind.

    Das stützt auch die These der Panspermie, die besagt, dass einfache Lebensformen in der Lage sind, sich über große Distanzen durch das Universum zu bewegen. Einige könnten vor etwa 3,5 Milliarden Jahren den Weg gefunden haben und den Ursprung des Lebens auf der Erde begründet haben. In diesem Zusammenhang stellten Forscher 2002 im New Scientist die These auf, dass es sich bei Deinococcus radiodurans um eine abgewanderte Marsmikrobe handelt. NASA- Wissenschaftler hielten zuvor schon ein anderes Modell für möglich: eine uralte Mikrobe landet mit einem Meteor auf unserem roten Planeten wurde Basis des Lebens darauf.

    Wahrscheinlich stimmt diese These nicht, aber eine geheimnisvolle Vergangenheit steht auch Conan, dem Bakterium für sein Marketing sehr gut.

    Datenspeicher für die Zukunft

    Als Datenspeicher für die Ewigkeit sind CD, Festplatte oder Papier nicht geeignet. Die besonders widerstandsfähigen Bakterien sind also auch als überdauernder Informationsträger interessant. Die Daten können in Form von künstlicher DNA in den Bakterien gespeichert und später wieder abgerufen werden. US- amerikanische Wissenschaftler haben zum Beispiel den Text des englischen Kinderliedes „It’s a Small World“ in den genetischen Code aus den vier Basen der DNS übersetzt und diese Sequenz in das Erbgut der Bakterien eingeschleust.

    It’s a small world after all

    It’s a small world after all

    It’s a small world after all

    It’s a small, small world

    Disney – It’s A Small World Lyrics | MetroLyrics

    Noch nach etwa 100 Bakteriengenerationen ließen sich die Sequenzen wieder auslesen. Die eingebrachte Information wurde als stabil abgespeichert und zusätzlich noch vermehrt durch die Vervielfältigung der Bakterien.

    Kleiner Nachteil dabei: man kann leider nur sehr wenig Information abspeichern. Die Daten für den kurzen Liedtext mussten in vielen Bakterienspeichern abgelegt und nach dem Auslesen wieder in die richtige Reihenfolge gebracht werden. Also etwas mühselig für die Nachrichtenübermittlung an unsere zukünftigen Generationen im Vergleich zu den üblichen Datenspeichern.

    Retter für die biologische Sanierung

    Bei der Herstellung von Atomwaffen entsteht radioaktiver Giftmüll, der schwer zu entsorgen ist. Zwar existieren Mikroben, die z.B. Uran fressen wie Geobacter metallireducens, der aber verträgt die radioaktive Strahlung nicht gut. Hier könnte nun Deinococcus der Retter sein.

    Leider ist das Bakterium zwar strahlungsresistent, aber findet wiederum den Giftmüll nicht „lecker“, verwertet ihn also nicht. Damit ist es als Entseuchungshelfer nicht gut einsetzbar. Es sei denn man schleust Gene aus den giftmüllfressenden Supermikroben in Deinococcus ein. Das wäre eine sehr elegante Lösung für ein kompliziertes und durch uns Menschen selbst gemachtes Problem.

    Fallen Dir noch weitere interessante Fakten zu Deinococcus ein?

    Dann freue ich mich über einen Kommentar von Dir!

    Quellen:

    „Ringlike Structure of the Deinococcus radiodurans Genome: A Key to Radioresistance?“ in „Science“ (Bd. 299, S. 254) erschienen.

    Kim, J.I. & Cox, M.M. The RecA proteins of Deinococcus radiodurans and Escherichia coli promote DNA strand exchange via inverse pathways. Proc Natl Acad Sci USA 99, 7917-7921 (June 11, 2002)

    Makarova, K.S. et al. Genome of the extremely radiation-resistant bacterium Deinococcus radiodurans viewed from the perspective of comparative genomics. Microb Mol Biol Rev 65, 44-79 (March 2001).

    Brim, H. et al. Engineering Deinococcus radiodurans for metal remediation in radioactive mixed waste environments. Nat Biotechnol 18, 85-95 (January 2000).

    White, O. et al. Genome sequence of the radioresistant bacterium Deinococcus radiodurans R1. Science 286, 1571-1577 (November 19, 1999).

    Kleine Wunderwerke. Die unsichtbare Macht der Mikroben. Idan Ben-Barak. Spektrum Akademischer Verlag 2010