Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co


7 Kommentare

Warum Adele und Prinz Harry jetzt weniger duschen – Cleansing Reduction

child-666043_1920_ccpublic-domain_pixabay

Täglich duschen – muss das eigentlich sein? (CC Public Domain, Pixabay)

Also irgendwann im Leben muss man(n) oder frau sich entscheiden. Entweder bin ich ein wohlriechender Mitmensch oder sollte ich der Mikroben-WG auf meiner Haut vielleicht eher eine gesunde ökologische Nische bieten? Eine schwierige Frage – ich möchte mich ja auch noch in der Umwelt unter Menschen bewegen…

Aber mal ganz ehrlich, wie sieht unser gewöhnlicher Morgen aus. Ich habe zum Beispiel unkomplizierte kurze Haare und springe morgens komplett unter die Dusche. Und das täglich. Natürlich! Wenn ich nach dem Büro noch Joggen gehe -so alle 2-3 Tage – dann dusche ich abends auch nochmal. Haare shampoonieren, sich einseifen unter dem Wasserstrahl – für mich ist das eine ganz selbstverständliche Hygiene.

Keine Zeiten für feine Näschen

Täglich duschen? Für unsere Vorfahren noch bis vor 150 Jahren war das ganz und gar nicht selbstverständlich. Sie duschten sich nie und wuschen sich kaum. Deos und Seifen waren nicht bekannt. Dementsprechend dürften sie auch gestunken haben. So richtig geändert hat sich das erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Um 1850 forderte der ungarische Arzt Ignaz Semmelweis erstmals medizinisches Personal auf, sich regelmäßig die Hände zu waschen vor dem Kontakt mit den Patienten. Etwas später entdeckte Louis Pasteur, der bekannte französische Chemiker, den Zusammenhang zwischen Bakterien und Krankheiten. So startete die Hygiene-Revolution. Wir leben heute viel gesünder und vor allem länger mit einer viel höheren Lebensqualität. Aber es gab vor 150 Jahren kaum Akne oder Hautallergien.

Unsere moderne Körperhygiene hat also nicht nur positive Seiten, vor allem nicht wenn sie zum übertriebenen Sauberkeitswahn auswächst. Mit all den Seifen, Lotionen, Deos und Shampoos „killen“ wir Tag für Tag Milliarden von guten Bakterien, die unsere Haut besiedeln. Ziemlich kontraproduktiv. Denn meistens sind das gute bakterielle Nachbarn, die schon Hunderttausende von Jahren mit uns leben. Die Mehrzahl ist uns wohlgesonnen, trägt zur Hautgesundheit bei und unterstützt uns in der Abwehr gefährlicher Keime an vorderster Front. Die Symbiose von Mensch und Mikrobe ist auch hier ein evolutionärer Glückfall!

Mikrokosmos Haut – „Terra incognita“

Wer lebt denn eigentlich Haut an Haut mit mir? Das Ökosystem unserer zarten Schutzhülle mit seinen zahlreiche Bakterien, Viren, Pilze und Milben ist noch weitgehend „Terra incognita“. Erst seit etwa 10 Jahren interessieren sich Biologen überhaupt für das Hautmikrobiom.
Mindestens sieben Milliarden Mikroorganismen besiedeln unsere knapp zwei Quadratmeter große Haut. Die Haut eines Embryos ist noch keimfrei, aber schon mit der Geburt beginnt die Besiedelung. Falten, Furchen und Flächen sind prima Wohnorte für Keime. Wer auf der Haut heimisch wird, hängt von den Genen, aber auch vom Wohnort, Klima mit seiner Feuchtigkeit und sogar vom Geschlecht ab. Frauen besitzen zum Beispiel eine viel größere Vielfalt verschiedener Bakterien an den Handflächen, obwohl sie sich durchschnittlich doppelt so häufig waschen.

Noch ein paar Zahlen gefällig? Mehr als 800.000 Bakterien pro cm2 tummeln sich auf unserer Kopfhaut. Auf der Stirn sind es durchschnittlich 154.881 pro cm2. Auf den Handflächen sind es fast 1.000 pro Quadratzentimeter. Bakterien leben auf jeder gesunden Haut. Besonders gern auf feuchten Partien. Sie umspannen unseren Körper wie ein Schutzschild und schützen ihn vor äußeren Einflüssen.

hautmikrobiom_1453798595603

Unsere Haut ist mit unterschiedlichen Bakterienstämmen besiedelt (Quelle: Nature Reviews Microbiology)

Wir nehmen außerdem auch noch ständig neue Mitbewohner in unseren Bakterienzoo aus der Umwelt auf. Wir teilen die Mikroben mit unseren Mitmenschen und Katz und Hund in unserer Umgebung. Wir sammeln sie von z. B. Türklinken und Computertastaturen auf. Dann entbrennt ein Konkurrenzkampf auf unserer Haut zwischen Alteingesessenen und neuen Eindringlingen um Nährstoffe und Wohnorte.

Man könnte ganz vereinfacht zwischen „guten“ und „schlechten“ Bakterien unterscheiden. Auch auf gesunder Haut befinden sich natürlich infektiöse Bakterien, aber sie werden von den anderen Bakterien sozusagen „in Schach gehalten“. Eine gesunde Haut hat immer eine Balance zugunsten der guten Bakterien z.B. verschiedene Milchsäurebakterien oder Staphylococcus epidermidis. Diese bringen die Mikroflora ins Gleichgewicht, fördern den natürlichen sauren pH-Wert der Haut, produzieren antimikrobiell wirkende Stoffe gegen Krankheitserreger und verbessern unserer Hautbarriere, indem sie die Verbindungen der Hautzellen untereinander stärken.
Unsere winzigen Mitbewohner sind Bodyguards, Reinigungskommando und Warnsystem zugleich. In Jahrmillionen der Co-Evolution hat sich in der Symbiose Mensch –Mikrobe ein perfektes Miteinander eingespielt. Das Mikrobiom der Haut ist aber auch anfällig für Störungen, wie jedes Ökosystem. Jede Veränderung stört die gesunde Balance. Desinfektionsmittel oder antimikrobielle Seifen sind natürlich Umweltkatstrophen in diesem Mikroben-Dschungel.

Seife & Co – Was passiert eigentlich beim Duschen?

soap-589824_1920_cc_public_-domain_-pixabayjpg

Seifen können unsere Haut austrocknen (CC Public Domain, Pixabay)

Mit Seife, Deos etc. bringen wir das tägliche Gleichgewicht der Haut gehörig durcheinander. Allein beim Duschen mit Wasser verlieren wir pro Duschgang etwa 30 bis 40 Prozent unserer Hautflora, laut dem Biotechunternehmer Jamie Heywood, Direktor von Aobiome, einer auf Hautbakterien spezialisierten Firma (SonntagsZeitung vom 24.1.16). „Unsere Haut wurde von der Evolution nicht darauf hin konzipiert, dass wir sie jeden Tag mit 37 Grad warmen Wasser durchwaschen“, sagt Heywood. Mit Seife killen wir sogar noch viel mehr Mikroben.

Unsere Mikrobenpopulation auf der Haut wird zwar niemals ganz leergefegt. Einige Bakterien werden sich immer in feinen Hautritzen, in Haarbalgen oder in Schweißporen halten und überleben. Aber die natürliche Balance der Haut ist gestört. Eine fast sterile Haut ist für unsere Gesundheit ein großes Problem. Wie beim Darm gilt hier auch- je vielfältiger und stabiler die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft, desto gesünder. Zum Beispiel fand die Mikrobiomforscherin Elizabeth Grice von der University of Pennsylvania heraus, dass Wunden am schnellsten heilen, wenn besonders viele verschiedene Bakterien dort vorkommen.

Was passiert eigentlich, wenn unsere Hautbakterien ihre natürlichen Aufgaben nicht mehr ordentlich übernehmen können? Das untersuchen Wissenschaftler derzeit in Europa im Rahmen des „Microbes in Allergy and Autoimmunity Related to the Skin“- Project (MAARS). Hier erforschen die Wissenschaftler, ob die Baktierien der Entstehung von Hautkrankheiten wie Schuppenflechte oder Neurodermitis beteiligt sind. Alle diese Hautleiden haben möglicherweise mit einem gestörten Gleichgewicht der menschlichen Hautflora durch exzessive Körperhygiene zu tun. Mikroben kommunizieren nämlich nicht nur untereinander, sondern auch mit der Haut. Der Dermatologe Bernhard Homey von der Uniklinik Düsseldorf ist sich sicher, dass Mikroben mit den Immunzellen Informationen austauschen. Das wäre insofern sehr interessant, da bei Schuppenflechte und Neurodermitis ein fehlgesteuertes Immunsystem eine entscheidende Rolle spielt (FOCUS Gesundheit „Die Haut“ (2014).

Natürlich sind aber nicht nur die Mikroorganismen schuld, wenn es uns juckt und die Haut schuppt. „Bei Hautkrankheiten gibt es immer ein komplexes Zusammenspiel zwischen der genetischen Veranlagung, den Umwelteinflüssen und dem Hautmikrobiom“, sagt Bernhard Homey. Bisher haben die Wissenschaftler den Einflussfaktor des Mikrobioms fast völlig ignoriert. Es wird noch mindestens fünf bis zehn Jahre dauern, bis passende Medikamente auf den Markt kommen.

Modernen Menschen fehlen bestimmte Hautbakterien?

germ-41368_1280_cc_public-domain_pixabay

Uns modernen Menschen fehlen bestimmte Keime in der Hautflora. (CC Public Domain, Pixabay)

Uns modernen Menschen nach der Hygiene-Revolution fehlen schon wichtige Bakterien in unserem Hautmikrobiom. Die Balance der Hautmikroben stimme nicht mehr nach einem Befund von Heywoods Firma Aobiome. Deren wissenschaftlicher Leiter David Whitlock ist davon überzeugt, dass modernen Menschen heute sogenannte ammoniak-oxidierende Bakterien (AOB) fehlen. Normalerweise kommen diese Bakterien überall vor, wo es Ammoniak gibt – im Wasser oder Boden außer eben auf der menschlichen Haut.

Das war vor der Hygiene-Revolution wohl anders. Dies zeigt eine Studie mit der indigenen Volksgruppe der Yanomami im Amazonasgebiet. Alle Yanomami haben ammoniak-oxidierende Bakterien auf ihrer Haut. Bei uns westlichen Menschen findet man diese Bakterien bei weniger als einem Prozent der Bevölkerung. Ist das schon eine evolutionäre Anpassung an unsere veränderte Körperhygiene mit weitreichenden Konsequenzen? Zumal ammoniak-oxidierende Bakterien wichtige Funktion auf der Haut haben. Sie wandeln Ammoniak aus Schweiß und Urin in Nitrit und Stickstofmonoxid um. Beide Substanzen wirken anti-entzündlich. Diese Bakterien senken zudem den pH-Wert. Die Haut wird saurer und kann so andere schädliche Bakterienabwehren.

Diese Erkenntnisse nutzte Aobiome nun für eine neue hautfreundliche Produktlinie „Mothers Dirt“ (Mutters Dreck). Wichtigstes Produkt ist ein Spray mit lebenden ammoniak-oxidierenden Bakterien, welches ganz erfolgreich läuft und ohne viel Werbung schon 9000 Kunden mit guter Presse erreicht hat. Im Prinzip soll man sich täglich mit Bakterien besprühen und weniger waschen. Eine kleine Studie konnte schon zeigen, dass sich das Aussehen der Haut verbessere und die Haut sich besser anfühle.

Im Moment gibt es einige neue Firmen, die Produkte entwickeln, die sich die bessere Balance der Hautflora auf die Fahne schreiben. Zum Beispiel tüftelt in Magdeburg die Firma S-Biomedic an einer komplexen Mischung von Bakterien, die das Ungleichgewicht der Haut beheben soll. In Genf forscht eine Forschergruppe an einem natürlichen Deo. Die Firma ibiotics der Mikrobiologin Christine Lang entwickelt probiotische Kosmetik auf der Basis von Milchsäurebakterien. All das sind spannende Stories – dazu gibt es hier demnächst im Blog noch einen gesonderten Artikel.

Was ist denn nun mit dem Duschen?

shower-1502736_1920_ccdomain_pixabay

Wie duschen wir richtig? (Quelle: CC Public Domain, Pixabay)

Bleibt noch die Dusch-Frage zu klären. Soll ich weniger duschen oder vielleicht ganz ohne Seife? Ein spannendes Experiment des SWR odysso begleitete die junge Mutter Laura Blumenthal, die drei Wochen nicht mehr täglich duschte. Erlaubt waren nur einmal in der Woche duschen und sonst nur Katzenwäsche. Und es funktioniert!

Ergebnis des Duschexperiments. Nach einer Eingewöhnungszeit wurde der Duschrhythmus normal. Keiner rümpfte die Nase. Nach den drei Wochen hatte Laura sogar zwei neue Bakterienarten auf ihrer Haut – Acinetobacter iwoffii und Pseudomonas stutzeri – das sind Bakterien, die normalerweise in Spuren bei jedem Menschen vorkommen. Hier hatten sie günstige Bedingungen, sich zu vermehren. Diese Bakterien helfen uns, gesund zu bleiben.

Wie duscht man mikrobenfreundlich?

Und auch Hautärzte geben einige Tipps zum richtigen Duschen. (Hans-Georg Dauer, Hautarzt aus Köln und Mitglied im Berufsverband der Deutschen Dermatologen)

Nicht zu heiß duschen: Dies trocknet die Haut unnötig aus und es kommt leicht zu Verletzungen.

Nicht zu oft und zu lange duschen: Es ist nicht nötig täglich zu duschen, es sei denn man schwitzt sehr stark. Dann reicht es aber, sich nur mit Wasser abzubrausen. Sonst quillt die Haut zu stark auf.

Nicht zu viel Duschgel: Parfümierte Seife und Duschgele haben einen stark alkalischen pH-Wert. Damit wird der Säureschutzmantel der Haut angegriffen und Infektionen mit Bakterien, Viren und Pilzen werden Tür und Tor geöffnet. Ein mildes Duschöl ohne Duftstoffe reicht vollkommen aus.

Nicht mit Shampoo den Körper waschen: Shampoos sind für die behaarte Kopfhaut entwickelt worden und trocknen die übrige Haut viel zu stark aus und strapazieren sie.


Kleiner Nachtrag: Antibakterielle Seife in USA vom Markt

Eine positive Nachricht gab es noch während der Recherchen zu diesem Artikel. „USA wirft Keimtöter vom Markt“ – so informierte die Laborwelt am 5.September 2016. Lange gab es Werbung für antibakterielle Seifen, die die ganze Familie vor Krankheitserregern von Infektionen schützen sollte. Doch dieses Bild täuschte gewaltig, wie viele Studien zeigten. Im Gegenteil spielen die Seifen wohl sogar eine Rolle bei der Entstehung multiresistenter Keime. Die US-amerikanische Arznei- und Lebensmittelbehörde hat nun Konsequenzen gezogen und die antibakteriellen Seifen für den Hausgebrauch verboten. Die Studien ergaben, dass herkömmliches Händewaschen genauso gut wirkt, wie das Waschen mit keimtötender Seife. Damit sind nun 19 aktive Inhaltsstoffe vom Markt genommen, darunter z. B. häufig verwendete Inhaltsstoffe wie Triclosan oder Triclocarban. Das Verbot betrifft im Moment nur Seifen, nicht die auch gebräuchlichen Desinfektionsmittel für unterwegs.

Fazit: Also nicht übertreiben mit der Hygiene. Alles zu sterilisieren ist voll retro. Weniger ist auch hier manchmal mehr.

In den Promi-Journalen heißt der neue Trend übrigens „Cleansing Reduction“, dem angeblich auch Sängerin Adele, Schauspielerin Jessica Simpson und der britische Prinz Harry frönen. Die Anhänger dieser Anti-Dusch-Bewegung stellen sich maximal zweimal pro Woche unter die Brause. Ihr Argument: Tägliches Duschen würde gesunde Bakterien wegspülen, die auf unserer Haut leben und Krankheitserreger bekämpfen. Zudem würden der Haut natürliche Fette entzogen, dadurch trockne sie aus.

Na also, wenn die VIP’s schon mitmachen…

Ich kaufe mir auch ein neues Duschöl und überlege, ob ich mal einen Tag mit dem Duschen aussetze!

Mikrobiologische Grüße

Susanne


Leave a comment

Allerhand los in der Nase!

csm_Schaubild_der_Nasenregion_Ursula_Kaspar_Universitaetsklinik_Muenster_27052016_d3ab8505c9

Schaubild der Nasenregion. Die schwarzen Punkte markieren, wo Proben für die Studie entnommen wurden. (Bildquelle: Ursula Kaspar, Universitätsklinik Münster)

Menschen haben viele unterschiedliche Nasen – krumme, schiefe, gerade, große oder kleine. Wir atmen ein und aus, riechen und schmecken dank unserer vielgestaltigen Nasen. Allen Nasen gemeinsam ist aber, dass sie eine wohltemperierte, mit schwankender Luftfeuchtigkeit und Nährstoffen frei Haus versorgte, Umgebung bieten. Also kein Wunder, dass hier ein regelrechtes Gedränge von Bakterien an den Nasenwänden herrscht. Millionen tummeln sich dort. Mikrobiologisch gesehen hat jeder von uns die Nase voll.

Persönlicher „Fingerabdruck“ in der Nase

Überraschenderweise hat jeder Mensch seine ganz persönliche Mikroben-Signatur in der Nase – so individuell wie ein Fingerabdruck. Das konnten jetzt Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig erstmals auch in einer größeren Studie belegen. Gemeinsam mit Partnern an der Universität Münster untersuchten Dietmar Pieper und seine Arbeitsgruppe das Nasen-Mikrobiom von rund 80 Menschen mit Hilfe genetischer Analysemethoden.Dabei konnten sie mindestens 13 verschiedene Typen mit einer vergleichsweise ähnlichen „Nasen-Flora“ unterscheiden. Das könnte wichtige Hinweise für die Medizin bieten, wenn die betreffenden Patienten unterschiedlich auf Antibiotika-Behandlungen oder andere Therapien reagieren.

Wohngemeinschaften in der Nasenhöhle

Corynebacterium_accolens_melag-diamed.ru.

Corynebacterium accolens (Bildquelle: melag-diamed-ru)

Viele Keime in der Nasenhöhle sind völlig harmlos. Sehr häufig tritt die Bakterienart Corynebacterium accolens in den Bakteriengemeinschaften auf. Andere Keime können aber auch Krankheiten auslösen, wie z. B. MRSA-Bakterien (methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Stämme), gegen die viele gängige Antibiotika unwirksam sind. Im Normalfall verursachen sie keine Symptome, aber wenn diese Bakterien in offene Wunden eintreten, kann es problematisch werden. Allein schon wegen der potenziellen Gefährdung durch MRSA und andere Krankheitserreger interessiert man sich aktuell verstärkt für das „Nasen-Mikrobiom“, wie die Bakterien-Gemeinschaften in den oberen Atemwegen genannt werden.

„Es ist anzunehmen, dass das individuelle Mikrobiom die Wirksamkeit verschiedener Therapien beeinflusst“, sagt Dietmar Pieper, Seniorautor der Studie. „Wir sehen mit dem Vorhandensein einer begrenzten Anzahl an Mikrobiom-Typen das Potenzial, Behandlungen im Sinne einer personalisierten Medizin individuell an den jeweiligen Patienten anzupassen.“

Kein Einfluss auf chronische Nasenentzündung

Und noch ein weiteres Ergebnis überraschte die Wissenschaftler: Bei Menschen, die an chronischer Rhinosinusitis leiden – einer anhaltenden Entzündung der Schleimhäute in Nase und Nasennebenhöhlen – fanden sie die gleichen Gruppen von Bakterien wie bei Gesunden. Es kamen weder mehr noch grundsätzlich andere Mikroorganismen vor. Selbst Nasenpolypen scheinen die Bakterienflora in unseren Nasen nicht zu beeinflussen.

„Man hätte erwarten können, dass bei chronischen Entzündungen andere Keime zahlenmäßig vorherrschen – sei es als Ursache oder als Folge der Erkrankung“, erklärt Pieper. „Die Rolle der Bakterien bei der Rhinosinusitis bleibt daher ungeklärt.“

Da werden die Wissenschaftler also noch weitere Nasen untersuchen müssen!

Ich freue mich wie immer über eure Kommentare!

Mikrobiologische Grüße

Susanne

 

Originalpublikation: Wos-Oxley M.L., Chaves-Moreno D., Jáuregui R., Oxley A.P., Kaspar U., Plumeier I., Kahl S., Rudack C., Becker K., Pieper D.H. Exploring the bacterial assemblages along the human nasal passage. Environmental Microbiology. 2016 May 21. DOI: 10.1111/1462-2920.13378. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27207744

 

 

 


1 Kommentar

Beeinflussen Darmbakterien unser Wunschgewicht?

anatomy-160524_1280 CC0 Public Domain

Bakteriengemeinschaft im Darm (CC0 Public Domain)

Bücher über unseren Darm sind derzeit en vogue. Seit dem Einsteigerbuch „Darm mit Charme“ der jungen Medizinstudentin Giulia Enders, die spannend und unterhaltsam erklärte, was wir mit dem Darm für ein hochkomplexes und wunderbares, nur leider extrem vernachlässigtes Organ haben, sind Darmbakterien und deren vielfältige Aufgaben ein Trendthema.

Die Erforschung dieses Ökosystems in unserem Inneren hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. Inzwischen weiß man, dass auch das Gewicht und das Wohlbefinden zu einem entscheidenden Teil von der Darmflora bestimmt werden. Die wissenschaftlichen Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, über die Ernährung Einfluss auf die Darmbakterien und den Verdauungstrakt und dadurch auch auf das Körpergewicht zu nehmen.

Und schon drängen Ratgeber mit entsprechenden Darmdiäten auf den Markt, wie zum Beispiel „Schlank mit Darm“, geschrieben von der Ernährungsexpertin Prof. Dr. med. Michaela Axt-Gadermann. Für mich war der Diätansatz nicht hauptsächlich interessant, wohl aber einige neue Erkenntnisse über das Zusammenspiel der unterschiedlichen Mitbewohner in der Wohngemeinschaft in unserem Darm im Zuge einer Ernährungsumstellung im letzten Jahr. Was ist aber dran am Konzept?  

Mit Darmbakterien zum Wunschgewicht?

Wieso können Darmbakterien also angeblich überhaupt unser Gewicht beeinflussen? Dazu müssen wir uns die Verhältnisse vor Ort genauer anschauen: Unser Darm bietet auf einer gefalteten Oberfläche von 500 Quadratmetern – oder zwei Tennisplätzen – viele „Zimmer“ für die Bewohner der Darmflora. Er ist unterschiedlich besiedelt vom Mund bis zum After. Die meisten Mikroben leben im Darm, wobei vier bis 5 Meter auf den Dünndarm entfallen. Richtig eng und gemütlich wird es erst im etwa 1,5 langen Dickdarm. Hier herrscht ein richtiges Gedränge, weil fast 99 Prozent aller Darmkeime sich hier aufhalten. Diese Bakterien-gemeinschaft (etwa 2 bis 3 Kilo) spielt eine enorme Rolle, wenn ein Mensch übergewichtig wird oder Stoffwechselstörungen wie Diabetes entwickelt.

Von dicken Mäusen und dicken Menschen  

Schon vor gut 10 Jahren fanden amerikanische Experten heraus, dass Mikroben einen Einfluss auf die Energieverwertung von Mäusen haben. Neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass auch die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft im Darm einen bestimmt, wieviel Energie aus der Nahrung gezogen wird. Im Labor von Jeffrey Gordon, Washington-Universität in St. Louis, wurden 4 weibliche Zwillingspaare untersucht, wobei jeweils eine Zwillingsschwester starkes Übergewicht hatte. Transferierte man nun über Stuhlproben die Darmbakteriengemeinschaften auf keimfrei gezogene Mäuse, zeigte sich ein überraschendes Ergebnis. Die Mäuse mit dem Darmmikrobiom der übergewichtigen Zwillingschwestern nahmen deutlich schneller an Gewicht zu (rund 20 Prozent mehr Körperfett), ohne viel mehr zu fressen. Die Mäuse mit den Bakterien der Schlanken behielten ihr Gewicht. Für dieses Ergebnis machten die Wissenschaftler die unterschiedlichen Bakteriengemeinschaften bei übergewichtigen und normalgewichtigen Menschen verantwortlich. Im Darm der übergewichtigen Zwillinge kamen deutlich weniger Bakterienarten vor.

Hielt man die dicken und die schlanken Mäuse zusammen in einem Käfig, konnte man noch eine überraschende Beobachtung machen. Die moppeligen Tiere fraßen den Kot der schlanken Artgenossen und damit die „schlankmachende“ Bakteriengemeinschaft. Sie verloren an Gewicht. Dieser Effekt blieb nur erhalten, wenn die Tiere eine ausgewogene und gesunde fettarme Ernährung mit reichlichen Ballaststoffen bekamen. Die „schlankmachenden“ Bakterien konnten sich sozusagen mit dem richtigen „Bakterienfutter“ dauerhaft im Darm der moppeligen Nager ansiedeln.

Auf dieser Erkenntnis basiert das Konzept der Bakteriendiät „Schlank mit Darm“. Mit einer speziellen Ernährungsumstellung sollen vermeintliche „Rank und Schlank-Bakterien“ im Darm zum Wachsen angeregt werden und die „Hüftgoldbakterien“ verdrängen. Wenn Sie also nett zu Ihrer Darmflora sind, verbrauchen Sie bis zu 10 Prozent mehr Kalorien pro Tag – so lautet ein Versprechen im Buch „Schlank mit Darm“. Die meisten Forscher bezweifeln diese simple Strategie. Wissenschaftliche Beweise, dass es so einfach auch beim Menschen funktionieren könnte, gibt es leider noch nicht.

Der Darm ein unerforschter Planet – „terra incognita“

Tatsächlich ist es so, dass die Erforschung des Darms – obwohl er direkt unter unserer Nase liegt- erst begonnen hat. An die 40 Billionen Bakterien trägt ein gesunder Mensch mit sich herum. Viele haben nicht mal einen Namen. Erst vor einiger Zeit hat der Wissenschaftler Henrik Bjørn Nielsen von Dänemarks Technischer Universität in Lyngby bei Kopenhagen 500 neue Mikroorganismen im menschlichen Darm nachgewiesen.

Klar ist aber: der Mensch und seine Darmmikroben stellen schon über einen sehr langen Zeitraum der Evolution eine Lebensgemeinschaft mit großem gegenseitigen Nutzen dar. Die Mikroorganismen erbringen in diesem ausgeklügelten Ökosystem eine enorme Stoffwechselleistung. Die Darmbakterien sind zum Beispiel sehr wichtig für die Energiegewinnung aus der Nahrung. Sie schließen etwa Zellulose auf und ziehen daraus Energie. Die Bakterien betreiben eine Mikronährstofffabrik, in der sie Vitamine z.B. Vitamin K oder B-Vitamine produzieren. Sie füttern mit ihren Stoffwechselprodukten die Darmzellen, die sonst verkümmern würden und Stimulieren das Immunsystem. Krankmachende Keime haben kaum eine Chance sich im Darm breit zumachen, wenn es den förderlichen schützenden Bakterien gut geht.

Das „WHO IS WHO“ der Darmbakterien

Vermeintliche „Schlankbakterien“

Die Bakterien der Bacteroides-Gruppe hemmen die Fettspeicherung und sorgen dafür, dass wir uns schneller satt fühlen. Sie gehören zu den schlechten Futterverwertern. Wir verdauen die Nahrung weniger gründlich und schieden deshalb fast 10 Prozent der aufgenommenen Kalorien wieder aus.

Die Bifidobakterien sind freundliche Gesellen und die Bodyguards im Darm. Sie verteidigen unseren Darm gegen unerwünschte Eindringlinge. Sie sind vor allem wenn Kinder gestillt werden in sehr großer Zahl vorhanden.

Das Bakterium Akkermansia municiphila lebt im Schleim, der die Darmzellen schützt, indem es den Darm renoviert und den Schleim auffrisst. Dadurch werden die Becherzellen angeregt, ständig neuen Schleim zu produzieren und die Barriere-Funktion des Darms damit aufrechtzuerhalten.

Vermeintliche „Hüftgoldbakterien“

Zur Gruppe der Firmicutes gehören einige unterschiedliche kleine Untergruppen. Sie waren in schlechten Zeiten für den Menschen von großem Vorteil, weil sie etwa in Hungersphasen mehr Kalorien aus der Nahrung ziehen können, die Fettpölsterchen fördern und deshalb heute sogar in der Tiermast eingesetzt werden. Zur Gruppe gehören Clostridien, Michsäurebakterien (Laktobazillen) oder Stapylokokken.

Wichtig: Die meisten Forscher bezweifeln stark, dass die verschiedenen Bakterienarten jeweils nur eine Aufgabe im Verdauungstrakt haben. Manche Firmicutes können Energie aus Pflanzenresten ziehen, die andere Mikroben gar nicht „knacken“ können. Es wäre leichtfertig, auf ihre Dienste zu verzichten. Denn sie wandeln die für den Menschen unverdaulichen Ballaststoffe in Substanzen um, die dem Körper zwar viel Energie zuführen, aber zugleich auch vor Darmentzündungen und wahrscheinlich sogar vor manchen Krebsarten schützen. Da wir das ausbalancierte Ökosystem im Darm heute noch nicht verstehen, wäre es wahrscheinlich keine gute Idee, die Firmicutes am Wachsen zu hindern.

Multikulti im Darm ist gut

So skeptisch man den Ratschlägen einer Darmbakterien-Diät gegenüberstehen kann, bei einigen Punkten herrscht unter den Mikrobenforschern dennoch schon heute Einigkeit.

  • Eine artenreiche Lebensgemeinschaft im Darm fördert die Gesundheit. Das gilt sowohl für unser Gewicht als auch für das Immunsystem. Artenreichtum schützt vor entzündlichen Leiden. Eine Studie des Biomediziners Oluf Pedersen von der Universität Kopenhagen zeigte, dass Übergewicht eng mit der Darmflora verknüpft ist: Menschen, deren Darm von zahlreichen unterschiedlichen Bakterienstämmen besiedelt ist, haben ein geringeres Risiko, dick zu werden, schreiben Pedersen und sein Team im Magazin Nature. Man kann die gesunde Darmflora über Probiotika unterstützen, wie z. B. probiotische Drinks oder andere fermentierte Nahrungsmittel wie Kefir, Sauerkraut oder Kimchi.
  • Keimtötende Arzneimittel wie z. B. Antibiotika oder desinfizierende Reinigungsmittel sollten nur in Notfällen eingesetzt werden. Sie gefährden die mikrobielle Vielfalt und Krankheiten wie Autoimmunleiden, Übergewicht und Stoffwechselstörungen, Asthma, Allergien, Infektionen u.a. könnten begünstigt werden. Die Arzneistoffe töten nämlich nicht nur Krankheitserreger, sondern alle Mikroorganismen – also auch Darmbakterien. Dass Antibiotika Übergewicht begünstigen, haben schon ältere Studien belegt. Wissenschaftler der New York University konnten zum Beispiel zeigen, dass Kleinkinder eher dicklich werden, wenn Ärzte sie schon vor ihrem sechsten Lebensmonat mit Antibiotika behandelt hatten.
  • Forscher empfehlen außerdem abwechslungsreiche Kost mit hohem Pflanzenanteil. Die Ballaststoffe darin bilden einen guten Nährboden für die verschiedensten Bakterien.
  • Die Ernährung sollte insgesamt fett- und kohlenhydratarm sein. Bei Fetten zu Omega-3-Fettsäurehaltigen Ölen wie Raps-, Lein-oder Walnussöl greifen.
  • Und etwas Sport natürlich…

 

Fazit: Auch wenn ich letztendlich nicht von der Darm-Diät „Schlank mit Darm“ überzeugt bin, hat mir das Buch doch einige spannende Zusammenhänge im Ökosystem Darm offengelegt. Verschiedene Tipps werde ich ausprobieren. Das Buch ist unterhaltsam geschrieben und lesenswert, die Gestaltung ist ansprechend mit zahlreichen Übersichtstabellen und Rezepten.

Wie ist Deine Meinung dazu?

Mikrobiologische Grüße

Susanne

 

 


Leave a comment

Stadtwohnungen – Reservoir für menschliche Bakterien

Lattobacilli

Lactobacillus spec., Hautbakterium des Menschen (Wikipedia CC BY 3.0)

Wo wir leben – auf dem Land oder in der Stadt – hat einen dramatischen Einfluss auf die Mikroben in unserer nächsten Umgebung – in unseren Heimen. Sind wir in ländlichen Umgebungen vermehrt den Keimen aus der Umgebung ausgesetzt – von Tieren oder aus der Natur – so umgeben wir uns in Stadtwohnungen meist nur noch mit unseren eigenen menschlichen Mikroorganismen, die wir selbst aus dem Mund, von unserer Haut oder über den Darm an die Umwelt abgeben.

Je städtischer wir leben, desto menschlicher sind die Bakteriengemeinschaften geprägt. Das hat jetzt ein internationales Forscherteam von der New York University in der Online-Zeitschrift „Science Advances“ berichtet. Wie sich der mikrobiologische Fingerabdruck, den wir in unseren Wohnungen hinterlassen auf unsere Gesundheit auswirkt, ist noch unklar.

Das Forscherteam untersuchte verschiedene Orte im Amazonasbecken in Südamerika. Dabei nahmen sie Proben in unterschiedlichen Haushalten: in offenen Hütten in traditionellen Urwaldsiedlungen, in einem kleinen Dorf, in einer 400.000 Einwohnerstadt und in Wohnungen der Großstadt Manaus mit 1,8 Millionen Einwohnern. Überall fanden die Forscher eine sehr große Artenvielfalt an Mikroben aber mit einer völlig unterschiedlichen Zusammensetzung. Die offenen Hütten im Dschungel haben logischerweise durch fehlenden Innen- und Außenwände einen ganz anderen Zugang zu Keimen aus der Umwelt.

 

Stadtwohnungen fehlen Umweltkeime

In Stadtwohnungen kapselt man sich viel mehr der Außenwelt ab durch Mauern und Zwischenwände. Hier wimmelt es von Keimen, die vom Menschen sind – aus der Mundhöhle, aus dem Darm oder von unserer Haut. Jeder Mensch trägt eine Wolke aus Mikroorganismen mit sich. Diese Mikroorganismen sitzen überall auf der Haut, aber auch im Körper. In den gut abgedichteten Stadtwohnungen sind wir Menschen also selbst die erste Quelle für die Mikroorganismen in unserer Umgebung. Aus mikrobiologischer Sicht „vermenschlichen“ sich die Häuser und Wohnungen. Das könnte auch dazu führen, dass womöglich eine Übertragung von Krankheitserregern erleichtert wird, meinen die Forscher.

Jean F. Ruiz-Calderon et al. Sci Adv 2016

Jean F. Ruiz-Calderon et al. Sci Adv 2016

Was geschieht aber mit uns, wenn wir es in unseren Stadtwohnungen nur noch mit einem sehr reduzierten Artenspektrum an menschlichen Mikroorganismen zu tun haben? Ist das die Erklärung für vermehrte Immunstörungen, wie Asthma oder Stoffwechselprobleme von Menschen, die in den Städten leben?
Die Forscher sehen die Hygiene-Hypothese bestätigt. Diese geht davon aus, dass das Immunsystem von Kleinkindern in der Entwicklung beeinträchtigt wird, wenn die Umgebung zu sauber ist und zu wenige Keime enthält. So werden allergische Erkrankungen gefördert. Kontakt zu Bakterien aus der Umwelt ist besonders wichtig, damit das Immunsystem von Kindern lernt zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Mikroben zu unterscheiden.

Die Mischung macht‘s

In der Studie konnten die Mikrobiologen in den Stadtwohnungen sogar einzelne Proben bestimmter Mikroorganismenmischungen speziellen Räumen wie Bad, Küche oder Schlafzimmern zuordnen. Wobei sich die Zusammensetzungen deutlich unterschieden.

Im vergangenen Jahr hatten US-Forscher auch schon gezeigt, dass es deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft gibt, je nachdem ob ein Mann oder eine Frau in der Wohnung lebt. Hunde oder Katzen hinterlassen ebenfalls ihren ganz typischen mikrobiologischen Fingerabdruck (Studie in der Fachzeitschrift „Proceedings B“ der britischen Royal Society).

In der Pilotstudie wurden bisher nur 10 Behausungen untersucht. Für allgemeingültige Aussagen ist es sicherlich noch zu früh. Die Forscher wollen die Untersuchungen an einem anderen Ort der Welt wiederholen und außerdem untersuchen, ob die Mikroben mit ihren Menschen auch vom Land in die Stadt umziehen. Wir bleiben gespannt!

 

Quellen:

Fachblatt „Science Advances“

http://advances.sciencemag.org/content/2/2/e1501061


1 Kommentar

Sherlock Holmes und die Mikrobenwolke

„Trauen Sie niemals allgemeinen Eindrücken, mein Junge, sondern konzentrieren Sie sich auf Einzelheiten.“ (Sherlock Holmes. Eine Frage der Identität)

 

512px-Basil_Rathbone_as_Sherlock_Holmes_(profile)

Basil Rathbone als Sherlock Holmes (common licence wikimedia)

Sherlock Holmes müsste heute schon einige mikrobiologische Kenntnisse haben, um noch zeitgemäß Verbrecher zu jagen. Ganz zu schweigen von einem Minimum an molekular-biologischen Grundlagen.

Fingerabdrücke, die eineiige Zwillinge unterscheiden, oder die Identifizierung über unser Erbgut -die DNA- sind schon wieder ein alter Hut in der modernen Forensik. Inzwischen versuchen Forscher sich auch ein anderes biologisches Phänomen zu nutze zu machen.  Jeder Mensch besitzt seine ganz persönliche Mikroben-Wolke und ist auch darüber identifizierbar. Sie ist so unverwechselbar wie ein Fingerabdruck.

Wir teilen unseren Körper mit Milliarden von Mikroben. Diese finden sich auch überall in unserer Umgebung wieder. Menschen hinterlassen, wo sie gehen und stehen, mikrobielle Spuren. Die Mikroben rieseln von uns herab mit Hautschüppchen aus den Haaren, wir atmen sie mit unserer Atemluft als ein Bioaerosol aus. Unser Schweiß verdunstet und wir geben sie darüber an die Umwelt ab. Und wir sind natürlich nicht allein. Mit uns verteilen auch unsere Mitmenschen ihre Keime.

 

Mehrere tausend unterschiedliche Bakterientypen

Argonne National Laboratory

Jeder Mensch besitzt seine ganz persönliche Mikrobenwolke (Argonne National Laboratory)

 

James Meadow und seine Kollegen von der University of Oregon wollten ganz genau wissen, welche und wieviel Bakterien ein völlig still sitzender Mensch in zwei bis vier Stunden an seine Umwelt abgibt. Sie ließen in einem Experiment elf Menschen, frisch geduscht und nur mit Shorts und T-Shirt bekleidet in speziellen Klimakammern sitzen. Sterile Luft wurde über spezielle Filter wieder abgesaugt und herabsinkende Bakterien wurden in Petrischalen am Boden aufgefangen. Die Forscher analysierten über die 16S ribosomale RNA, ganz spezifische Fragmente der RNA, zu welcher Bakteriengruppe die Mikroben gehörten. Obwohl sich die elf Probanden in der Testkammer nicht bewegt hatten, fanden sich dort mehrere tausend Bakterientypen, die vor allem auf oder im Körper des Menschen leben, z.B. Streptokokken aus dem Mund oder Propioni- oder Corynebakterien von der menschlichen Haut.

 

Persönliche Signatur in der Mikrobenwolke

 

mikrobenwolke2g

Unsere persönliche Mikrobenwolke (PeerJ)

Überraschend für die Forscher war, dass sie sogar verschiedene Personen anhand ihrer einzigartigen Mikrobenwolke unterscheiden konnten. So wurden bei einem Versuchteilnehmer  große Mengen des Bakteriums Dolosigranulum pigrum gefunden, welches in den oberen Atemwegen des Menschen vorkommt. Typisch für einen weiteren Probanden war vermehrt das Bakterium Staphylokokkus epidermis, welches auf der Haut und auf Schleimhäuten des Menschen zu finden ist. Proben der einzigen Frau im Experiment enthielten  Lactobacillus crispatus, ein Bakterium aus der gesunden Vaginalflora.
Fast alle Keimproben konnten früher oder manchmal später eindeutig ihrem ursprünglichen Besitzer zugeordnet werden. Die persönliche Mikrobiom-Signatur ergab sich aus den Unterschieden in der Kombination der Keime.

Die Entdeckung der individuellen Keimwolke eines jeden Menschen hat durchaus Potenzial für praktische Anwendungen. Zum Beispiel könnten die neuen Erkenntnisse eingesetzt werden, um die Verbreitung von Krankheitserregern in Gebäuden besser zu verstehen.

Nützliche Hinweise für die Verbrecherjagd

Anhand der persönlichen Bakterienaura könnte man in der Forensik mit diesem Verfahren feststellen, wo sich eine verdächtige Person zuletzt aufgehalten hat. Ganz ausgereift und massentauglich ist die Methode aber noch nicht, so James Meadow. Daher ist das wohl noch Zukunftsmusik, zumal es dabei auch sensible Daten zu Krankheitserregern geben kann.
Trotzdem gewinnt der mikrobiologische Detektiv-Ansatz an Beliebtheit. US-Forscher aus Illinois untersuchten vor kurzem die Schuhsohlen von Konferenzteilnehmern aus Vancouver, Washington DC und Kalifornien und konnten anhand der mikrobiologischen Bodenspuren nachweisen, wer an welchem Ort war. Das wären doch schon erste Erfolge für einen modernen Sherlock Holmes.

„Watson, ich kombiniere.“ (Arthur Conan Doyle)

 

Quelle:

 

Über Dein Feedback freue ich mich!