


In der Osterzeit bin ich neben lauter Hasen und der Eiern auch noch auf eine andere Überraschung gestoßen.
Wusstest ihr, dass Beatrix Potter nicht nur Schriftstellerin war – sondern auch eine Amateur-Mykologin?
Die meisten haben einige Schöpfungen der beliebtesten Märchenerzählerin aller Zeiten wahrscheinlich wie ich im Bücherregal stehen – die Geschichten von der leichtgläubigen Jemima Puddleduck, vom frechen Eichhörnchen Nutkin oder natürlich vom tollkühnen Peter Rabbit, der im Garten vom Mr. Mc Gregor alles für ein paar Bohnen und Radieschen riskiert.
An Pilze und Flechten werdet ihr wahrscheinlich weniger denken. Dabei galt die Hauptleidenschaft von Beatrix Potter bevor sie mit ihren Kinderbüchern berühmt wurde, der Mykologie – der Lehre von den Pilzen.
Beatrix Potter war eine Frau mit vielen Talenten, die trotz ihres strengen viktorianischen Elternhauses nicht nur Autorin und Illustratorin wurde, sondern auch Naturwissenschaftlerin, Naturschützerin, Landwirtin und Geschäftsfrau. Im Gegensatz zu ihrem literarischen Werk wurde ihre bahnbrechende wissenschaftliche Arbeit in einer von Männern dominierten wissenschaftlichen Welt des 19. Jahrhunderts ignoriert.
Begeistert für Natur und ihre Formen
Sie wurde am 28.Juli 1866 in Kensington in London in eine wohlhabende Familie geboren und wuchs mit ihren Eltern und ihrem Bruder behütet mir Urlauben In Schottland und im Lake District auf, die sie gewissenhaft dokumentierte. Sie sammelte Schmetterlinge, Käfer, Vogeleier, Muscheln und Steine. Im Laufe ihres Lebens hatte sie bis zu 92 Haustiere und ließ sich von einigen für ihre Geschichten inspirieren, wie von ihrem Hauskaninchen Benjamin Bouncer und Peter Piper.

Vom Hauskaninchen zu Flechten
Potter erhielt Kunstunterreicht und malte ab dem Alter von etwa 20 Jahren mindestens ein Jahrzehnt Hunderte von detaillierten, genauen Bildern von Pilzen mit großem Talent. Anfangs zeichnete sie besonders schöne Pilzexemplare.
„Sie fühlte sich zu Pilzen hingezogen, zunächst wegen der ephemeren feenhaften Eigenschaften, dann wegen der Vielfalt ihrer Formen und Farben und der Herausforderung, die sie für die Aquarelltechnik darstellten“, berichtete die Biographin und Historikerin Linda Lear 2007 in ihrer Beatrix Potter Biografie.

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Sie tauschte ihre Zeichnungen mit einem Amateur-Naturforscher in Schottland namens Charles McIntosh aus, den sie seit ihrem vierten Lebensjahr als Postbote kannte. Er bewunderte ihre Bilder, schickte ihr Exemplare zum Malen und beriet sie in Fragen der wissenschaftlichen Klassifizierung und Mikroskoptechnik. Im Gegenzug schickte sie ihm Kopien ihrer Bilder. Beatrix Potter entwickelte sich immer mehr zur leidenschaftlichen Hobby-Pilzforscherin ab 1895. McIntosh schlug ihr vor, die Pilze wissenschaftlicher zu zeichnen, mit Querschnitten, die ihre Lamellen zeigen, um die Identifizierung zu erleichtern. Sie benutzte ein Mikroskop, um die winzigen Sporen akkurat zu zeichnen. So entstanden rund 350 hochpräzise Zeichnungen von Pilzen, Moosen und Sporen.
Beatrix untersuchte die Sporen sogar unter dem Mikroskop, um herauszufinden, ob und unter welchen Bedingungen sie keimen könnten. Und sie war erfolgreich.
Experimente zur Sporenkeimung von Pilzen
Im Mai 1896 stellte ihr Onkle, der bedeutende Chemiker Sir Henry Roscoe, sie George Massee, dem Mykologen der Royal Botanic Gardens in Kew vor. In diesem Sommer des Jahres keimte Beatrix erfolgreich Sporen verschiedener Pilze auf Glasplatten und maß deren Wachstum unter dem Mikroskop.
Besonders fasziniert war sie von Flechten. Sie begann sich mit führenden Persönlichkeiten über die Frage nach der wahren Natur der Flechten auseinanderzusetzten. Dies war eine hefige botanische Kontroverse im späten 19. Jahrhundert. Damals hielt man Flechten noch für eigenständige Organismen und zählte sie zu den Pflanzen. Sie sind aber eine symbiotische Lebensform aus Algen und Pilzen.

Keine Publikation von Potter
Beatrix Potter fasste ihre detaillierten Erkenntnisse mit schönen Zeichnungen in dem Artikel „On the Germination oft he Spores of Agaricineae“ zusammen. Dennoch wurde ihre Entdeckung nicht veröffentlicht. Im 19. Jahrhundert war eine formale wissenschaftliche Ausbildung oder die Mitgliedschaft in einer der wissenschaftlichen Gesellschaften für Frauen praktisch unzugänglich. So wurde ihnen auch der Zugang zu wissenschaftlichen Vorträgen und zur Bibliothek der berühmten Linnaean Society in London verwehrt.
Beatrix’ wichtige Pionierarbeit
Beatrix’ Artikel wird niemals von Fachkollegen begutachtet werden, weil sie ihr deutlich machten, nicht gleichgestellt zu sein, Ein Jahrhundert später entschuldigte sich die Linnean Society und räumte offiziell ein, dass Potters Untersuchung „unflätig behandelt“ worden sei. Heute werden Beatrix Potters detaillierte Pilzzeichnungen noch immer in großem Umfang auf ihre wissenschaftliche Genauigkeit untersucht und zur Identifizierung von Pilzarten herangezogen.
Autorin und clevere Geschäftsfrau
Die Autorin gab letztendlich ihr Interesse an der Pilzforschung auf, um sich auf ihre Kinderbücher zu konzentrieren und damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen, was damals nicht selbstverständlich war. Sie kaufte Land im Lake District, wurde leidenschaftliche Schafzüchterin. Sie heirate nochmal mit 46 Jahren und hatte aber selbst keine Kinder.

Als kluge Geschäftsfrau ließ sie die Peter Hase–Puppe 1903 patentieren. Die Tantiemen ihrer Bücher und ihr Einkommen aus der Landwirtschaft machten sie zu einer wohlhabenden Frau.
Als sie 1943 im Alter von 77 Jahren starb, hinterließ sie mehr als 16 Quadratkilometer Land, 16 Bauernhöfe, zahlreiche Cottages sowie mehrere Herdwick-Schafherden. Das Beatrix-Potter-Haus in Near Swarey kann heute immer noch besucht werden.
Ihre Hill Top Farm ist heute ein National-Trust-Museum. Erst nach ihrem Tode fand sich auch ein chiffriertes Tagebuch der jungen Beatrix, das sie als wache, humorvolle und skeptische Beobachterin ihrer Umgebung und als konzentriert arbeitende Stilistin zeigte.
Behalten wir Beatrix Potter also nicht nur als gefeierte Schriftstellerin in Erinnerung – sondern auch als eine frühe Pilzforscherin, aber ignorierte Wissenschaftlerin.
Links zum Weiterlesen:
- Hill Top | Nationaler Trust (nationaltrust.org.uk)
- Beatrix Potter Society: List of Beatrix Potter Studies Publications. PDF-Datei.
Online verfügbar unter http://beatrixpottersociety.org.uk/pdf/publicationsbookapril2015.pdf
- Linksammlung: Beatrix Potter (fembio.org)
Mikrobiologische Grüße
Susanne