Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co


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Quietscheentchen mit dunklem Innenleben

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80 Prozent aller Badetiere sind innen mit potenziell krankheitserregenden Bakterien und Pilzen besiedelt (Quelle: Pixabay)

Die gelben Plastik-Enten gehören zum Badevergnügen dazu –-besonders bei kleinen Kindern. Eine aktuelle Studie hat gerade gezeigt, dass der Badespaß aber nicht ganz ungetrübt ist. Denn es gibt ungeladene Gäste in der Badewanne: In vier von fünf benutzten Badewannentieren hat das Wasserforschungsinstitut Eawag in Dübendorf bei Zürich potenziell krankheitserregende Bakterien nachgewiesen.
Zudem fanden sich auf einem Großteil der bunten Teile auch diverse Pilze, wie die Autoren im Fachblatt „npj Biofilms and Microbiomes“ schreiben. An der Studie waren auch Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und der University of Illinois in den USA beteiligt.

Bakterien in 80 Prozent der Gummientchen

Warme und feuchte Badezimmer bieten optimale Bedingungen, damit sich Bakterien und Pilze fröhlich vermehren können. Im Inneren der Bade-Enten haben die Keime ein besonderes Versteck gefunden und bilden dort einen üppigen Rasen. Zwischen 5 Millionen und 75 Millionen Zellen pro Quadratzentimeter tummeln sich laut der Studie auf den ausgewerteten Plastikflächen.

Die Mikrobiologin Lisa Neu, Hauptautorin der Eawag-Studie, hat für die Studie 19 benutzte Gummientchen in unterschiedlichem Zustand von Kollegen eingesammelt, zudem sechs Plastikspielzeuge neu gekauft und unter Laborbedingungen elf Wochen lang getestet. Einige kamen nur in sauberes Trinkwasser, andere in schon benutztes Badewasser mit den üblichen Seifenresten, Schmutz, Schweiß und Bakterien des menschlichen Körpers.
Nach dem wissenschaftlich notwendigen Wannenbad, ging es den Gummienten mit einem Skalpell an den Kragen – sie wurden liebevoll halbiert, wie die Doktorandin Lisa neu berichtete (Deutschlandfunk).

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Schwarze Biofilme aus Bakterien und Pilzen bilden gern sich in Badetieren (Quelle: Eawag)

Das Ergebnis war wenig appetitlich: Die Innenflächen im Bauch der Spieltiere waren mit einem schwarzem Schleim bedeckt- ein sogenannter Biofilm. In 80 Prozent aller Plastiktiere fanden die Forscher potenziell krankheitserregende Bakterien. Darunter auch Legionellen oder die als hartnäckige Krankenhauskeime bekannten Stäbchenbakterien Pseudomonas aeruginosa.

„Es gibt ein Risiko, wenn man sich das Wasser aus dem Quietscheeentchen ins Gesicht spritzt, wie Kinder das gerne mal machen. Dann kann bei empfindlichen Kindern zu einer Augeninfektion oder zu Durchfall im schlimmsten Fall kommen“

Lisa Neu, Eawag-Wissenschaftlerin im Interview mit Deutschlandfunk

Die Keimbelastung war laut der Studie besonders hoch bei Entchen, die unter realistischen Bedingungen badeten – also im Wasser mit Schmutz, Hautschuppen und Seifenresten.

Tricks für gesunde Quietscheenten

Trotzdem ist das kein Grund, die Gummispielzeuge wegzuwerfen. Es gibt Tricks und Kniffe, die die Forscher empfehlen können.

Die effektivste Methode sei, gleich nach dem Kauf der Quietschetiere das Loch am Boden abzukleben. So könne kein Wasser eindringen und das Innenleben bleibe ohne Bakterien. Die Entchen könnten dann aber nicht mehr Wasser aus dem Inneren spritzen und quietschen, was den Badespaß der Kleinen trüben etwas könnte.

Eine weitere gute Methode ist das Auskochen. Die Badetiere könnten regelmäßig heiß ausgekocht werden, ähnlich wie es bei Schnullern gemacht wird. Die Langlebigkeit der Plastikspielzeuge würde dadurch aber wohl reduziert werden. Tipp der Forscher: Eltern sollen die Entchen ab und an gegen ein helles Licht oder das Fenster halten, wenn ein brauner Schimmer durchscheint, wäre das Auskochen eine gute Idee. Das Plastik nach dem Baden einfach auf der Heizung zu trocknen, reiche nach Angaben der Studienautoren jedenfalls nicht aus, um Bakterien und Pilze zu verhindern.

Immunsystem wird trainiert

Gute Nachrichten gibt es aber auch: Nicht alle Keime aus den Badeenten würden den Kindern auch schaden. Sie können auch die Immunabwehr stärken, so Forscher und Mitautor Frederik Hammes von der Eawag, der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz.

Strengere Auflagen für Plastik der Badeenten

Langfristig wünschen sich die Studienautoren jedoch ein Umdenken der Industrie. Strengere Vorschriften für Polymere, die Hauptkomponente für die Herstellung von Kunststoffen wie bei den Gummientchen, könnte das Problem bereits im Ansatz lösen. Denn das weiche Plastikmaterial werde oftmals aus qualitativ minderwertigen Polymeren hergestellt, das in Kombination mit Schmutz von Menschen oder Shampooresten im Badewasser, Keimwachstum fördere.

Dann also einfach mehrere Badeentchen kaufen und regelmäßig auskochen – für ein risikoloses Badevergnügen – auch für die Großen :-)!

Literaturquelle:
Ugly ducklings—the dark side of plastic materials in contact with potable water
DOI: 10.1038/s41522-018-0050-9

Mikrobiologische Grüße

Susanne

 


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Gute Keime aus dem Wasserhahn

Ein Glas Trinkwasser aus dem Wasserhahn enthält 10 Millionen Bakterien

Ein Glas Trinkwasser aus dem Wasserhahn enthält 10 Millionen Bakterien. Bildquelle: (Roger McLassus) [GFDL http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Unser Trinkwasser ist keinesfalls steril. Das sollte jedem klar sein. Und das obwohl es zu den am besten kontrollierten Lebensmitteln in Deutschland gehört. Bis zu 125 Liter verbraucht jeder Deutsche täglich – laut Statistischem Bundesamt. In einem Glas Leitungswasser tummeln sich etwa 10.000 unerkannte Bakterien, das haben schwedische Forscher von der Lund Universität jetzt entdeckt. Das ist kein Grund zur Sorge oder dafür, nun auf Mineralwasser in Flaschen, Bier oder Kaffee umzustellen. Die Mikroben sind für uns nicht schädlich, sondern sogar nützlich. Aber wie kommen die Mikroorganismen in das Wasser und wieso wird das erst jetzt bekannt?

Strenge Kontrollen für Trinkwasser

Unser Trinkwasser ist in Deutschland sogar sauberer und schadstofffreier als manche Mineralwässer. Aber der Weg vom Meer bis zum Verbraucher ist lang. Das Wasser stammt vom Regen, aus Seen usw. Komplizierte Aufbereitungsverfahren entziehen dem Wasser Schmutz, Keime oder Umweltgifte, damit diese nicht in die Leitungen gelangen (Grenzwerte).Über ein unterirdisches Rohrleitungssystem kommt es in unseren Haushalt und bis in unseren Wasserhahn.
Die Leitungen und Wasserzähler sind ein wunderbares Ökosystem für Bakterien. Die schwedische Forscherin Catherine Paul hat mit ihrem Team jetzt eine völlig unbekannte Organismenwelt in den Leitungen entdeckt, die bisher allen Tests entgangen war.

80.000 Mikroben in einem Milliliter Wasser

„Ein zuvor komplett unbekanntes Ökosystem hat sich uns enthüllt“, sagte Catherine Paul von der Lund Universität.

„Als ob man mit einer statt mit einer funzeligen Taschenlampe plötzlich den Lichtschalter findet, der den Raum erhellt. Früher konnten wir fast gar keine Bakterien sehen, aber jetzt finden wir plötzlich 80.000 Mikroben pro Milliliter Wasser“.

Das Forscherteam hatte Proben aus Belägen an der Innenseite von sechs verschiedenen Trinkwasserleitungen und Wasserzählern untersucht und einer Erbgutuntersuchung, einer DNA-Analyse, unterzogen. Auch welche Arten von Bakterien in den Ablagerungen vorkommen, wurde untersucht, indem bestimmte Abschnitte der ribosomalen RNA verglichen wurden. Und das Ergebnis war überraschend. Etwa 10 Millionen Mikroorganismen nehmen wir mit einem Glas Leitungswasser zu uns. Das erklärt Catherine Paul in diesem Video der Lund Universität.

 

 

Porträt einer Mikrobengemeinschaft in der Röhre

Für die neue Erkenntnis einer wimmelnden Mikrowelt in unseren Wasserleitungen ist eine neue moderne, sehr präzise Sequenziertechnologie verantwortlich – das Next-Generation-Sequencing (NGS). Mikrobiologische Tests von Trinkwasser waren bisher nicht einfach. Weniger als 10 Prozent der Bakterien in Frisch – und Trinkwasser sind überhaupt kultivierbar. Die neue Technologie bietet damit entscheidenden Vorteil. Man braucht die Mikroben nicht mehr zu isolieren und sie auf Agar oder in Nährlösung mühsam anzüchten, um sie später zu identifizieren. Die vollkommen kulturunabhängige NGS-Methode zeigt uns damit ein kompletteres Bild der Mikrobengemeinschaft in den Biofilmen der Leitungen.

„Schleimstädte“ in den Rohrleitungen

Phasen der Entwicklung eines Biofilms,

Phasen der Entwicklung eines Biofilms, Foto: D. Davis – Aus: Looking for Chinks in the Armor of Bacterial Biofilms Monroe D PLoS Biology Vol. 5, No. 11, e307 doi:10.1371/journal.pbio.0050307, Wikipedia / CC BY 2.5

Die meisten Bakterien schwimmen nicht frei als Einzelorganismen im Trinkwasser. Sie stammen aus den Ablagerungen der Rohrleitungen, den sogenannten Biofilmen. Diese Biofilme sind wahre Paradiese für Mikroorganismen!
Die von Schleim umhüllten Kolonien sind besonders widerstandsfähig und robust gegen schädliche Umwelteinflüsse. Mehr als 95 Prozent der Bakterien sitzen als dünne Schicht auf den Oberflächen der Leitungen und Wasserzähler. Mikroben bilden solche „Schleimstädte“ zu ihrem Vorteil als eine symbiotische Lebensgemeinschaft aus Bakterien, Pilzen und auch Algen und Protozoen. Sie nutzen dabei Schutzmechanismen und Stoffwechseleigenschaften der jeweils anderen Spezies aus.

Gutartige Helfer bei der Abwasserreinigung

Die harmlosen Bakterien in den Biofilmen sind kein Grund zur Sorge sagt die Expertin Cathrine Paul: „Wir gehen davon aus, dass es sich vor allem um gute Keime handelt, die dabei helfen, das Trinkwasser zu reinigen und gegen schädliche Keime zu schützen.“ Nach Schätzungen des Forscherteams leben mehr als 1000 verschiedene Bakterien in den Wasserleitungen. Die größte Gruppe der in den Leitungen identifizierten Bakterien sind die Sphingomonadaceae, die auch frei im Boden oder Gewässern vorkommen und dort Schadstoffe abbauen.

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Artenreicher Biofilm Epifluorescenzmikroskop (Ricardo Murga and Rodney Donlan – Centers for Disease Control and Prevention Rodney M. Donlan: „Biofilms: Microbial Life on Surfaces“. Licensed under Public Domain via Wikimedia Commons)

Das schwedische Forscherteam vergleicht die Wirkung der Trinkwasser-Bakterien, mit der des Mikrobioms unseres Körpers. Nur mit einer großen Artenvielfalt von Mikroben auf unserer Haut, oder in unserem Darm bleiben wir gesund. Die Bedeutung der Mikroben im Trinkwasser ist wahrscheinlich sogar noch größer als angenommen. Es ist sogar vorstellbar, dass ein großer Teil der Reinigung des Trinkwassers erst in den Rohrleitungen stattfindet. Die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft in den Biofilmen kann außerdem ein Anzeiger für die Wasserqualität sein. Die schwedischen Forscher stellten in rostigen Wasserleitungen mit stark eisenhaltigem Wasser eine signifikant andere Artenzusammensetzung fest. Die Analyse der Bakterien könnte dazu beitragen, potenziell problematische Wassermängel zu erkennen.

Zukunftsvision für gesünderes Trinkwasser

Die Forscher der Universität Lund hoffen sogar, eines Tages die Qualität des Wassers so zu steuern, dass gute Bakterien in den Leitungen begünstigt werden, die das Wasser noch effizienter reinigen. Ziel der Wissenschaftler ist es, diese nutzbringenden und für die Wassereigenschaften hilfreichen Keimarten gilt es herauszufinden und Wege zu ihrer Vermehrung zu entwickeln.

Das ist aber noch ein langer Weg. Biofilme sind aber in ihrer Komplexität von den Experten noch nicht gut verstanden. Die Zahl der Einflussfaktoren auf die Zusammensetzung und das Wachstumsverhalten von Biofilmen ist vielfältig: pH-Wert, Temperatur, Chlorgehalt – und nicht zuletzt das Nahrungsangebot für die Mikroben. Auch Oberflächen können eine Rolle für die Entwicklung von Populationen von Keimen spielen. Bakterien können zum Beispiel aus Gummidichtungen Nährstoffe beziehen.

Wasserversorger halten das Trinkwasser heute eher nährstoffarm. Die harmlosen Bakterien sind an diese Bedingungen gut angepasst. Darmbakterien etwa brauchen einen „viel reichhaltiger gedeckten Tisch“ und gehen deshalb ein. Die Nährstoffknappheit sorgt dafür, dass krankheitserregende Keime absterben und gesundes, so genanntes „stabiles“ Trinkwasser entsteht. Dieses Erfolgsrezept ist besser als das in den USA verwendete Verfahren, wo Wasser gechlort wird.

Unerwünschte Keime im Trinkwasser

Trotzdem kommt im Trinkwasser auch immer wieder unerwünschte und mitunter gefährliche Keimbesiedlung vor. Gesundheitlich bedenklich wird es immer dann, wenn die Menge und die Art der Keime nicht mehr zu dem „Mikrokosmos Mensch“ passen.
Infektionen mit Legionellen können bei Menschen mit einem bereits geschwächten Immunsystem zur „Legionärskrankheit“ führen, einer Lungenentzündung mit hohem Fieber und grippeähnlichen Symptomen. Die Bakterien sind aber für gesunde Menschen ungefährlich.
Doch nicht nur Legionellen als „wasserliebende Bakterien“ können schwerwiegende Infektionen verursachen, auch koliforme Keime („Darmbakterien“) oder Pseudomonaden (z.B. Pseudomona aeruginosa) sind häufig in Trinkwassersystemen zu finden und können, je nach Menge, unsere Gesundheit erheblich beeinträchtigen.

Tipps für Haushalte:

  1. Wasser zu verbrauchen ist einer der wichtigsten Ratschläge von Experten für den eigenen Haushalt, um damit die Keimzahl zu verringern. Wenn Wasser zulange in der Leitung steht, wie z.B. nach einem Urlaub oder einem lange unbenutzten Wasserhahn, können sich unerwünschte Bakterien leichter vermehren (bereits 3-4 Tage können dafür reichen). Deshalb anschließend das Wasser lange laufen lassen!
  2. Warmwasserregler richtig heiß stellen. Das ist zwar nicht unbedingt energiesparender, aber hygienischer.
  3. Warmwasserspeicher sollten regelmäßig gewartet werden, um Kalk und Schlammablagerungen gering zu halten.
  4. Als langfristige Maßnahmen sollte man bei Wasserinstallationen in moderne und zertifizierte Materialien investieren, um die Bildung von Biofilmen und damit die Keimbesiedlung zu minimieren. Verordnungen

Infos dazu vom Umweltbundesamt:
http://www.umweltbundesamt.de/publikationen/ratgeber-trink-was-trinkwasser-aus-Hahn

 

Quellen:

Press release Lund University: ATCH: Our water pipes crawl with millions of bacteria

Originalartikel: Bacterial Community Analysis of Drinking Water Biofilms in Southern Sweden

Wie gut ist unser Trinkwasser? (ZDF Portal)

Webseite des AK Trinkwasserinstallation und Hygiene

 

Wie immer freue ich mich über Deine Ergänzungen und Kommentare!