Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co

Fannys Rezept – ein Hit für die Mikrobiologie

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Fanny Angelina Hesse

Fanny Angelina Hesse – eine vergessene Heldin der Mikrobiologie. Collage by Fruzsina Eördögh; Petri dish image © M J Richardson (CC BY-SA 2.0)

Manchmal sind Frauen einfach viel pragmatischer. Und so ist eine bahnbrechende Erfindung in der modernen Mikrobiologie nur durch einen klugen Küchentrick der Laborassistentin Fanny Angelina Hesse entstanden, der Frau von Walter Hesse, einem engen Mitarbeiter und Forscherkollegen von Robert Koch. Der deutsche Mediziner und Mikrobiologe Robert Koch entdeckte 1882 den Erreger der Tuberkulose. Eine Entdeckung, die so spektakulär war, dass er 1905 dafür den Nobelpreis erhielt. Vielleicht wäre sogar einiges ganz anders verlaufen, wenn Walter und Fanny Hesse nicht 1881 in Kochs Labor gekommen wären.

 

Auf der Suche nach dem richtigen Medium

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Robert Koch – Deutscher Mediziner und Mikrobiologe (Quelle: Wikipedia Public Domain)

Koch und seine Kollegen hatten damals mit verschiedenen Grundproblemen zu kämpfen, um Bakterien überhaupt untersuchen zu können. Um Bakterien zu isolieren, zu identifizieren und zu klassifizieren, fehlte ihnen der richtige Nährboden. Sie experimentierten unter anderem mit Fleischbrühe, Gelatine und dünnen Kartoffelscheiben. Kein Versuch war erfolgreich, um die Bakterien über längere Zeit zu kultivieren und die Kulturen zu trennen.

In dieser Zeit erfand ein weniger bekannter Laborassistent, Julius Richard Petri, die nach ihm benannten durchsichtigen „Petri-Schalen“, die früher aus Glas und heute meist aus Kunststoff sind. Nun fehlte nur ein passendes Gel um die runden Schalen zu füllen. Anfangs nutzten sie Gelatine. Die hatte aber große Nachteile: entweder schmolzen die Medien durch die hohen Temperaturen, die die Bakterien zum Wachsen brauchten oder die die Mikroorganismen bildeten Enzyme und verdauten die Gelatine. Regelmäßig waren die Experimente ruiniert und die Laune im Labor sank.

 

Ein Gespräch beim Mittagstisch und eine Erfindung

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Fanny Angelina Hesse und Walther Hesse (Public Domain)

Walter Hesse war nach ein halben Jahr bei Robert Koch in Berlin in sein eigenes kleines Labor in Schwarzenberg zurückgekehrt. Eines Tages beschwerte er sich beim Mittagessen bei seiner Frau, die auch die Nährbouillon für die Bakterien kochte. Sie tauschten sich darüber aus, wie Fannys Puddings bei warmen Außentemperaturen fest blieben. Und Fanny, eine Deutsch-Amerikanerin, geboren in New York, hatte den entscheidenden Tipp. Sie schlug vor Agar-Agar zu verwenden, wie sie es aus den Rezepten ihrer Mutter für Gemüsesülze und Fruchtgelees kannte. So hatten sie es von einem ehemaligen New Yorker Nachbarn gelernt, der lange in Indonesien gelebt hatte.

Nur ein Griff in den Kühlschrank nach einem Geliermittel aus Java war nötig und die stockende Forschung in Berlin kam wieder ins Rollen. Agar-Agar war die Lösung und eignete sich hervorragend für die Kulturmedien. Es bildet bei Raumtemperaturen ein halbfestes Gel und blieb auch bei höheren Temperaturen fest. Bakterien können das Zuckerpolymer aus Algen nicht verdauen. Walther Hesse setzte Robert Koch umgehend von der Entdeckung seiner Frau in Kenntnis und Agar-Agar wurde schnell im Labor eingesetzt.

 

Die vergessene Frau, die Mikrobiologie revolutionierte

1882 informierte Robert Koch die Öffentlichkeit über die Isolierung des Tuberkulose-Erregers und erwähnte ganz nebenbei die Verwendung von Agar-Agar in den Kulturmedien. Die Ideengeberin und Erfinderin Fanny Hesse nannte er nicht. Walther und Fanny Hesse wurden für die Entdeckung niemals monetär belohnt und auch in der wissenschaftlichen Literatur nicht genannt. Erst 75 Jahre später schlugen Hitchens and Leikind (1939) in einem Artikel vor, das Rezept für den Nährboden mit Agar-Agar nach der Erfinderin „Frau Hesse’s Medium“ zu nennen.

Fanny Hesse arbeitete mit ihrem Mann weiterhin der Mikrobiologie als wissenschaftliche Illustratorin und Laborassistentin. Walther Hesse war später unter anderem an der Einführung der Pasteurisierung in Deutschland beteiligt.

 

Quellen:

Walther and Angelina Hesse –Early Contributors to Bacteriology http://www.asm.org/ccLibraryFiles/FILENAME/0000000227/580892p425.pdf

http://www.popsci.com/blog-network/ladybits/forgotten-woman-who-made-microbiology-possible

Woman in Science

 

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Autor: Susanne Thiele

Biologin und Wissenschaftsautorin aus Braunschweig www.susanne-thiele.de

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