Draußen wintert es so vor sich hin. Richtiges Schnupfen- und Hustenwetter. Ich sollte unbedingt etwas für mein Immunsystem tun. Vitamin C muss her! Prima, ich habe doch noch Orangen im Regal. OBSTSALAT – darauf habe ich jetzt richtig Appetit!
Leider kann ich diese Klasse-Idee beim Hin- und Herwenden der ersten Orange gleich ad acta legen. Ein blau-grüner und etwas staubiger Pilz thront mitten auf der ersten Orange. Bei näherem Hinschauen hat er sich in der Obstbox auch schon etwas weiterverbreitet und andere Früchte „angepudert“. Zum Einkaufen ist es definitiv zu spät. Super, jetzt stehe ich in Nahrungskonkurrenz mit einer Mikrobe! Mist!
Aber um welchen Pilz handelt es sich eigentlich? Mein persönlicher Pilzexperte gibt einen Tipp per Ferndiagnose auf mein Täterfoto: Grün- oder Blauschimmel, typische Verderbniserreger an Zitrusfrüchten wie Orangen oder Zitronen. Fachlich korrekt heißen die Verdächtigen Penicillium digitatum (Grünschimmel) oder Penicillium italicum (Blauschimmel). Beide gehören zu den Pinselschimmeln, die so genannt werden, weil ihre die Pilzsporen an den sogenannten Konidienträgern pinselartig angeordnet sind. Aha!
(@wikipedia)
Diese Pinselschimmel können ungeheure Massen an Sporen bilden, die sich vorwiegend auf dem Luftweg verbreiten. Wahre Kosmopoliten!
Die Zitrusfrüchte und ihr Saft sind ein idealer Nährboden für Mikroorganismen. Die Pilzsporen dringen in kleine Wundstellen der Orange ein und bilden dort weiße kreisförmige Pilzherde. Die Pilzhyphen, verzweigte Pilzfäden, werden als ein watteähnlicher Überzug sichtbar. Die Orangenhaut wird aufgelockert, etwas schmierig und später mit einem grünen oder blaugrünen Sporenteppich überzogen, der uns staubig erscheint.
Apropos Farbe. Hier kann man die beiden Täter gut unterscheiden. Der Grünschimmel (Penicillium digitatum) ist eher oliv-grün. Der Blauschimmel (Penicillium italicum) erscheint wirklich hübsch blaugrün fast türkis-farben.
Auch bei den Lagertemperaturen der Orangen bevorzugen die Pinselschimmelarten unterschiedliche Klimabedingungen.
Penicillium italicum kann sogar bei Kühltemperaturen um 4-10 Grad Celsius wachsen. Das macht eine effiziente Lagerung in Containern schwieriger. Die Früchte werden deshalb chemisch mit z. B. Diphenyl, Thiabendazol gegen Blau- und Grünschimmel behandelt, teilweise liegen aber hohe Resistenzen gegen diese Fungizide vor. Der Pilz bildet außerdem die toxischen Metabolite Verruculon und Italicinsäure, die giftig für den Menschen sind.
Der Grünschimmel Penicillium digitatum wächst gut bei Lagertemperaturen zwischen 20 – 25 Grad Celsius.
Die Orange, die ich im Experiment nach einer Woche ungestörten glücklichen Pilzwachstums nochmal fotografiert habe, zeigt beide Pinselschimmelarten mit den typischen Farbausprägungen. Die feindliche Übernahme meiner Obstkiste war also ein gemeinsames strategisches Unterfangen!
Mich beruhigt, dass beide Pinselschimmel die Orangen trotz der Lagerbehandlung im Container überhaupt noch fressen! Etwas Natur scheint noch übriggeblieben zu sein. Und ich kaufe mir jetzt neue frische Bio-Orangen für mich alleine…
Ein Zeitraffer-Video der Cornell University, welches mit Penicillium italicum infizierte Orangen zeigt.