Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co


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Viva la Evolution! Coole Visualisierung von Antibiotikaresistenzen

Mikrobiologen sind auch manchmal Künstler. Sie können zum Beispiel mit lebenden Mikroorganismen malen. Microbial Art! So geschehen für eine ungewöhnliche Werbung für den Science-Fiction Film „Contagion“, bei dem ein durch die Luft übertragenes Virus sich rasend schnell ausbreitet und seine Opfer innerhalb von Tagen tötet.

Für die Filmpremiere 2011 in Toronto schuf ein schottischer Pilzforscher ein lebendes Filmplakat für Warner Bros. Zuerst sah man im Schaufenster nur zwei Acrylschalen von 1,8 mal 0,6 Meter, die mit einem beigefarbenen Nährmedium gefüllt waren. Relativ unspektakulär.

Aber nach etwa zwei Wochen zeigte sich der Überraschungseffekt. Etwa 35 gelb, rot und grünblau leuchtende Bakterien- und Pilzarten (z.B. in rot Serratia marcescens) wuchsen in der überdimensionalen Petrischale und formten plastisch das Wort „Contagion“. Das Plakat entfaltete dann schnell eine „ansteckende“ Wirkung. Passanten blieben irritiert und neugierig stehen. Die Werbung funktionierte über die Faszination des Unbekannten und natürlich auch etwas Ekel…

Diese Idee des lebenden Filmplakats inspirierte jetzt den Biologen Roy Kishoni, der an der Harvard Medical School in Boston und dem Technion in Haifa arbeitet, zu einem Projekt, welches Kunst und Wissenschaftskommunikation elegant verbindet. Mithilfe einer gigantischen Petrischale und Zeitrafferaufnahmen kann man Medizinstudenten einfach und intuitiv vermitteln, wie schnell Bakterien mutieren und sich an immer höhere Antibiotika-Konzentrationen anpassen können. Für die Publikation der Ergebnisse im Fachjournal „Science“ nutzte Kishoni die Gelegenheit gleichzeitig, um die Mechanismen der Evolution zu analysieren.

Der Experimentaufbau ist recht einfach zu verstehen. Die übergroße Petrischale mit einem schwarzgefärbten Nährmedium wurde in neun vertikale Banden aufgeteilt. In den Außenbereichen wurde überhaupt kein Antibiotikum aufgebracht, im zweiten Bereich eine Dosis, die das Darmbaktrien E. coli gerade abtötet. Dann erhöhten die Forscher die Antibiotika-Konzentration um den Faktor 10. Im mittleren Bereich war eine sehr hohe Dosis des Antibiotikums Trimethoprim enthalten- etwa 1000 Mal so viel wie nötig ist, um einen nicht resistenten E. coli-Keim abzutöten. Die Arena ist fertig, die Spiele können beginnen!

Als „Gladiatoren“ wurden am Rand E. coli Bakterien dazugegeben. Bei Bakterien können die Generationszeiten sehr kurz sein, je nach Wachstumsbedingungen und nach Bakterienstamm auch sehr verschieden. So braucht ein E. coli nur etwa 20 Minuten, um sich zu verdoppeln.

Die äußerste Bande ohne Antibiotika stellte für die Bakterien kein Problem dar und wurde schnell aufgelöst. In der Zeitrafferaufnahme wird dann der Übergang zur nächsten Bande löchrig. Erste Mutanten entstehen, denen eine höhere Antibiotikadosis nichts ausmacht. Bei gutem Nährstoffangebot wird sich munter weitervermehrt und sich fächerförmig in der Schale ausgebreitet. Innerhalb von 10 Tagen wiederholen sich diese Vorgänge bis zur Mitte der Petrischale.

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E. coli Bakterien Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Überraschend dabei ist, dass nicht immer die besonders resistenten Varianten der Bakterien, den „Sprung“ in die nächste Bande schaffen. Oft sind einfach solche Faktoren wie Standort oder Schnelligkeit entscheidend, wie die Forscher auch mit Erbgutanalysen bestätigten.

Dies ist wahrscheinlich die coolste Visualisierung, bei der man direkt zuschauen kann, wie Evolution „passiert“.  Es ist dabei beides, wunderschön und erschreckend zugleich, wie schnell Bakterien innerhalb von 12 Tagen eine Antibiotikaresistenz entwickeln können.

 

Die Botschaft des Videos ist klar: Mehr Antibiotika einzusetzen, ist auf alle Fälle keine Lösung!

Mikrobiologische Grüße

Susanne

 

 

 


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Salmonella Typhi – Kein Typ zum Kuscheln!

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Computergenerierte 3D-Darstellung von Salmonella Typhi-Bakterien, die Typhus auslösen. Das flauschige Aussehen der Bakterien entsteht durch die kurzen dünnen Pili an der Oberfläche. Auffällig sind auch die Geißeln, mit denen sich die Bakterien fortbewegen können. Quelle: U.S. Centers for Disease Control and Prevention – Medical Illustrator (CC0)

Mikrobe des Monats 6/2016 :  Es wird Sommer und Salmonellen-Vergiftungen machen wieder regelmäßig Schlagzeilen. Die Medien berichten jedes Jahr in den warmen Monaten über gehäufte Durchfallerkrankungen in Altenheimen oder Krankenhäusern, die durch eine Infektion mit Salmonellen ausgelöst werden. Die Infektionsquelle ist meist in Lebensmitteln zu finden. Besonders gefährlich sind ungekochte Fleischwaren wie Tatar, Hackfleisch, Mettwurst und Huhn sowie Muscheln, Eier, Speiseeis und Mayonnaise. Diese müssen ausreichend gekühlt und innerhalb ein bis zwei Tagen verzehrt werden. Großküchen haben da anscheinend manchmal Probleme oder auch nach Straßen- oder Volksfesten treten gern mal Salmonellen-Vergiftungen auf.

Salmonellen als Überlebenskünstler

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Namensgeber der Salmonellen: Tierarzt Daniel Elmer Salmon (Wikimedia Commons)

Die kleinen, stäbchenförmige Bakterien, die solche Magen-Darm-Infektionen (Salmonellosen) verursachen können sind wahre Überlebenskünstler. Ihr natürlicher Lebensraum ist der Magen-Darm-Trakt von verschiedensten Tieren, seltener auch von Menschen. Sie vermehren sich bei Temperaturen von 10 bis 47 Grad Celcius und können aber auch in der Umwelt, auf verschiedenen Lebensmitteln, in Pflanzen und eingetrocknet für Jahre überleben. Selbst bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sterben sie nicht ab. Abtöten kann man Salmonellen, indem man sie für mindestens zehn Minuten bei über 70 Grad Celsius erhitzt.

Benannt wurden die Bakterien übrigens nach dem US-amerikanischen Tierarzt Daniel Elmer Salmon, der den Erreger der sogenannten „Schweinecholera“ 1885 isolierte.

Viele Typen von Salmonellen

Die Salmonellen bilden eine große Gruppe innerhalb der Bakterien. Für den Durchfall sind fast immer Vertreter der Untergruppe Salmonella (S.) enterica verantwortlich. Unbedingt zu unterscheiden von den hierzulande auftretenden Salmonellen- Infektionen ist der Typhus, der ebenfalls durch Salmonellen hervorgerufen wird (S. Typhi), der bis auf eingeschleppte Reiseinfektionen in Deutschland eine geringe Bedeutung hat. Und um Salmonella Typhi, diesen eher unangenehmen Vertreter der Gattung, geht es hier.

Salmonella Typhi – Von Mensch zu Mensch

Eine Infektion mit S. Typhi erfolgt primär über den Menschen, also durch bereits erkrankte Personen oder sogenannte „Dauerausscheider“ – das sind erkrankte Personen, bei denen das Bakterium nach zehn Wochen immer noch nachweisbar ist. Bei diesen infizierten Personen müssen keine Symptome auftreten. Im Gegensatz zu den harmlosen „Durchfall-Salmonellen“, bei denen eine hohe Infektionsdosis mit 100.000-1.000.000 Bakterien nötig ist, um eine lokale Infektion des Darmes auszulösen, ist bei Salmonella Typhi schon eine bereits geringe Infektionsdosis mit 100-1.000 Erregern ausreichend.

Die Ballade von der „Typhoid Mary“

Der Typhuserreger hat die Eigenschaft, gelegentlich viele Jahre in der Gallenblase oder in den Nieren eines Patienten zu überdauern, der sich schon von der Krankheit erholt hat. Eine solche Person scheidet dann über Jahre hinweg die Mikroben an die Umwelt aus.

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Typhus-Mary in einer Zeitungs-Illustration von 1909 (Gemeinfrei)

In der Geschichte ist so ein unerkannter Fall einer Typhus-Infektion berühmt geworden. Der Fall der leidenschaftlichen Köchin Mary Mallon ist authentisch. Wo immer sie kochte, traten seltsame Todesfälle auf. Man nannte sie „Typhoid Mary („Typhus-Mary“), weil sie zwischen 1900 und 1907 als Köchin in New York 47 Personen mit Typhus infizierte, ohne selbst an den Symptomen der Krankheit zu leiden. Als die Auslöserin einer Typhus-Epidemie war Mary eine klassische Indexpatientin (auch Patient Null).
Den Autor J.F. Federspiel inspirierte die Begebenheit dazu die halberfundene und sehr dramatische Erzählung „ The Ballad of Typhoid Mary“ über eine der berühmtesten Trägerinnen von Salmonella Typhi im Jahre 1982 zu veröffentlichen. Die Geschichte hat auch heute nichts von ihrer Aktualität verloren.

Antibiotikaresistente Salmonellenstämme

Heute stellen die schweren Infektionen mit Salmonella Typhi wieder eine neue Herausforderung dar. Ihre Behandlung wird immer mehr zu einem Problem. Denn auch Bakterien vom Typ Salmonella haben inzwischen Resistenzen gegen diverse Antibiotika entwickelt. Seit Anfang der 90er Jahre tauchten in Asien und Afrika immer häufiger multiresistente Salmonellenstämme auf, denen die gängigen Antibiotika wie Ampicillin oder Chloramphenicol nichts mehr anhaben konnten. Die WHO empfahl daraufhin, Antibiotika der dritten Generation einzusetzen, wie das Ciprofloxacin aus der Gruppe der Fluorchinolone.

In einer Studie in Ghana untersuchten die Wissenschaftler, ob dieses neue Antibiotikum dort auch bereits Resistenzen ausgelöst hat. Die Ergebnisse der Studie sind eine erste Warnung: In einigen Varianten von Salmonellen konnte eine  verminderte Empfindlichkeit auf Ciprofloxacin nachgewiesen werden; bei einem Serotyp war bereits die Hälfte der Isolate betroffen. Der Typhus-Erreger Salmonella Typhi wies bei diesen Isolaten noch keine verminderte Empfindlichkeit auf. Eine länderübergreifende Untersuchung zeigte aber auch für Salmonella Typhi bereits eine reduzierte Empfindlichkeit für Ciprofloxacin; besonders hoch war das Vorkommen in Kenia. Das wäre insofern bedenklich, als Ciprofloxacin häufiger eingesetzt werden wird, wenn die Kosten sinken, meinten die Forscher. Wenn die Salmonellen im Blut nicht mehr mit den neuen Antibiotika wie Ciprofloxacin in den Griff zu bekommen sind, wäre das ein großes Problem für die betroffenen Länder.

Quelle: Deutsches Zentrum für Infektionsforschung

Über Kommentare oder Ergänzungen freue ich mich…

Mikrobiologische Grüße

Susanne