Der Frosch (Hydrophylax bahuvistara) produziert in seinem Hautsekret ein Peptid, das Grippeviren zerstören kann. (Foto: Sanil George & Jessica Shartouny)
Die kolumbianischen Chocó-Indianer benutzen das Gift (Batrachotoxin) des Schrecklichen Pfeilgiftfroschs für ihre tödlichen Blasrohrpfeile. Aber Froschsekrete können noch viel mehr. Für die schleimigen Hautabsonderungen der Frösche interessiert sich die Wissenschaft schon seit einiger Zeit. Und das aus gutem Grund. Hier ruhen vielleicht noch unentdeckte Schätze für die Entwicklung neuer Medikamente mit nützlichen Effekten für den Menschen. Ein farbenfroher indischer Frosch könnte der Medizin vielleicht ein wirksames neues Mittel gegen die Grippe (Influenza) liefern.
Neue Medikamente aus dem Arzneischrank der Natur
Die Grippe ist immer noch eine der häufigsten und schwerwiegendsten Atemwegsinfektionen weltweit. Drei bis fünf Millionen Fälle gibt es jede Saison. Bis zu 500.000 Menschen sterben jährlich an der Erkrankung. Gegen die saisonale Grippe kann meist eine Impfung schützen. Wenn unvorhergesehen eine Influenza-Pandemie ausbricht, kann es komplizierter werden. Es dauert typischerweise mehrere Monate bis ein passender Impfstoff in ausreichender Menge produziert werden kann. Dann sind antivirale Medikamente das erste Mittel der Wahl. Hier kommen aber andere Probleme ins Spiel: Die Grippeviren entwickeln schnell Resistenzen gegen die gängigen Wirkstoffe. Die Forscher müssen daher dringend neue antivirale Mittel entwickeln. Um dies zu erreichen, suchen sie nach schon in der Natur vorhandenen Wirkstoffen, im speziellen nach Peptiden der angeborenen Immunabwehr.
Jetzt hat eine Forschergruppe um Joshy Jacob von der Emory University in Atlanta im Hautsekret der indischen Froschart Hydrophylax bahuvistara ein solches Sekret untersucht – mit überraschenden Ergebnissen. Im Froschschleim kommt ein bestimmtes Peptid vor, welches Grippeviren unschädlich machen kann.
Wirksam gegen zahlreiche Grippe-Stämme
Die chemischen Analysen ergaben, dass das Hautsekret des Frosches einen Cocktail aus 32 verschiedenen Abwehrpeptiden enthält. Peptide sind kurze Aminosäureketten, die von vielen Tieren und auch von uns Menschen produziert werden, mit der Fähigkeit, Bakterien oder Viren zu beschädigen oder zu zerstören – sie bieten sich daher als Ausgangspunkt für eine Suche nach neuen antiviralen Mitteln an.
Das neu entdeckte Peptid mit der aggressiven Wirkweise wurde „Urumin“ getauft. So heißt in Indien eine gefürchtete traditionelle Waffe, die ursprünglich wie auch der Frosch aus dem Süden Indiens kommt. Es handelt sich um eine Kombination aus Peitsche und Schwert – statt Leder sind beim Urumin die Riemen aus flexiblem, sehr dünnem Metall.
Was passiert genau? Noch ist der Wirkmechanismus des Peptids noch nicht vollends aufgedeckt. Es bindet offenbar ein virales Oberflächenprotein, welches in vielen Grippevirenstämmen vorkommt. So kann das Virus nicht mehr in die Zelle gelangen und wird anschließend getötet. Das neuentdeckte Peptid ist hochgradig wirksam – und das gleich gegen zahlreiche alte und neue Stämme des H1-Influenza-Virus. So beschrieben in der Fachzeitschrift „Immunity“.
Immer einen Frosch in der Tasche?
Solltest du dir bei Grippe nun einfach einen indischen Frosch unter die Nase binden? Nein – das würde nichts bringen? Bis zum wirksamen Medikament ist es noch ein weiter Weg.
Damit das Peptid eine Grundlage für ein Grippeschutzmittel liefern kann, müssen noch viele weitere Tests durchgeführt werden. Derzeit wirkt die Substanz lediglich bei menschlichen Zellen und Mäusen unter Laborbedingungen. Viele Wirkstoffstudien stellen sich später beim Menschen als ungeeignet heraus. Aber die Arbeit zeigt, dass in der systematischen Erforschung tierischer Substanzen ein großes Potenzial schlummern könnte.
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte dieses „Rezept der Natur“ zu einem neuen antiviralen Grippemittel weiterentwickelt werden. Weltweit gibt es mehr als 6000 verschiedene Froscharten und regelmäßig werden neue entdeckt - so wie etwa 2014 mitten in New York City.
Übrigens: Die Frösche tragen keinen großen Schaden davon. Zur Entnahme des Wirkstoffs bekommen sie leichte Elektroreize, wodurch die Schleimproduktion angekurbelt wird. Dieser wird entnommen und die Frösche werden wieder in die Freiheit entlassen.
#mikrobensindfreunde
Mikrobiologische Grüße
Susanne
30. April 2017 um 11:02 Uhr
Hallo Susanne, wolltest du im letzten Absatz eventuell schreiben,dass die Frösche KEINEN großen Schaden davon tragen?
Ansonsten: schöner Blog!
LG
SV von den Lesedamen
30. April 2017 um 11:13 Uhr
Liebe S. 😉 , super Danke für den Hinweis. Sie tragen natürlich keinen großen Schaden davon. Aber immer gut, wenn Ihr aufmerksam mitlest 😀…Viele Grüße Susanne