Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co

Reisetipp Micropia: Besuch im Mikrobenzoo in Amsterdam

4 Kommentare

MicropiaUpdate März 2024:

Gerade war ich wieder in Amsterdam und möchte euch Micropia ‑ den ersten Mikrobenzoo ‑ sehr ans Herz legen. Ich war 2017 zum ersten Mal dort und hatte Gelegenheit, mir dieses Eldorado für Mikrobiologen selbst vor Ort anzuschauen: sozusagen ein Recherchetermin für mein Sachbuch „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke“.

Micropia ist eine kleine aber feine Untereinheit des Stadtzoos Artis mitten in Amsterdam. Vom Bahnhof Amsterdam Centraal ist der Zoo ganz einfach mit der Tramlinie 9 zu erreichen ‑ wunderschön gelegen im Stadtteil Plantage.

Wir werden empfangen von freundlichen Besucher-Guides in weißen Laborkitteln, die uns die Tour durch das Museum und ein paar Kindern eine Art Stempel-Rally erklären. Dann geht es schon ab in den Fahrstuhl zur ersten Ebene des Museums. Dieser Einstieg durch eine Schleuse in den Mikrokosmos ist sehr gut gemacht. An der Decke des Fahrstuhls sehen wir uns auf einer Videowall zuerst selbst in voller Größe. Dann zoomt das Kamerabild über unseren Köpfen an das Auge eines Besuchers im Lift heran und zeigt uns die Mikroorganismen, die für gewöhnlich auf unseren Wimpern leben. Guter Effekt!

Aufwändige multimediale Exponate

Micropia ist wirklich ein einzigartiges und sehr aufwändiges Museum. Das Sehen und das Erleben der Mikroorganismen stehen für das Publikum im Mittelpunkt.

Sehr aufwändig inszeniert sind die meisten Exponate mit lebenden Mikroorganismen z. B. Bakterien oder Algen in großen Kolben, die regelmäßig erneuert werden müssen. Gleichzeitig kann man selbst Mikroskopieren und über einen Touchscreen den Mikroskop-Ausschnitt sehen. Je nach Interessenstiefe können wir die mediale Erweiterung der Exponate durchforsten, die mittels Filmen, Bildern und Texten Einblick in das Aussehen, Verhalten und die vielfältigen Beziehungen der Kleinstlebewesen zum Menschen gibt. Das funktioniert auch prima für die Eltern mit jüngeren Kindern neben uns.

Die Einzigartigkeit von Micropia liegt in der Mischung lebender und virtueller Mikroben. Die dramatischen Größenunterschiede zwischen den verschiedensten Kleinstlebewesen kann man auf einer fast 10 x 5 Meter großen, reaktiven Monitorwand erkennen, auf der die Mikroben wie in einem Aquarium schweben. In dem interaktiven Panorama mit extremophilen Mikroorganismen erleben wir Mikroben an Orten, die extreme Lebensbedingungen wie hohe Radioaktivität oder Kälte mit sich bringen. Die virtuellen Mikroorganismen schweben dank einer speziellen Projektionstechnik vor dynamischen 3D-Landschaften. Faszinierend!

Im Fokus: Positive Beziehung zwischen Mikroben und Menschen

Uns selbst und unseren Mikroben begegnen wir in der Ausstellung immer wieder. Am überraschendsten ist für die meisten Besucher in der Ausstellung der „Mikroben-Scan“ des eigenen Körpers, bei der sie interaktiv ihren Körper erforschen können. Ich trete sozusagen meinem virtuellen Ich gegenüber und kann die durchschnittliche Masse von zwei Kilogramm an Mikroben erforschen, die an und auf mir an unterschiedlichen Stellen meines Körpers leben. Die Technologie, die hierbei zum Einsatz kommt, ist ein hochentwickeltes Körpertracking.

IMG_4550

Körper-Scan auf Mikroben (S. Thiele)

Neben den Mikroben stehen immer wieder wir selbst im Zentrum der Ausstellung – und das auf mehreren Ebenen: als Betrachter, als interaktiv Handelnde und Forschende, und als Objekte, die es selbst zu erforschen gilt.

Sei es das „Kiss-o-meter“, bei dem wir erfahren, dass wir gerade 1 Million Bakterien und 100 verschiedene Typen ausgetauscht haben ;-). Oder eine beeindruckende Sammlung unterschiedlicher Kotsorten und Bakterien, die unseren Darm bewohnen.

Sehr beeindruckt hat mich persönlich eine ganze Wand voller Petrischalen mit Mikroben: Sie zeigt eine Vielzahl von, in unserem Haushalt mit uns lebenden, kleinen Nachbarn: Bakterien aus dem Teppich, vom Handy oder der Zahnbürste usw.

IMG_4533

Bakterien und Pilze, die mit uns im Haus leben (S. Thiele)

Mikroben im Kreislauf des Lebens

Bakterien und Pilze werden dringend gebraucht, damit der Kreislauf des Lebens funktioniert. Das wird in der Ausstellung extrem deutlich gemacht mit einem Exponat einer verwesenden Giraffe.  Aber auch vor Lebensmitteln machen die Mikroorganismen nicht halt.

Fazit:

Nicht nur mir als Mikrobiologin sondern auch meiner Familie hat diese Ausstellung sehr gefallen. Das Museum erscheint auf den ersten Blick nicht sehr groß – bietet aber für verschiedene Altersklassen ab ca. 10 Jahren eine Fülle an Informationen und interaktiven Möglichkeiten, sich spielerisch Wissen zu erarbeiten.  Die Exponate sind sehr gut gemacht und pflegeaufwändig. Wissenschaftler sind ständig in der Ausstellung und kontrollieren Kulturen oder stehen für Fragen zur Verfügung.

Der Mikrokosmos bleibt nicht nur beschränkt auf Bakterien, Viren Pilze oder Phagen. Auch Algen, Ameisen oder kleine Käfer finden hier noch Platz.

Ausstellungsdesign und Multimedia

Die Ausstellung wurde vom niederländischen Ausstellungsdesignbüro Kossmann.dejong in enger Zusammenarbeit mit ART+COM Studios gestaltet. Während Kossmann.dejong für die Gesamtkonzeption des Ausstellungsdesigns und Szenografie verantwortlich war, arbeitete ART+COM in erster Linie an der Konzeption, Gestaltung und Entwicklung der medialen Exponate – von den ersten Skizzen zum Interaktionsdesign bis hin zur Programmierung und zum Hardwaredesign.

Unbedingt Probieren!

Das Café-Restaurant „De Plantage“ gleich neben Micropia ist ein echter Insider-Tipp. Es ist ein gemütliches und nostalgisches Gartenrestaurant am Artis-Zoo mit einer schönen Sonnenterasse. Gegenüber kann man Flamingos und Störche beobachten.

Meine Empfehlung: Tartines (geroosterd desembrood) Crème van Hollandse geitenkaas (Ziegenkäse) met gegrilde honingpeer (Honigbirne), rucola an hazelnoot. LEKKER!

Mikrobiologische Grüße aus Amsterdam

Susanne

IMG_4571


Entdecke mehr von Mikrobenzirkus

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Autor: Susanne Thiele

Biologin und Wissenschaftsautorin aus Braunschweig www.susanne-thiele.de

4 thoughts on “Reisetipp Micropia: Besuch im Mikrobenzoo in Amsterdam

  1. Pingback: MX 605 – Du glaubst nicht, was Mabuta mit seinen vielen Beinen anstellt! Lesen auf eigene Gefahr! – OMXFC

  2. Pingback: MX 605 - Du glaubst nicht, was Mabuta mit seinen vielen Beinen anstellt! Lesen auf eigene Gefahr! - BLOGDRAX

  3. Pingback: Mikroben, Fermente, neue Buchprojekte – Rückblick 2017 | Mikrobenzirkus

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Entdecke mehr von Mikrobenzirkus

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen