Mikrobenzirkus

Keine Panik vor Bazille, Virus & Co

Wie Bakterien Schnee machen

1 Kommentar

pixabay_plant-1160731_1280

An der Schneebildung können auch Mikrorganismen beteiligt sein. (Pixabay)

Draußen wird das Wetter jetzt im Dezember zunehmend frostiger. An Fensterscheiben erscheinen Eisblumen wie hingemalt und weißer Raureif überpudert morgens die Pflanzen im Garten. Der erste Schnee ist nicht mehr weit. Man kann ihn schon riechen.

Schneeflocken sind übrigens keineswegs nur einfach Kristalle aus reinem Wasser – eingefroren in einer wunderschönen geometrischen Grundstruktur. Auch bei ihrer Entstehung können überraschenderweise Mikroorganismen beteiligt sein. Bakterien und andere winzige Organismen tragen viel stärker als vermutet in unserer Atmosphäre zur Bildung von Schnee und Regen bei. Das erkannten Forscher der Louisiana State University in Baton Rouge im Wissenschaftsmagazin „Science“ schon im Jahre 2008, nachdem sie Schneeproben aus 19 unterschiedlichen Regionen der Welt untersucht hatten.

Bakterien für große Schneeflocken

pixabay_star-1562803_1920

Eiskristalle (Pixabay)

Damit Eiskristalle wachsen können, braucht es einen kleinen Anstoß. Bei einer Schneeflocke genügen schon in der Luft umherschwirrende Teilchen, die Aerosole oder Eiskeime. Das können anorganische Stoffe, wie Staubkörner, Salze sein oder auch organische Aerosole wie Mikroorganismen, Pollen, Algen, Pilzsporen, Bakterien oder Viren. An diese „Kristallisationskeime“ lagern sich winzige Wassermoleküle an. So entstehen in den Wolken Wassertröpfchen, die später als Niederschlag zur Erde fallen. Bei Temperaturen unter Null bilden sich statt der Wassertropfen winzige Eiskristalle. Die Wassermoleküle lagern sich dann in bestimmten Winkeln aneinander an. Nach und nach entstehen Prismen, Säulen, Plättchen, Nadeln oder Sterne. Schneekristalle sind in der Regel sechseckig. Es gibt unzählige Möglichkeiten, wie sie sich zusammensetzen können. Daher geht man auch davon aus, dass Eiskristalle einzigartig sind. Schnee entsteht, wenn viele der Eiskristalle aneinander klebenbleiben.

Schneeflocken können übrigens sehr groß werden – bis zu 20 Zentimeter. Man spricht dann von „Pfannkuchen-Schnee“. Ins Guinessbuch der Rekorde hat es eine sogar 38 Zentimeter große Schneeflocke geschafft. Normalerweise werden Schneeflocken aber nur wenige Millimeter dick und sind federleicht. Eine fünf Millimeter breite Flocke wiegt nur vier tausendstel Gramm.

Die Schneeflocken mit organischen Eiskeimen sind meist größer als solche mit Staubkörnern. Das hat einen ganz einfachen Grund: Organische Eiskerne, wie beispielsweise Bakterien, haben ein viel größeres Volumen als Staubkörner. Umso mehr Platz haben logischerweise auch die Wassermoleküle, die hier andocken können. Weitere Wassermoleküle werden außerdem noch angezogen, wenn im Kern schon viel Wasser gespeichert ist. So können biologische Eiskeime selbst bei relativ hohen Temperaturen die Bildung von Schneekristallen auslösen.

Schneebakterium Pseudomonas syringae

Schnelle Berühmtheit als ein eisaktives Bakterium hat Pseudomonas syringae erlangt. Es löst schon bei minus zwei Grad Celsius die Eisbildung in Wassertropfen aus. Zum Vergleich: Enthalten Wassertropfen nur Mineralstaub oder Ruß als Kondensationskeime für die Eiskristallbildung, setzt der Gefrierprozess erst ab Temperaturen von etwa minus 15 Grad Celsius ein. Das Schneebakterium sorgt also gefährlich schnell für Schnee. Das ist natürlich einerseits für Betreiber von Schneekanonen für schneearme Skipisten sehr interessant. Andererseits kann der Mikroorganismus an Pflanzen, auf denen er siedelt, unschöne Frostschäden verursachen.

Aber wieso ist das Bakterium eigentlich ein Gefrierbeschleuniger? Das konnte Anfang 2016 ein Wissenschaftlerteam des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz aufklären. Sie analysierten die Oberfläche des Bakteriums und fanden als Ursache bestimmte Proteinmoleküle an der Bakterienoberfläche. Dadurch sind die Bakterien in der Lage, den Ordnungszustand und die Dynamik von Wassermolekülen in Wassertröpfchen beeinflussen zu können – durch Wechselwirkung mit bestimmten Aminosäuresequenzen. Zudem nehmen die Proteine Wärmeenergie aus dem Wasser auf und leiten sie weiter in das Bakterium. Dadurch können sich die Wassermoleküle schneller zu einem Eiskristall zusammen lagern.

Schneekanone auf der grünen Wiese

Die eisbildenden Eigenschaften von Pseudomonas syringae kommen bei der Snowmax-Methode, bei der bei Plusgraden Schnee auf den Skipisten erzeugt wird, zum Einsatz. Man nutzt dabei abgetötete Pseudomonas-Bakterien. Ihr Eiweiß lässt Wasser auch bei plus fünf Grad Celsius zu schneeähnlichem Pulver werden. Bei minus drei Grad entsteht ein pulvrig weißer Schnee, den man auch als „Technischen Schnee“ bezeichnet. In USA werden schon ganze Ski- gebiete damit beschneit, in der Schweiz ist dies teilweise auch möglich. In Österreich und Deutschland ist die Snowmax-Methode verboten. Hier darf bisher nur reines Wasser ohne chemische oder bakterielle Zusätze zum Beschneien verwendet werden. Wenn die Wintertemperaturen so hoch bleiben, wird man wohl auch in Deutschland nochmal über das Schneebakterium nachdenken.

Schneemann Challenge

Aber zuerst geben wir diesem Winter eine Chance. Für meine Zwecke zum Rodeln und Schneemannbauen reicht das normale Schneeaufkommen in Niedersachsen meist aus. Und bis zum Welttag des Schneemanns am 18. Januar ist auch noch etwas Zeit. Na hoffentlich hält sich das Wetter dran! Ansonsten wissen wir nun, wie es funktioniert.

schneemann_dsc_0721

Schneemann und unser Kater Kasper (S. Thiele)

 

Mikrobiologische Grüße

Susanne


Entdecke mehr von Mikrobenzirkus

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Autor: Susanne Thiele

Biologin und Wissenschaftsautorin aus Braunschweig www.susanne-thiele.de

1 thoughts on “Wie Bakterien Schnee machen

  1. Pingback: Rückblick 2016 und ein Dankeschön! | Mikrobenzirkus

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Entdecke mehr von Mikrobenzirkus

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen